Corona Infiziert ist nicht immer infektiös – und Test nicht gleich Test

10. September 2020, 10:48 Uhr

Wenn ein Coronatest positiv ausfällt, ist größte Vorsicht geboten. Trotzdem: Nicht immer kann die Person noch andere anstecken. Doch woher soll man das wissen? Neue Teststrategien könnten helfen.

Mann mit einer Mund-Nasen-Bedeckung blickt vermutlich traurig aus dem Fenster nach draußen, vor dem Fenster sind verzierte Gitterstäbe. Ansicht von außen.
Antigentests könnten helfen, die Quarantänezeit zu verkürzen. Bildrechte: imago images/CHROMORANGE

Und, wie oft rufen Sie so die Corona-Warn-App auf? Ist ja nicht viel Abwechslung: App starten, grünes Fenster, niedriges Risiko, keine Begegnungen, alles gut. Doch halt … bei dem einen oder anderen mag da auch mal zu sehen sein: Grünes Fenster, niedriges Risiko, eine Begegnung – trotzdem alles gut? Ja. Damit eine Begegnung mit einer mit Sars-CoV-2 infizierten Person auch ein erhöhtes Risiko mit sich bringt – das wäre dann ein rotes Fenster –, müssen gewisse Schwellenwerte überschritten werden, wodurch eine Ansteckung möglich wird. Das sind zum einen die Dauer der Begegnung, zum anderen die Distanz – beides wird von der App ermittelt.

Sie sehen: Infiziert bedeutet nicht gleich ansteckend. Kommt eben auf die Perspektive an. Das Phänomen, dass nicht jeder infizierte Mensch eine Gefahr für andere ist, tritt auch bei Coronatests zu Tage. Um das zu verstehen, müssen wir uns noch einmal vergewissern, wie eine Corona-Infektion überhaupt nachgewiesen wird. Dazu gibt's verschiedene Testverfahren:

1. PCR-Test

PCR steht für polymerase chain reaction, also Polymerase-Kettenreaktion. Mit dem Enzym DNA-Polymerase wird Erbsubstanz verfielfältigt, wodurch eine Virusinfektion nachgewiesen werden kann. Das heißt: Der Test springt an, wenn der Mensch irgendwie Sars-CoV-2-Erbgut in sich trägt.

Wenn derzeit jemand einen Corona-Test durchführen lässt, dann ist es ein PCR-Test. Das Ergebnis liegt meist innerhalb von ein bis vier Tagen vor. Der Test ist dabei sehr empfindlich, was daran liegt, dass auch Erbgutreste genügen, um das Virus nachzuweisen.

2. Antikörpertest

Diese Tests reagieren nicht auf das Virus selbst, sondern auf die vom Körper gebildeten Antikörper. Es wird also indirekt nachgewiesen, dass da zumindest mal Viren im Körper waren. Um eine akute Infektion nachzuweisen, gegen die der Körper die Antikörper erst bilden muss, eignet sich dieser Test also nicht.

3. Antigentest

Nicht zu verwechseln mit Antikörpertest. Der Antigentest weist Eiweiße der Viren nach. Er ist schnell und nicht so empfindlich – was einen klaren Vorteil hat: Es könnte verlässlicher nachgewiesen werden, ob eine Person noch ansteckend ist. Könnte, denn: In der breiten Masse sind Antigentests noch nicht verfügbar.

Den richtigen Test zur richtigen Zeit

Am Anfang einer Infektion ist der PCR-Test eigentlich ideal, weil hiermit auch geringe, anfängliche Virenvorkommen sicher nachgewiesen werden können. Der Antigentest eignet sich hingegen, um zu überprüfen, ob von einer – möglicherweise symptomfreien – Person noch weiterhin eine Ansteckungsgefahr ausgeht. Antikörpertest sind für das akute Infektionsgeschehen nicht relevant, dafür aber umso mehr in der Forschung.

Ein computerähnlicher weinroter Kasten mit Bildschirm und einer Klappe. Klappe geöffner, Hände mit blauen Gummihandschuhen setzen eine kleine Stiege mit runden Pröbchen ein.
Mit diesem modernen Thermocycler sollen PCR-Tests künftig schneller Ergebnisse liefern. Bildrechte: Universität Bielefeld/M.-D. Müller

Der Virologe Christian Drosten verdeutlicht im Podcast Corona-Update von NDR Info die unterschiedlichen Arten von Positivgetesteten am Beispiel von Urlaubsheimkehrern. "Es ist ein Unterschied, ob jemand ein positives PCR-Ergebnis aus einem Urlaubsland mit nach Hause bringt, der köchelnde Ausbruch aber im Urlaubsland ist und dieser Fall die Infektion schon im Urlaubsland durchgemacht hat, oder ob sich ein Frisch-Symptomatischer beim Gesundheitsamt vorstellt, der drinnen drei Stunden tanzen war." Beide Fälle fließen als positive PCR-Tests in die Statistik ein, die Infektionsgefahr, die von beiden Personen ausgeht, ist aber eine unterschiedliche.

Schmerzgrenze der Epidemiologie

Ein besonders wichtiges Anzeichen für ein Infektionsrisiko sind sogenannte Cluster-Bildungen. Also viele Fälle an einem Ort. Bei der Person aus dem Urlaub liegt das Cluster im Urlaubsland. Sie ist möglicherweise ein einzelner, nicht mehr ansteckender Fall im Heimatort. Die andere Person hingegen ist beim Tanzen möglicherweise in ein örtliches Cluster hineingeraten, nach wie vor ansteckend und hat viele Kontakte, bei denen das möglicherweise auch so ist.

Mann sitzt mit geöffnetem Mund und Blick nach oben, Person in weißer Schutzkleidung steht davor und nimmt mit einem Wattestäbchen einen Abstrich aus dem Rachen des Mannes. Blick über die Schulter der Person in Schutzkleidung.
Stäbchen in den Mund, Rachenabstrich und ins Labor senden – so funktionieren heute viele Corona-Tests nach der PCR-Methode. Bildrechte: imago images/Westend61

Eine infizierte Person ist in der Regel zwei Tage vor bis etwa vier Tage nach Ausbruch der Symptome ansteckend. Wenn ein PCR-Test also zu lange dauert, kann die Person beim Erhalt des Ergebnisses kaum noch jemanden anstecken. Deshalb ist eine Rückverfolgung der Kontakte umso wichtiger. Es seien aber Überlegungen denkbar, so der Vorschlag von Virologe Drosten, die Quarantänezeit von 14 Tagen auf fünf Tage zu verkürzen. "Ich gehe damit an die Schmerzgrenze der Epidemiologie."

Antigentests in ein paar Monaten

In wenigen Monaten könnte aber mit den Antigentests eine weitere große Hilfe hinzukommen. "Die sind vor Ort durchführbar, die sind wie ein Schwangerschaftstest", so Christian Drosten im Podcast. Alle Amtsärztinnen und -ärzte (sowie alle Helferinnen und Helfer) wären dann "in der Lage, mit dem Teststreifen zu einer Person nach Hause zu gehen und zu sagen: 'Heute ist Tag fünf, wir machen mal schnell den Test'". Und wenn der dann negativ ausfällt, kann die Person auf Arbeit, ohne neun weitere Tage in Quarantäne harren zu müssen.

Der Antigentest würde noch mehr Probleme lösen: Lange Laufzeiten, überlastete Labore und hohe Kosten könnten dann der Vergangenheit angehören. Bis solche Tests in der Masse verfügbar sind und einem einheitlichen Qualitätsstandard entsprechen, dauere es aber noch. Wenn alles richtig gut läuft, so Drostens vorsichtige Prognose, könne man im Dezember starten. Der Deutschlandfunk verweist darauf, dass bereits über hundert solcher Tests in der Datenbank des Deutschen Institutes für Medizinische Dokumentation und Information zu finden seien. Deren medizinische Wirksamkeit sei aber trotz Zulassung nicht bestätigt.

Corona-Antigenttest, Nahaufnahme: verschiedene weiße Plättchen mit Indikator wie bei einem Schwangerschaftstest liegen nebeneinander und werden mit einer Pipette beträufelt, die sich in einer Hand mit blauem Handschuh befindet. Daneben steht eine Packung, auf der "Covid" zu lesen ist.
Antigentest in Indien Bildrechte: imago images/Hindustan Times

Unterdessen wird auch über den ct-Wert gesprochen, der bei PCR-Tests ausgewiesen wird. Auch der gibt an, wie ansteckend eine Person tatsächlich ist. Allerdings nur, wenn die Infektion schon bekannt ist. Denn der Wert sagt im Grunde lediglich aus, wie lange es im Testverfahren gedauert hat, bis beim Vermehren eine größere Menge an Viren festgestellt wird. Je höher der Wert, desto länger die Zeit der Vermehrung im Labor, desto geringer die Konzentration des Ausgangsmaterials und desto geringer das Ansteckungsrisiko. Aber Achtung: Auch zu Beginn einer Infektion sind nur wenige Viren nachweisbar, die Person ist hingegen hochinfektiös.

Trotz Hoffnung auf aussagekräftigere Tests: Ein positives Testergebnis muss immer ernstgenommen werden. Um andere zu schützen, gelten die gültigen Abstandsregeln und die örtlichen Quarantänebedingungen. Nur so können Infektionsketten durchbrochen werden – und nur so bleibt uns das rote Fensterchen in der Corona-Warn-App erspart.

flo

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