Brasilianischer Regenwald Klare Besitzverhältnisse + strenge Auflagen = wenig Abholzung
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04. Oktober 2022, 17:15 Uhr
Wenn unklar ist, wem ein Stück Land im Regenwald gehört, steigt die Gefahr der Abholzung, zeigt eine Studie aus Mitteldeutschland. Eine Privatisierung dieser Gebiete, wie sie in den Tropen häufig vorangetrieben wird, kann demnach aber vor allem dann Abhilfe schaffen, wenn sie unter strengen Umweltauflagen geschieht.
Die Waldgebiete Brasiliens beherbergen die größte Biodiversität sowie die größten Kohlenstoffspeicher weltweit. Doch der Druck, Platz für landwirtschaftliche Flächen zu schaffen, ist immens und führt zur extensiven Abholzung. Landrechte legen fest, wie und durch wen Land genutzt werden kann. Daher können Veränderungen dieser Rechte, etwa eine Privatisierung oder auch die Schaffung von Schutzgebieten, direkte Auswirkungen auf die Wälder haben.
Andrea Pacheco vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig (iDiv) und Carsten Meyer, der fürs iDiv und die Uni Leipzig tätig ist, haben anhand von Daten aus mehr als 30 Jahren (1985 bis 2018) den Zusammenhang zwischen Landrechten und landwirtschaftlicher Abholzung genauer untersucht.
Zunehmende Abholzung bei unklaren Besitzverhältnissen
Ländereien, die in öffentlicher Hand sind und dabei über schlecht definierte Landrechte verfügen, wiesen im Vergleich zu allen anderen Besitzverhältnissen durchgehend eine deutlich höhere Abholzungsrate auf. Bei diesen Ländereien sind weder die Eigentumsrechte klar definiert, noch ist eine bestimmte Nutzung vorgesehen, doch sie werden mitunter von Siedlern ohne Besitzrechte bewohnt. In Brasilien sind die Landrechte von fast 100 Millionen Hektar Land nicht klar definiert - eine Fläche, fast dreimal so groß wie Deutschland.
"In diesen Ländereien kann die Abholzungsrate aus verschiedenen Gründen hoch sein", erklärt Andrea Pacheco, die die Forschung am iDiv durchführte und mittlerweile an der Universität Bonn forscht. "Zum Beispiel hat die Regierung schlichtweg unzureichende Kapazitäten, um die Abholzung in diesen Gebieten zu überwachen. Das wiederum kann dazu führen, dass Spekulanten die Wälder auf diesen Flächen roden, um später Ansprüche auf deren Nutzung zu erheben. Ebenso fühlen sich arme Siedler ohne eigenen Landbesitz mitunter gezwungen, solche Ländereien illegal für die Landwirtschaft zu nutzen, weil sie die Preise für einen legalen Erwerb schlichtweg nicht zahlen können."
Pachecos Kollege Carsten Meyer fügt hinzu, dass es gerade bei dieser Art von Ländereien wichtig wäre, etwas an den Landrechten zu ändern. "Unsere Studie zeigt, dass es dabei zunächst einmal egal ist, wie diese Veränderung aussieht – jede Form des Landbesitzes mit klar definierten Rechten und Pflichten würde mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Rückgang der Abholzung beitragen."
Strenge Auflagen nötig
Die Studie zeige aber auch, dass nicht jede Privatisierung automatisch gut für den Regenwald ist. Ohne Auflagen schreite die Entwaldung auch in Privatbesitz zu oft voran. Anders sei das bei strengen Bestimmungen wie im Amazonas-Gebiet "Forest Code". Landbesitzer sind dort gesetzlich verpflichtet, auf 80 Prozent der Fläche die natürliche Vegetation zu erhalten.
Andrea Pacheco und Carsten Meyer haben nach eigenen Angaben in der Studie gezeigt, dass die Abholzungsrate in ganz Brasilien am zuverlässigsten durch Schutzgebiete sowie Reservate mit nachhaltiger Nutzung begrenzt wird. Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Debatte über die Privatisierung von Ländereien in Brasilien und den Schutz tropischer Landschaften könne die Studie zu politischen Vorgaben im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung beitragen. Großes Potenzial liege in der Schaffung strengerer Umweltauflagen für private Ländereien auch außerhalb Amazoniens, um so die Biodiversität in Regionen wie dem Cerrado oder dem Pantanal (Mato Grosso) zu schützen, wo ein Großteil der verbleibenden Waldbestände Brasiliens in Privatbesitz sind.
Link zur Studie
A. Pacheco, C. Meyer: "Land tenure drives Brazil’s deforestation rates across socio-environmental contexts", erschienen in Nature Communications
(rr, idw)