Süßstofftablette auf einem Löffel
Der häufig verwendete Süßstoff Aspartam könnte in größeren Mengen Krebs auslösen. (Symbolbild) Bildrechte: imago/teutopress

Oft in Light Limos verwendet Aspartam "möglicherweise krebserregend": Ab welchen Mengen ist der Süßstoff gefährlich?

14. Juli 2023, 12:03 Uhr

Aspartam, ein häufig in Softdrinks, Joghurt und Kaugummi eingesetzter Süßstoff kann laut einer neuen Experteneinstufung unter Umständen bei Menschen Krebs auslösen – aber in den üblichen konsumierten Mengen dürfte er kein Problem darstellen.

Aspartam ist einer von elf Süßstoffen, die in der EU zugelassenen sind. Die neue Einstufung als "möglicherweise krebserregend" stammt von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) in Lyon. Sie gehört zur UN-Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die IARC veröffentlichte ihre Erkenntnisse am Freitag in der Fachzeitschrift "The Lancet Oncology". Sie sah in drei Studien mit Menschen begrenzte Hinweise auf einen Zusammenhang mit einer bestimmten Form von Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom).

Süßstoff in die niedrigste von drei Kategorien für Krebsrisiken eingeteilt

Wichtig zu wissen: Die IARC-Fachleute beurteilen nur, ob ein Stoff im Prinzip Krebs verursachen könnte. Dazu teilt sie Substanzen in vier Kategorien ein, je nach Menge der vorhandenen, wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse:

  1. Definitiv krebserregend (Beispiele: Tabakrauch, Asbest, radioaktive Strahlung, Alkohol)
  2. Wahrscheinlich ('probably') krebserregend, (Beispiele: heiße Getränke über 65 Grad Celsius, rotes Fleisch, Glyphosat)
  3. Möglicherweise ('possibly') krebserregend (Beispiele Aloe Vera, Nickel, niederfrequente Magnetfelder und jetzt auch Aspartam.
  4. Zu wenig Evidenz, um Aussagen treffen zu können.

"Die dritte Stufe, in die nun neu Aspartam aufgenommen wurde, ist noch sehr vage: es gibt Hinweise aus Tierstudien, aber noch keine klaren Beweise und wenige Humanstudien mit ebenfalls limitierter Aussagekraft", ordnen Bettina Wölnerhanssen und Anne Christin Meyer-Gerspach vom Schweizer St. Claraspital in Basel die neue Studie ein.

Aspartam gefährlich ab einer Menge von 14 Light-Getränken pro Tag

Sie berücksichtigen nicht, wie viel davon ein Mensch zu sich nehmen müsste, um ein Krankheitsrisiko zu haben, erklärte Mary Schubauer-Berigan. Sie leitet das für die Einstufung zuständige IARC-Monographs-Programm.

Risiko-Analysen für Menschen machen andere Institutionen, etwa der Ausschuss für Lebensmittelzusatzstoffe der WHO und der UN-Agrarorganisation FAO (JECFA) – oder Behörden für Lebensmittelsicherheit wie das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Die empfohlene Höchstmenge von Aspartam liegt bei 40 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Den Grenzwert würde ein Mensch mit 70 Kilogramm Gewicht erst erreichen, wenn er an einem Tag neun bis 14 Dosen herkömmlicher Größe mit stark aspartamhaltigem Diät-Getränk trinkt, berichtete die WHO.

WHO: Verzicht auf Aspartam muss nicht sein, Zurückhaltung reicht aus

Die WHO ändert ihre Richtlinien deshalb trotz der neuen Einstufung nicht. Sie sieht in den zugrundeliegenden Studien keine Hinweise darauf, dass ein Verzehr im Rahmen der empfohlenen Höchstwerte gefährlich sein könnte. Wer sich daran halte, setze sich nach derzeitigem Wissensstand keinem höheren Krebsrisiko aus, berichtete die WHO.

"Ein Softdrink ab und zu, oder Kaugummi: Da sollte man sich nach jetzigem Stand keine Sorgen machen", sagte Francesco Branca, Direktor der WHO-Abteilung für Ernährung und Lebensmittelsicherheit. "Wir empfehlen nicht, dass Verbraucher gänzlich auf Süßstoffe verzichten, aber wir empfehlen Zurückhaltung." Wer im Supermarkt überlege, ob er Softdrinks mit Zucker oder mit Süßstoff kaufen soll, ziehe am besten eine dritte Variante in Betracht, sagte Branca: "Wasser trinken" – oder andere Getränke ohne Süßmittel.

Unabhängige Forscher: Datengrundlage für Einstufung von Aspartam sehr schwach

Die IARC-Fachleute fanden unter Hunderten Krebsstudien mit Menschen drei, die sich mit der Wirkung von Süßstoffen befassen. Sie prüften auch Studien mit Mäusen und Ratten. Alle Studien hätten aber für die Beurteilung von Aspartam gewisse Mängel aufgewiesen, räumten sie ein. Deshalb betont die IARC, dass die Beweislage begrenzt ist.

Deutliche Kritik an der IARC-Einstufung übte Jürgen König, Leiter des Departments Ernährungswissenschaften an der Universität Wien. "Die IARC sieht im Konsum von künstlich gesüßten Getränken einen Näherungswert ('proxy') für die Aufnahme an Aspartam, dafür gibt es aber meiner Ansicht nach keine Evidenz."

Auch umgedrehter Zusammenhang möglich: Menschen mit hohem Krebsrisiko konsumieren gerne Aspartam

Stefan Kabisch, Studienarzt und Experte für Stoffwechselmedizin an der Berliner Charité, wies zudem darauf hin, dass die meisten Studien nicht sauber belegen könnten, ob tatsächlich die Aufnahme von Süßstoff die Krebserkrankung auslöse oder ob umgekehrt etwa Menschen mit einem hohen Krebsrisiko, etwa aufgrund von Übergewicht, mehr Süßstoff zu sich nähmen, um damit Zucker zu ersetzen und abzunehmen.

"In methodisch wirklich guten Studien am Menschen, sogenannten randomisiert-kontrollierten Studien, zeigen Süßstoffe wie Aspartam einen moderaten, aber signifikanten Nutzen zur Gewichtsabnahme", sagte Kabisch. "Dieser fällt kleiner aus, als man erwarten möchte, aber ein Schadenspotenzial ist nicht zu erkennen."

WHO: Mehr Studien zu Aspartam nötig

Nach Ansicht der WHO-Experten ist die neue Klassifizierung des Süßstoff als "möglicherweise Krebserregend" vor allem ein Aufruf an die Wissenschaft: Es seien dringend mehr Studien nötig.

Links/Studien

(dpa/mdrwissen)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 14. Juli 2023 | 08:30 Uhr

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