Zufall oder Nebenwirkung? Erste Komplikation bei Impfstofftest gegen Corona
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16. September 2020, 10:38 Uhr
Der Pharmakonzern AstraZeneca pausiert den Phase-3-Test für seinen Corona-Impfstoff-Kandidaten. Bei einem Geimpften trat eine Entzündung des Rückenmarks auf. Ob das Zufall oder Nebenwirkung ist, muss jetzt untersucht werden.
Update 14.9.2020
Astrazeneca setzt Corona-Impfstoff-Studie fort
Der britische Pharmakonzern setzt seine nach einem medizinischen Zwischenfall unterbrochene Studie zu einem aussichtsreichen Corona-Impfstoff-Kandidaten in seiner Heimat fort. Die Gesundheitsbehörde MHRA habe grünes Licht dafür gegeben, so AstraZeneca.
Eine Transverse Myelitis kann reichlich unangenehm werden. Dabei entzündet sich ein Teil des Rückenmarks. Je nachdem, welcher Abschnitt entzündet ist, erleben Erkrankte Gefühlstaubheit, Lähmungen oder Muskelschwächen. Laut einem Bericht der New York Times trat eine solche Transverse Myelitis jetzt bei einem Teilnehmer von AstraZenecas Impfstoffstudie gegen Corona auf. Der Pharmakonzern hatte daher vorläufig weitere Testimpfungen gestoppt.
Adenovirus 5: AstraZeneca setzt auf Vektorimpfstoff
Noch ist völlig unklar, ob die Rückenmarksentzündung eine Nebenwirkung des Impfstoffs oder ob sie rein zufällig aufgetreten ist. Das soll die nun angelaufene Untersuchung zeigen. Eine Transverse Myelitis kann durch Viren ausgelöst werden aber auch eine Autoimmunrekation sein, also ein Überschießen der Köprerabwehr.
Die klinische Phase-3 Studie des AstraZeneca-Impfstoffkandidaten läuft seit Juli und soll nach bisheriger Planung eigentlich Anfang Oktober angeschlossen werden. Die Veröffentlichung der Ergebnisse war für Dezember geplant. Bislang wurden offenbar bereits 17.000 Testpatienten geimpft.
Beim Impfstoff-Kandidaten handelte es sich um einen sogenannten Vektor gegen Corona. AstraZeneca hat ihn zusammen mit Forschern der Universität Oxford entwickelt. Bei diesem Verfahren werden unschädlich gemachte Erkältungsviren vom Typ Adenovirus-5 verwendet. Die Forscher haben diese Vektorviren mit einem Teil der Erbinformation des neuartigen Sars-Coronavirus-2 ausgestattet. Der Impfstoff soll dem Immunsystem der Geimpften beibringen, Antikörper gegen das Spikeprotein von Sars-CoV-2 zu bilden. Dann könnten die köpereigenen Abwehrkräfte rasch reagieren, wenn es zum Kontakt mit dem echten Virus kommt.
Phase-3 soll Komplikationen zeigen – so wird die Sicherheit von Impfstoffen garantiert
Diese Art der Impfstoffentwicklung ist ein gegen viele andere Viruserkrankungen erprobtes Verfahren. Es wird auch von den russischen Medizinern verwendet, deren Kandidat bereits an einzelne Personen in Russland ausgegeben wird.
Trotzdem kann es natürlich zu Nebenwirkungen kommen. Dass eine solche potenzielle Komplikation in der laufenden klinischen Studie aufgetreten ist, ist im Grunde eine gute Nachricht. Der Fall illustriert, warum diese Tests wichtig sind und nicht übersprungen werden sollten. Diese Notwendigkeit hatten die Chefs mehrerer Pharmafirmen, darunter auch AstraZeneca, gerade in einem Statement betont. Sie wehren sich damit auch gegen US-Präsident Trump, der bis November einen Impfstoff präsentieren will, um seine Chancen einer Wiederwahl zu erhöhen. Bei einer Phase-3-Studie eines Impfstoffkandidaten müssen mindestens 30.000 Testpersonen den Wirkstoff ausprobieren. Die hohe Teilnehmerzahl soll sicherstellen, dass auch seltenste Nebenwirkungen entdeckt werden.
"In der Öffentlichkeit werden solche Vorgänge wie das Aussetzen einer klinischen Studie manchmal als Schreckensmeldungen wahrgenommen. Wichtig ist aber anzuerkennen, dass das transparente Vorgehen ein Zeichen der funktionierenden Qualitätskontrolle ist", sagt Stephan Becker, Direktor des Insituts für Virologie an der Universität Marburg. "An einem Beispiel aus meinem Forschungsbereich kann man das vielleicht deutlich machen: Die klinische Überprüfung des Ebola-Impfstoffs förderte ebenfalls Gelenksentzündungen als mögliche Nebenwirkungen zutage. Bei näherer Untersuchung waren diese tatsächlich auf den Impfstoff zurückzuführen, aber hauptsächlich in einer Studienkohorte in Genf. In diesem Fall wurde die klinische Studie ebenfalls pausiert, aber nach einem Review des Boards fortgesetzt. Heute ist der Impfstoff zugelassen."
Aktuell laufen neun Phase-3-Studien von Impfstoffkandidaten gegen Corona
Laut Weltgesundheitsorganisation laufen aktuell neun Phase-3-Studien von Impfstoffkandidaten gegen Corona. Experten erwarten, dass mindestens einer bis Jahresende alle Tests bestanden hat und in die Zulassung gehen kann. Neben Vektorimpfstoffen werden erstmals auch sogenannte RNA-Impfstoffe getestet. Dabei wird die Erbinformation für das Spikeprotein von Corona direkt injiziert. Diesen Ansatz verfolgen die beiden deutschen Pharmafirmen CureVac und BioNtech.
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