Covid-19 Monoklonale Antikörper: Diesen Forschungswirkstoff erhielt Donald Trump

08. Oktober 2020, 15:40 Uhr

Der Corona-Patient Donald Trump erhielt unter anderem eine Dosis eines neuen Forschungsmedikaments: monoklonale Antikörper des US-Biotechkonzerns Regeneron. Warum die Antikörper eine große Hoffnung in der Pandemie sind.

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Frühestens Anfang 2021 soll es einen Impfstoff gegen Corona geben. Könnte die Krise aber schneller gelöst werden, mit monoklonalen Antikörpern? Ein Biotechkonzern aus den USA will noch im Herbst Ergebnisse liefern.

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US-Präsident Donald Trump dürfte aktuell der berühmteste Corona-Patient der Welt sein. Angesteckt hat er sich offenbar bei einer öffentlichen Versammlung vor dem Weißen Haus, als er die Nominierung der konservativen Juristin Amy Coney Barrett für den Obersten Gerichtshof (Supreme Court) der USA bekannt gab. Auch viele weitere Gäste dieses Events steckten sich an. Ein ganzes Team von Ärzten versucht seitdem, ihn mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln so schnell wie möglich regierungsfähig zu machen. Ein Baustein dabei war laut New York Times auch ein neues Medikament des US-Biotechunternehmens Regeneron, eine Therapie mit monoklonalen Antikörpern. Der noch in der Forschung befindliche Ansatz könnte bei dieser und bei kommenden Pandemien eine große Rolle spielen - und vielleicht sogar schneller zur Verfügung stehen als ein Impfstoff, glauben manche Experten.

Monoklonale Antikörper: Die schnellere Lösung als ein Impfstoff

Antoni Fauci gilt als Stimme der Vernunft in der Coronakrise. Anders als sein Boss, US-Präsident Trump, hat Fauci, selbst Chef der US-Seuchenschutzbehörde NIAID, die Viruspandemie früh ernst genommen und wichtige Schutzmaßnahmen empfohlen. Er ist also niemand, der die Krise vorschnell für beendet erklären würde. Nun aber zitiert das renommierte Magazin Science Fauci mit den Worten: "Wenn Sie Geld setzen wollen, sollten Sie wetten, dass Sie mit Monoklonalen eine Antwort noch vor einem Impfstoff bekommen." Was also sind monoklonale Antikörper? Und haben sie wirklich das Potenzial, die Krise zu beenden?

Monoklonale Antikörper sind ein Produkt der roten Gentechnik

Antikörper sind ein regulärer Bestandteil der menschlichen Immunantwort auf alle möglichen Gefahren. Im Grunde genommen handelt es sich um winzige Eiweiß-Ankermoleküle, die je nach Aufbau an anderen Molekülen andocken und sie so festhalten oder blockieren können. Forscher haben also das Blut von Menschen untersucht, die Covid-19 überstanden haben und genesen sind. Darin fanden sie unter anderem Antikörper, die die Coronaviren festhielten. So blockierten sie einerseits den Eintritt der Viren in die menschlichen Zellen und markierten sie andererseits als Eindringlinge, die dann von anderen Teilen des Immunsystems bekämpft werden konnten.

Solche neutralisierenden Antikörper werden in B-Zellen hergestellt, einem anderen Teil des Immunsystems. Eine Möglichkeit für Forscher ist also, diese B-Zellen zu isolieren und außerhalb des Körpers künstlich in Zellkulturen zu vermehren, beziehungsweise zu klonen (daher der Begriff "monoklonale Antikörper", wenn eine einzige Linie von B-Zellen die Quelle ist und "polyklonal" wenn verschiedene Arten von B-Zellen und Antikörpern verwendet werden). Ein anderer Weg ist, gentechnisch veränderte Mäuse zu nutzen, um menschliche Antikörper herzustellen.

Mit dieser Form der sogenannten roten, also medizinischen Gentechnik können die Forscher Antikörper herstellen, die dann anderen Menschen direkt ins Blut gespritzt werden können. Weltweit verfolgen aktuell dutzende Forschungsgruppen und Verbände diesen Ansatz, darunter auch große Biotechnologiefirmen wie das US-Unternehmen Regeneron. Der Unterschied zu einer Impfung besteht darin, dass ein Immunsystem die Herstellung der Antikörper nicht erst selbst lernen muss. Das kann Vor- und Nachteil zugleich sein. Außerdem sind Anforderungen für klinische Tests etwas geringer als für einen Impfstoff und die Testphasen damit möglicherweise schneller abgeschlossen.

Monoklonale Antikörper greifen Viren an, wenn das Immunsystem zu langsam ist

Im Grunde handelt es sich bei dieser Form um die Verbesserung sogenannter Serumtherapien. Dabei spenden genesene Corona-Patienten etwas Blutplasma. Die darin enthaltenen Lymphozyten und Antikörper gegen Corona können dann akut Erkrankten helfen. Allerdings variiert die Qualität des Plasmas und damit seine Heilwirkung von Spender zu Spender. Im Bioreaktor hingegen können Antikörper in konstanter Menge und Qualität hergestellt werden.

Ein Problem bei vielen schweren Verläufen von Covid-19 ist offenbar, dass das Immunsystem der Patienten erst spät, dann aber übermäßig stark reagiert. Es kommt zu starken Entzündungen im Körper, die dann in den schlimmsten Fällen zum Tod führen. Monoklonale Antikörper gegen Corona greifen im besten Fall direkt die Viren an, reduzieren also die Virenlast und mildern so den Krankheitsverlauf deutlich ab. Eine aktuelle Studie von Regeneron hat gerade gezeigt, dass dieses Prinzip in Tiermodellen, in diesem Fall bei Hamstern und Makaken, funktioniert hat.

Gescheitert hingegen ist ein Versuch, die überschießende Immunreaktion mit Hilfe eines bereits existierenden Antikörperpräparats zu bremsen. Der Antikörper Sarilumab, entwickelt gegen rheumatische Erkrankungen, konnte in einer Phase-3 Studie den Krankheitsverlauf von Covid-19-Patienten nicht merklich verbessern. Die Studie wurde deshalb eingestellt.

Unerwünschte Bindungseigenschaften können lebensgefährlich werden

Die größte Gefahr von künstlichen Antikörpern aber lautet: Docken sie wirklich nur an den Viren an oder binden sie auch an anderen Stellen? Würden sie etwa rote Blutkörperchen binden, könnten sie zu Gerinseln führen und damit zu Herzinfarkten und Schlaganfällen. Eine andere Gefahr ist, dass sie nicht nur am Virus sondern auch an dessen Zielzellen andocken und Corona so noch eine Brücke in den Körper bauen, statt den Zugang zu verriegeln.

Produzieren Menschen ihre Antikörper selbst, gibt es im Knochemark eine Art Teststrecke. Dort zeigen die B-Zellen die Andockproteine der Antikörper. Binden die beispielsweise an den eigenen Blutkörperchen oder an anderen gefährlichen Stellen, werden sie direkt vom Körper aussortiert. Bei der künstlichen Herstellung müssen diese Gefahren in den klinischen Studien ausgeschlossen werden.

Ulrich Kalinke, Direktor von Twincore, dem Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung an der Medizinischen Hochschule Hannover, gibt hier allerdings eine optimistische Prognose ab. Obwohl solche Antikörpertherapien erst seit wenigen Jahren erprobt werden und bislang vor allem im Kampf gegen Tumore eingesetzt werden, sind viele Mechanismen inzwischen gut verstanden. Dadurch könne eine ganze Reihe von Nebenwirkungen durch Laborversuche und Tests in Tiermodellen ausgeschlossen werden.

Zytokinsturm: Antikörper können auch Entzündungsreaktion verstärken

Aktuelle arbeiten Dutzende Arbeitsgruppen weltweit an neutralisierenden Antikörpern gegen das Sars-Coronavirus-2. Im Fokus der Forscher steht dabei das Spikeprotein von Corona, sein Schlüssel in die menschlichen Zellen. Das birgt allerdings eine weitere Gefahr. Denn auch vom Virus befallene Zellen zeigen das Spikeprotein an ihrer Hülle. Docken die Antikörper dort an, können sie im schlechtesten Fall dem Immunsystem signalisieren, großflächig anzugreifen.

Ulrich Kalinke sagt: "Da kann es durchaus zu unerwünschten Ereignissen kommen, wenn zum Beispiel der monoklonale Antikörper durch Bindung an infizierte Zellen überschießende Entzündungsreaktionen weiter befördert." Das Problem ist in diesem Fall die komplexe Reaktion des Immunsystems auf Corona, die sei noch nicht ausreichend verstanden. Daher glaubt Kalinke, dass der erste Anwendungsfall für monoklonale nicht die Therapie von Erkrankten, sondern der Schutz von Menschen mit hohem Ansteckungsrisiko sein könnte, also etwa medizinischem Personal.

Einfacher ist es sicherlich, einen mAb für die passive Immunisierung zu entwickeln, da zunächst nichtinfizierte Individuen mit dem mAb behandelt werden und bei einer Virusexposition das Virus direkt abgefangen werden kann, bevor es zu komplizierten Abwehrreaktionen des Körpers kommt.

Ulrich Kalinke. Medizinische Hochschule Hannover

Regeneron: Erste Ergebnisse aus klinischen Phase 1 bis 3 Studien schon im September

Welche Anwendungen zuerst verfügbar sind, ist aktuell zwar noch offen. Allerdings sind zahlreiche Ansätze bereits in der klinischen Erprobung. So testet das US-Unternehmen La Lilly gerade einen ersten monoklonalen Antikörper auf seine Verträglichkeit.

Regeneron dagegen dreht mit finanzieller Unterstützung der Trump-Regierung am ganz großen Rad. Das Biotechunternehmen testet derzeit an über 65 Klinikstandorten verschiedene monoklonale Antikörper gegen verschiedene Aspekte von Corona. Darunter sind auch zwei kombinierte, adaptive Phase 1 bis Phase 3 Studien, bei denen die Wirksamkeit eines Antikörpercocktails mit dem Namen REGN-COV2 bei ambulanten und hospitalisierten Coronapatienten getestet wird. Erste Ergebnisse aus diesen Studien will die Firma noch im September mitteilen.

Parallel fährt Regeneron bereits seit Mitte April die Produktion von REGN-COV2 herauf und will eine fest Nummer von Dosen im dritten Quartal an die US-Regierung ausliefern. Wenn alles gut geht, wäre es durchaus möglich, dass der US-Präsident diesen Fortschritt als Erfolg in seinem Wahlkampf verwendet. Er wäre dann der erste Staatschef, der über ein klinisch erprobtes, wirksames Medikament im Kampf gegen Corona verfügt.

Monoklonale: Geringere Anforderungen an klinische Studien

Grundsätzlich sind etwas geringere Anforderungen an die klinische Prüfung ein zentraler Vorteil der monoklonalen Antikörper. Anders als Impfstoffe sollen sie ja nicht in der gesamten Bevölkerung sondern nur bei akut Erkrankten und besonders exponierten Gruppen, etwa Gesundheitspersonal, eingesetzt werden. "Für die Einschätzung der klinischen Wirkung werden die Daten von mindestens rund 3.000 Patienten benötigt", sagt Ulrich Kalinke. "Um die Unbedenklichkeit eines Impfstoffs und dessen Wirksamkeit zu belegen, müssen Daten von mehreren zehntausend geimpften Individuen vorliegen, mindestens von 30.000 Personen. Insgesamt kann sich die Entwicklung eines Impfstoffs daher leicht über längere Zeiträume hinziehen."

Nicht nur US-Unternehmen, auch zahlreiche Arbeitsgruppen und Konsortien in Deutschland forschen daher an den Monoklonalen. Als besonders weit voran geschritten gelten die Ansätze der Gruppen aus Köln, Braunschweig und Erlangen.

Findet hier eine unkoordinierte Parallelentwicklung statt, wird also viel Geld für gleiche Ergebnisse ausgegeben? Ulrich Kalinke beruhigt: "Da es praktisch beliebig viele Kombinationen bestimmter Elemente dieser Antikörper gibt, ist es vollkommen auszuschließen, dass zwei Konsortien identische Monoklonale herstellen", sagt er. Er sieht im Gegenteil sogar einen großen Vorteil der vielen Ansätze: "Es ist sehr wahrscheinlich, dass verschiedenste Antikörper mit unterschiedlichen Eigenschaften gewonnen werden, die zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt werden können." Im Ergebnis könnten so für jeden Patienttyp wirksame Antikörper gefunden werden. "So ist sichergestellt, dass es am Ende tatsächlich mehrere sehr gute Antikörper-Kandidaten für die Prävention und Therapie der Sars-CoV-2 Infektion geben wird. Würde mit der Herstellung weiterer Kandidaten erst angefangen werden, wenn sich ein Kandidat als ungeeignet herausstellt, würde wertvolle Zeit verloren gehen."

Monoklonale werden allerdings Corona nicht ganz beenden können

Eine schlechte Nachricht zum Schluss lautet allerdings, dass die Monoklonalen wahrscheinlich nicht das Ende der Coronakrise bedeuten. Denn ein entscheidender Nachteil sind hier Herstellungskosten. Die sind so hoch, dass Ulrich Kalinke einen Einsatz in der Gesamtbevölkerung praktisch für ausgeschlossen hält. "Insgesamt sind monoklonale Antikörper aufwendig und kostspielig. Es kann nicht damit gerechnet werden, dass solche Substanzen so breit eingesetzt werden, dass man die Reproduktionszahl R unter 1 halten kann, wenn man zugleich alle Abstandsregeln aufgibt."

Porträtfoto des Virologen Professor Klaus Überla vom Universitätsklinikum Erlangen
Prof. Klaus Überla Bildrechte: F. Männel / Uniklinikum Erlangen

Wie hoch die Kosten sind, darauf deutet aktuell die Herausforderung hin, vor der die Forschungsgruppe von Klaus Überla am Universitätsklinikum Erlangen steht. Dort ist ein monoklonaler Antikörper soweit, dass er in klinischen Studien an Menschen getestet werden kann. Aber dafür brauchen die Forscher genügend Dosen des Medikaments. "Die müssen unter sehr kontrollierten Bedingungen produziert werden. Das kostet etwa zehn Millionen Euro, um ein Antikörper-Präparat herzustellen, das dann in den ersten klinischen Studien getestet werden kann."

In den USA haben verschiedene Pharmakonzerne, unter ihnen La Lilly, AbCellera, AstraZeneca, GlaxoSmithKline, Genentech und Amgen bei der US-Regierung beantragt, entgegen Wirtschaftsregeln zum Schutz vor Kartellen zusammenarbeiten zu dürfen bei der Entwicklung von Produktionsverfahren für monoklonale Antikörper. Hier werden offenbar Investitionssummen benötigt, die nicht einmal Großkonzerne einzeln schultern können.

Update 7.10.: Dieser Artikel wurde aktualisiert, als US-Präsident Trump mit den Antikörpern der Firma Regeron behandelt wurde.

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