Adventskalender, Türchen 6 Buchempfehlung: Eat, Poop, Die – Wie Tiere unsere Welt verändern
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06. Dezember 2024, 05:00 Uhr
Der Titel klingt vielleicht etwas derb, aber er bringt die biologischen Prozesse, die unsere Welt braucht, auf den Punkt. Meint MDR WISSEN-Autorin Katja Evers, die nach der Lektüre völlig überrascht feststellt: "Selten habe ich mich so intensiv und ohne Ekel mit Fäkalien beschäftigt."
Ein unterhaltsamer Blick auf biologische Prozesse
Das Buch ist für alle, die einen unterhaltsamen und gleichzeitig wissenschaftlichen Blick auf die biologischen Prozesse des Lebens auf unserem Planeten wertzuschätzen wissen. "Eat, Poop, Die" ist mehr als nur Klolektüre, aber so locker erzählt, dass es auch dafür bestens geeignet wäre.
Wie wichtig "eklige" Prozesse sind
"Wenn Wälder die Lungen des Planeten sind, dann sind Tiere Herz und Arterien", so heißt es im Buch. Denn Tiere wandern über Flüsse, Ozeane und Berge, begeben sich in die Tiefsee oder an nährstoffarme Strände und hinterlassen dort das, was wir gemeinhin als eklig empfinden: Urin, Kot und vielleicht sogar ihren Kadaver. Wie wichtig diese Prozesse für zahlreiche Ökosysteme und den ganzen Planeten sind, erklärt der Biologe Joe Roman humorvoll und eindrücklich in diesem Buch.
Ein riesiger fäkaler Wal-Schleier war der erste Impuls
Joe Roman ist Biologe, Naturschützer und Meeresökologe und beschäftigt sich – Sie ahnen es – unter anderem hauptberuflich mit den Hinterlassenschaften von Tieren, besonders denen von Walen. Die Idee, dass diese eben nicht nur die Meere leer fressen, sondern sie vor allem auch ernähren, ist auf seine Forschung zurückzuführen und entstand, wie er selbst beschreibt, vor über dreißig Jahren, als er bei einem Forschungsprojekt auf See auf einen riesigen "fäkalen Schleier" stieß, der von einem Wal freigesetzt wurde.
Seither ist er um die ganze Welt gereist und hat Forschende getroffen, die sich ebenfalls der zunächst sonderbar anmutenden Kot-Forschung widmen. Das Ergebnis sind eine Reihe erstaunlicher Beispiele dafür, wie Tiere Ökosysteme selbst herstellen, gestalten und bewahren können – etwa, weil Vögel auf eine bis dato unbelebte Vulkaninsel kacken.
Aufmerksamkeit auf die kleinen natürlichen Prozesse unseres Lebens lenken
Eat, Poop, Die – Fressen, Kacken, Sterben - was vielleicht etwas derb daherkommt, bringt die biologischen Prozesse, die unsere Ökosysteme brauchen, perfekt auf den Punkt. Warum, das erklärt Joe Roman eindrucksvoll, verständlich, sachlich und zugleich gemischt mit viel persönlicher Erfahrung – etwa, wenn er erzählt, wie unmöglich es ist, Walurin einzufangen oder wie die eigene Familie reagiert, als er die Pflanzen im Garten mit selbst recyceltem Urin düngen möchte.
Joe Roman schafft es, die Aufmerksamkeit auf kleine natürliche Prozesse unseres Lebens zu lenken und ganz nebenbei große komplexe Zusammenhänge in unseren Ökosystemen sowie den Einfluss des Menschen darin zu erklären. Dabei verliert er nie die Nuancen aus dem Blick: Die Wolf-Wiedereinführung im Yellowstone Nationalpark etwa, die das Ökosystem angeblich reparierte, ist komplizierter als gedacht. Ebenso die Vorstellung, dass Bären durch Lachsreste Bäume düngen. Zurück bleibt eine Mischung aus Erstaunen, Fassungslosigkeit und dem unbedingten Willen, etwas tun zu können, um die Ordnung wiederherzustellen. Das Gute dabei: Auch dafür hat Joe Roman Lösungen.
Das Buch bringt uns zum Nachdenken
Selten habe ich mich so intensiv und ohne Ekel mit Fäkalien beschäftigt. Das Buch aber hat mich zum Nachdenken gebracht: Darüber, wie wir selbst in unserem Alltag damit umgehen. Wie wir unsere Hinterlassenschaften in Kläranlagen sammeln und dort zersetzen. Wie wir die wertvollen Nährstoffe an anderer Stelle künstlich herstellen, um unsere Felder zu düngen. Wie wir den Kot unserer Hunde in Plastiktüten packen und die darin enthaltenen Nährstoffe wortwörtlich in die Tonne werfen. Ja, sogar die pinkelnden Männer, die am Straßenrand stehen, sehe ich jetzt mit anderen Augen. Genauso wie die Neuansiedlung wildlebender Tiere: Denn statt eines rein quantitativen Ausgleichs innerhalb der Arten sorgen sie durch ihren Kot, Urin und die Kadaver, die sie auf ihren oft weiten Wegen hinterlassen (fremde oder die eigenen) für weitaus mehr, als ich bisher auf dem Schirm hatte: wichtige Nährstoffe in oft nährstoffarmen Ökosystemen. Etwas, dass Tiere, die auf Feldern und in Gehegen eingesperrt sind, nicht leisten können.
Und noch etwas ist mir in diesem Zuge hängen geblieben: Kühe, Schweine, Schafe und andere Tiere, die wir essen, machen dem Buch zufolge 60 Prozent der Gesamtbiomasse aller Säugetiere auf der Erde aus, der Mensch 36 Prozent. Wildlebende Säuger dagegen nur noch 4 Prozent. Gerade sie aber könnten laut Joe Roman ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den Klimawandel sein.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 04. Dezember 2024 | 16:10 Uhr
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