McDonaldisierung der Natur Weltweit werden sich Ökosysteme immer ähnlicher
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16. Dezember 2016, 07:00 Uhr
Egal, wo wir uns in der westlichen Welt befinden, überall gibt es die gleichen Geschäfte, die gleiche Mode, die gleiche Musik. Wir finden kaum noch etwas Einzigartiges. Anlässlich der Artenschutzkonferenz im mexikanischen Cancun, die gerade läuft, macht das Zentrum für Biodiversitätsforschung in Halle-Jena-Leipzig auf eine ähnliche Entwicklung in der Natur aufmerksam. Die Forscher sprechen von einer McDonaldisierung der Tier-und Pflanzenwelt. Wissenschaftsredakteur Karsten Möbius war vor Ort.
McDonaldisierung, was ist das denn? Wissenschaftler meinen damit, dass sich die Ökosysteme weltweit immer ähnlicher werden. Zuerst sterben Pflanzen aus, die sogenannte Spezialisten sind. Sie sind extrem gut an besondere Lebensbedingungen angepasst – aber eben nur an diese. Ändern sie sich, zum Beispiel durch Klimaveränderung, ist ihr Überleben gefährdet. Dann kommen die Generalisten, die überall gedeihen, und breiten sich aus. Für beide Prozesse ist der Mensch verantwortlich. Die großen Player dabei: intensive Landwirtschaft, globaler Handel und intensiver Reiseverkehr: Sie sorgen dafür, dass Pflanzen und Samen um die Welt getragen werden.
Dr. Marten Winter, Wildtierökologe am Deutschen Zentrum für Integrative Biodiversitätsforschung in Halle/Leipzig, befasst sich vor allem mit invasiven Arten. Er sagt: "Vier Prozent aller Pflanzenarten dieser Welt sind irgendwo eingeschleppt worden, absichtlich oder unabsichtlich. Und dann haben sie sich etabliert. In Neuseeland gibt es zum Beispiel an den Straßenrändern genau die gleichen Pflanzen wie hier bei uns. "
Vier Prozent, das hört sich nicht nach viel an. Dahinter stecken jedoch zwölf- bis dreizehntausend Arten, die es geschafft haben, sich trotz neuer Bedingungen irgendwo festzusetzen. Sie trotzen einem fremden Klima, fremden Böden, sogar fremden Schädlingen. Dieser Prozess geht weiter: Noch sehen wir Normalbürger wenig von der McDonaldisierung der Natur. Wissenschaftler beobachten diesen Trend mit besonderem Interesse. Denn neue Erkenntnisse zeigen, dass beispielsweise der Verlust einer Pflanzenart unmittelbar weitere Konsequenzen für Biotope hat. Mit dem Verlust einer Pflanzenart verschwinden nicht selten Käfer und Bodenlebewesen gleich mit.
Bleibt die Frage: Was macht diese zunehmende Veränderung mit unseren Ökosystemen? Marten Winter sagt: "Vielleicht brechen ganze Systeme oder Gemeinschaften zusammen, so dass zum Beispiel die Wälder, die wir in der Zukunft haben, gar nicht mehr das bereitstellen, was wir als Menschen als Dienstleistung wollen: Holz oder Schatten."
Eine These besagt auch, dass mit dem Aussterben seltener Arten die Ökosysteme immer weniger in der Lage sind, auf Umweltbedingungen zu reagieren. Ein Trend, der kurioserweise auch mit der Angleichung der Natur verbunden ist: Wir haben in Europa viel mehr Arten als noch vor 500 Jahren. Die Kartoffel ist dabei nur ein Beispiel einer Pflanzenart, die es vorher bei uns noch nicht gab. Die McDonaldisierung der Welt aufzuhalten, wenn man es überhaupt will, ist extrem schwierig, gibt Winter zu:
Der Verlust und die Ausbreitung von Arten ist tatsächlich etwas, wogegen wir sehr wenig tun können. Zumindest nicht heutzutage, so wie wir leben.