Blutphobie Warum können manche Menschen kein Blut sehen?
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17. Dezember 2020, 11:36 Uhr
Sie ekeln sich sogar beim Anblick von Kunstblut. Woher kommt bei manchen Menschen so eine ausgewachsene Blutphobie und ist diese spezifische Angst eigentlich heilbar?
Schon ein kleiner Tropfen Blut kann genügen, um Frauen wie Männer in Ohnmacht fallen zu lassen. "Blutphobie" nennt sich diese krankhafte Angst. Sie geht oft einher mit einer Furcht vor Spritzen, Kanülen und Operationsbesteck jeglicher Art. Schätzungsweise drei bis vier Prozent der Bevölkerung leiden an einer Blutphobie. Sie ekeln sich nicht nur vor Blut oder spüren ein leichtes Unwohlsein. Ihre Angst geht so weit, dass sie Arztbesuche vermeiden – und damit Blutentnahmen, Impfungen und sogar dringend notwendige Behandlungen.
So kommt es zum Blackout
Beim Anblick von Blut kämpfen Betroffene mit heftigen körperlichen Reaktionen: So steigen Puls und Blutdruck nur kurz an – und fallen danach schlagartig ab. Das Gehirn wird so nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Es kommt zu Übelkeit, Schwindel und, im Extremfall, zu Ohnmacht. "Das Besondere an der Blutphobie ist, dass der Kreislauf herunterfährt", sagt Dr. Matthias Vogel, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Uniklinikum Magdeburg. Damit unterscheidet sich die Blutphobie von anderen "spezifischen Phobien". Das sind Ängste, die sich auf bestimmte Objekte oder Situationen beziehen. Auch die Spinnenphobie, Flug- und Höhenangst zählen hierzu. Bei diesen Phobien allerdings reagiert der Körper mit einem dauerhaft hochgefahrenen Kreislauf.
Vielfältige Ursachen
Das für eine Blutphobie typische Reaktionsmuster könnte ein Überbleibsel aus grauer Vorzeit sein. Waren unsere Urahnen verwundet, rettete eine Ohnmacht unter Umständen ihr Leben. Denn so verloren die Verfolger das Interesse und durch die schnellere Blutgerinnung sank das Risiko zu verbluten. Nachweisen lässt sich diese Theorie allerdings nicht. Unter Medizinern und Wissenschaftlern gibt es die unterschiedlichsten Erklärungsversuche.
Die Ursachen für eine Blutphobie können sehr vielfältig sein. Abgesehen von genetischen Ursachen gelten Lernprozesse als wichtig. Das heißt, man kann sich Ängste in seinem Umfeld abgucken oder am Modell von anderen erlernen, beispielsweise von den Eltern. Genauso kann eine Blutphobie auf einem Trauma beruhen – denken Sie an Erkrankungen, die man durchmacht.
Auftreten kann die übersteigerte Angst vor Blut auch erst im fortgeschrittenen Alter. Studien, so Vogel, hätten gezeigt, dass Menschen, die frisch getrennt oder geschieden sind, häufiger dazu tendierten, eine Blutphobie zu entwickeln. "Offenbar zeigt sich in so einer Phobie auch ein Gefühl von Einsamkeit", vermutet der Mediziner.
Doch wie verhält es sich eigentlich mit der Menstruation? Wie sehr macht die Monatsblutung Frauen zu schaffen? Kann sie gar Auslöser für eine Blutphobie sein? "Erstaunlicherweise gibt es dazu kaum Literatur. Andererseits liegt es eigentlich auf der Hand – gerade wenn man bedenkt, dass Frauen von Blutphobie häufiger betroffen sind als Männer. Da kann man schon vermuten, dass es auch mit dem häufigeren Anblick von Blut zu tun haben könnte."
Hilfe ist möglich
Übrigens: Es braucht kein echtes Blut, um Menschen völlig aus der Bahn zu werfen. Kunstblut kann ähnliche unliebsame Effekte hervorrufen. Genauso wie eine allzu lebhafte Schilderung eines blutigen Unfalls. Die gute Nachricht: Eine Blutphobie lässt sich behandeln.
Oft reichen schon drei bis vier Sitzungen aus. Dabei erlernen Betroffene einerseits, die Anzeichen einer Attacke zu erkennen, andererseits den Blutdruck besser zu steuern – durch den aktiven Einsatz ihrer Muskulatur an Armen und Beinen, um so den Blutfluss aufrechtzuerhalten und den Druckabfall zu verhindern.
Zur Person
Dr. Matthias Vogel liest gerne Krimis. Wenn zwischen den Buchseiten Blut fließt, bringt ihn das nicht aus der Fassung und auch sonst hat der Mediziner – schon von Berufs wegen – kein Problem mit Blut. Er hat sich allerdings für einen Bereich entschieden, wo er, anders als ein Chirurg, nicht so häufig mit Blut konfrontiert ist: Er ist Oberarzt an der Magdeburger Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie.
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