Artenvielfalt und Klimaschutz Stadtklima: Geld als Anreiz für naturnahes Gärtnern
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24. April 2023, 12:42 Uhr
Grün statt grauenhaft, Natur im Garten statt Schotter: Private Gärten sind wichtig für Artenvielfalt. Für naturnahe Gärten sollte es deshalb Belohnungen geben, schlägt ein Forscher der Uni Sheffield vor.
Schottergärten, akkurater, dichter, grüner Rollrasen, der Garten vor und hinter dem Haus immer blitzblank gepflegt. Zeit ist ein knappes Gut, man will sich ja erholen im heimischen Garten und nicht arbeiten. Es gibt verschiedene Motive für die Flächengestaltung rund ums Haus. Wo Ordnung, Zeit, menschliche Ästhetik im Vordergrund stehen, wird übersehen, dass selbst kleinste Grünflächen Lebensraum für Pflanzen und Tiere bieten, und Regen- oder Schmelzwasser aufnehmen. So leisten auch kleinste Gärten einen Beitrag für Natur, Klimaschutz und Umgebungstemperatur.
Gut, man kann jetzt sagen, meine 50 Quadratmeter Schottergarten machen den Klimabock nun auch nicht mehr fett oder meine 100 Quadratmeter Rollrasen entscheiden nicht über Artenvielfalt oder die Insektenwelt. Trotzdem eine Haltung, die Folgen hat. Wer vorlebt, dass Natur feindlich und lästig ist und gezähmt und beherrscht werden muss, sorgt dafür, dass sie auch der nächsten Generation nichts wert ist. Einfach, weil das Wissen um das natürliche Zusammenspiel von Boden, Pflanzen, Insekten, Vögeln fehlt. Und das ist fatal. Untersuchungen belegen inzwischen, dass einige Städte in den vergangenen zwei Jahrzehnten bis zu 50 Prozent ihrer Grünflächen verloren haben, was wiederum den Anstieg der städtischen Temperaturen begünstigt.
Graue statt grüne Gärten begünstigen Überschwemmungen
Professor Ross Cameron forscht an der Universität Sheffield zu Gartenökologie. Er sagt: "Das Paradoxe ist, dass viele Gärten nicht wirklich grün sind und einige Trends in der Gartengestaltung der städtischen Umwelt sehr schaden können. Wir haben sie zugepflastert, um das Auto unterzubringen oder sterile Terrassenflächen zu schaffen. Das sind Faktoren, die die Temperaturen in den Städten erhöhen und das Überschwemmungsrisiko steigern."
Verführung zum naturnahen Gärtnern: Geld?
Da weder Klima, Insekten oder Boden an der Tür klingeln und sich dafür bedanken, wenn man den Garten naturnah bepflanzt, muss Ross Cameron zufolge ein anderer Anreiz her. Er rät zu Belohnungen für Leute, die mehr als 50 Prozent ihres Gartens bepflanzen. Zum Beispiel in Form von Prämien bei der Wasserrechnung, oder von ermäßigter Gemeindesteuer oder indem Bäume, die von der Größe her zum Garten passen zur Verfügung gestellt werden. Angesichts immenser Grünflächenverluste in Städten muss Cameron zufolge umgedacht werden: Es braucht mehr Vorgaben für das, was hinter dem Gartenzaun oder den Steingabionen passiert. Denn die gespeicherte Wärme aus Schottergärten zahlt über das eigene Garten-Inselchen hinaus auch mit ein auf das Klima in der näheren Umgebung.
Gras, Baum, Strauch und Hecke: Wozu sind sie gut?
Man wird im naturnahen Garten zwar das Gras nicht wachsen hören, kann aber Unterschiede messen. Ein niederländischer Forscher der Universität Wageningen hatte 2022 herausgefunden, dass die Umgebungstemperatur bei längerem Gras niedriger war als bei Gras, das durchweg auf 3 cm geschnitten war. Eine andere Studie von 2020 hatte nachgewiesen, dass Gartenpflanzen die Luft in der Regel um 2-3 °C und die Oberflächentemperatur um 10-15 °C kühlen. Und warum Bäume, Hecken, Sträucher und Kletterpflanzen? Sie sind viel mehr als nur Lebensraum für Insekten oder Tiere. Sie schützen auch vor Wind, verbessern die Energieeffizienz von Gebäuden; schlucken oder dämpfen Lärm und bilden natürliche Staub-Schmutzbarrieren, führt Ross Cameron in seiner Studienarbeit aus.
Was ist so schlimm an Kunstrasen?
Ross Cameron ist Spezialist für ökologische Gartenplanung und grüne Infrastruktur in Städten. Er erklärt, warum es so wichtig ist, Gärten naturnah zu gestalten. Kunstrasen hinterlasse nicht nur Mikroplastik, sondern töte einen Großteil des Lebens im Boden darunter ab, sagt Cameron. Wenn dann versucht werde, mit Chemikalien Pflanzen vor Schädlingen zu schützen, geht das wieder in den Wasserkreislauf, und beeinträchtigt die ökologische Funktion des Gartens. Dabei könnte die Umwandlung der Rasenfläche in eine Blumenwiese wiederum Ressourcen und Energie sparen, wenn nicht mehr wöchentlich gemäht würde oder weniger Zeit, Kraft und Chemikalien in die Bekämpfung nicht erwünschter Gartenpflanzen gesteckt würde.
Links/Studien
Die Studie "Do we need to see gardens in a new light?" Recommendations for policy and practice to improve the ecosystem services derived from domestic gardens" lesen Sie hier im Original.
lfw
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Garten | 12. März 2023 | 08:30 Uhr