Impfstoffe und Medikamente Experten: Menschenversuche gegen Corona sinnvoll
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30. Juli 2020, 11:41 Uhr
Menschen absichtlich mit Corona zu infizieren, um die Wirksamkeit einer Impfung zu testen: Bislang ist das verboten. Forscher, unter ihnen Nobelpreisträger, fordern jetzt aber genau solche Challengestudien.
Das Rennen um einen Impfstoff gegen Corona ist in vollem Gange. Am 28. Juli hatten nach Zählung der Weltgesundheitsorganisation insgesamt sechs Impfstoffkandidaten die sogenannten klinischen Phase-3-Studien erreicht. In dieser finalen Phase der Impfstofftestung werden die Präparate einer hohen Zahl von Probanden verabreicht, um einerseits seltene Nebenwirkungen zu entdecken oder auszuschließen.
Andererseits soll die Wirksamkeit überprüft werden, indem innerhalb eines gewissen Zeitraums verglichen wird: Stecken sich Geimpfte weniger oder gar nicht mit Corona an, als eine nicht geimpfte Kontrollgruppe? Allerdings gibt es da eine Schwierigkeit: Ansteckungen mit Corona dürfen nur zufällig passieren. Gezielte Infektionsversuche sind verboten. In den USA fordert die Initiative 1daysooner jetzt allerdings: Die sogenannten Challenge-Studien sollten geregelt und zugelassen werden, um die Coronakrise schneller beenden zu können.
Aufwandsentschädigungen sinnvoll
Dabei stellen sich allerdings neue Probleme. In Deutschland etwa gibt es hohe Hürden, um schreckliche Versuche, wie etwa die der Nazis an KZ-Insassen oder jüdischen Kindern, zu verhindern. Challenge-Studien dürften ausschließlich an freiwilligen Teilnehmern durchgeführt werden. Diese müssen dazu aber umfänglich aufgeklärt und über die Risiken informiert werden. Neben Folgen für die eigene Gesundheit kann eine Teilnahme an Versuchen auch eine zeitlich begrenzte Isolation der Versuchspersonen notwendig machen, etwa um die Weitergabe von Viren zu verhindern.
Viele Experten empfehlen daher, freiwillige Versuchsteilnehmer angemessen für ihren Aufwand zu entschädigen. Denn die Arbeit endet nicht unbedingt mit dem Abschluss einer Testphase. Probanden müssen auch im Anschluss, teilweise über Jahre hinweg, zu Folgeuntersuchungen, um Langzeitfolgen abschätzen zu können.
Ergebnisse nur bedingt übertragbar auf Risikogruppen
Dass solche Challenge-Studien sinnvoll sein können, zeigte 2017 ein Experiment mit einem potenziellen Malaria-Impfstoff. Die Probanden erhielten den Impfstoff zunächst in verschiedenen Dosen, dann ein Vorbeugemedikament und schließlich echte Malaria-Erreger. Der Impfstoffkandidat erwies sich als wirksam, auch wenn noch weitere Studien notwendig sind, bevor er eingesetzt werden kann.
Ein weiterer Vorteil solcher Infektionsexperimente wäre: Forscher könnten auch Krankheitsverläuft unter Laborbedingungen beobachten und so mehr Daten über die Covid-19-Erkrankung sammeln. Allerdings: Da die Studienteilnehmer primär junge Menschen ohne Vorerkrankungen und andere Risiken wären, könnten die Ergebnisse nur bedingt auf Risikogruppen wie ältere Menschen übertragen werden. Auch wären die Teilnehmerzahlen vermutlich gering, wodurch es möglicherweise nicht genügend Hinweise auf seltene Nebenwirkungen gäbe.
Challenge-Studien: Möglicherweise zu langsam für die Corona-Pandemie
Bevor Challenge-Studien durchgeführt werden, müssen zudem zentrale Bedingungen geklärt werden: Welche Virenmenge muss ein Proband erhalten, um richtig infiziert zu werden, seine Gesundheit aber nicht zu sehr zu gefährden? Das zu bestimmen könnte lange Zeit in Anspruch nehmen. Behörden, wie das nationale Gesundheitsinstitut der USA, halten Challenge-Studien deshalb zwar im Grunde für hilfreich. Sie glauben aber, dass der Aufbau der nötigen Strukturen mehr Zeit in Anspruch nimmt, als die bereits angelaufenen Phase-3-Studien. Es könnte also sein, dass Challenge-Studien bei der aktuellen Coronakrise keine Rolle mehr spielen.
(ens/smc)
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