Hirnforschung Wahrnehmung: Wir reagieren auf Freudenschreie stärker als auf Angstrufe
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10. Juli 2024, 14:20 Uhr
Was unterscheidet den Menschen vom Tier? Wie wäre es denn mal mit dieser Antwort: Wir schreien aus viel mehr und anderen Gründen, als Tiere das tun. Wir schreien nämlich nicht nur aus Angst oder Wut, sondern auch aus Freude! Und diese Freudenschreie haben es in sich: Unser Gehirn nimmt sie nämlich stärker wahr als Alarmgebrüll. Das hat ein Forscherteam aus Zürich herausgefunden. Warum ist das so?
Manchmal muss man einfach schreien: aus Wut, aus Angst oder auch aus Schmerz. In diesen Fällen liegen die Gründe fürs Schreien auf der Hand: Sie sollen andere warnen, einschüchtern oder fordern Hilfe ein. Auch Tiere schreien aus genau diesen Gründen. Der Mensch aber kann noch mehr, erklärt Sascha Frühholz, Professor für kognitive und affektive Neurowissenschaften der Universität Zürich: Schreien aus purer Freude! Das tun wir etwa, wenn wir mit anderen Menschen zusammen sind, sagt er: "Wir gehen zum Fußballspiel, unsere Mannschaft schießt ein Tor, dann schreien wir, weil wir uns freuen."
Wir schreien auch aus Vergnügen. Wenn uns etwas sehr gut gefällt, dann schreien wir oft auch zusammen mit anderen Menschen.
Und Frühholz ergänzt: "Wir haben noch eine andere Emotion, einen Schrei, bei dem wir nicht wissen, ob es den wirklich nur bei Menschen gibt oder ob er auch bei Tieren vorkommt." Dieser Schrei ist einer aus Trauer. Denn auch wenn wir Trauer erlebten und Verlust, dann schreien wir ebenfalls, so Frühholz. "Das sind die verschiedenen Schreie, die so noch nicht in der Wissenschaft beschrieben wurden."
Wider die Erwartung: Hirn reagiert nicht auf Alarm am stärksten
Das Züricher Psychologen-Team hat diese ganze Palette an menschlichen Schreien untersucht. Dazu mussten ihre Testpersonen zunächst schreien, was das Zeug hält. Eine zweite Personengruppe musste diese Schreie dann zuordnen. Das erstaunliche Ergebnis: Unser Gehirn nimmt die Freudenschreie sogar stärker wahr als das Alarmgebrüll, das auch im Tierreich vorkommt. Entscheidend dafür ist im Gehirn das sogenannte limbische System, das unsere Emotionen verarbeitet.
Und da hatten wir eben auch festgestellt, dass dieses limbische System viel mehr auf diese positiven Emotionen anspricht, also höher aktiv ist, als wenn Menschen diese negativen Schreie wahrnehmen.
Das sei vor allem auch überraschend gewesen, weil die Literatur eigentlich immer sage: Das menschliche Gehirn ist von der Evolution darauf vorbereitet, Gefahrsignale wahrzunehmen, so Frühholz. "Das stimmt schon, das tut das menschliche Gehirn, aber es tut das noch mehr – ist sozusagen noch mehr sensitiv auf diesen positiven Schrei."
Der Schrei als Form komplexer Kommunikation?
Wieso das so ist, kann anhand der Schweizer Studie nicht eindeutig beantwortet werden, aber die Wissenschaftler haben Theorien: Wir Menschen haben im Vergleich zu Tieren viel komplexere soziale Beziehungen. Damit muss auch unsere Kommunikation Schritt halten. Gemeint ist damit eben nicht nur, dass wir in der Lage sind, miteinander zu sprechen, wir können eben auch komplexer miteinander schreien. Wir schreien schließlich, um uns auszudrücken, aber eben auch, um uns mitzuteilen. Und in so einem sozialen menschlichen Gefüge sind positive Emotionen eben besonders wichtig, sagt Neurowissenschaftler Sascha Frühholz.
Die negativen Schreie sind eigentlich immer was, was wir eigentlich vermeiden wollen. Also wenn eine Person aus Angst schreit, dann laufen wir meistens weg, weil es eben Gefahr signalisiert, während wir Situationen, in denen wir positive Emotionen erleben, und positive Schreie sind mit solchen Situationen ja verknüpft, aktiv suchen. Wir gehen zum Fußballspiel, wir wollen aus Freude schreien, weil uns das Vergnügen bereitet.
Der Freudenschrei ist ansteckend. Wir mögen das Geräusch. Und weil wir es so gerne hören, produzieren wir es eben auch sehr gern selbst. Also nur zu, laut und lustvoll: Wagen Sie den inbrünstigen Jubelschrei!
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