Archäogenetik Ukraine: Schmelztiegel von Ost und West
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09. Januar 2025, 13:07 Uhr
Forscher rekonstruieren mit alter DNA die Migrationsgeschichte auf dem Gebiet der heutigen Ukraine. Ihre Daten zeigen: Die Region war schon immer ein Schmelztiegel und oft mit Invasionen aus dem Osten konfrontiert.
Seit der Eroberung Europas durch die modernen Menschen vor 40.000 Jahren ist das Gebiet der heutigen Ukraine ein attraktives Ziel der Besiedlung. Offene Steppen mit fruchtbaren Böden, viele Flüsse mit umfangreichem Süßwasserangebot und Wälder boten schon in der Steinzeit ein reiches Angebot wichtiger Ressourcen. Ein internationales Forschungsteam hat jetzt versucht, mithilfe alter Genome die Migrationsgeschichte der Region zu rekonstruieren. Die Daten zeigen: Genetisch war die Ukraine zu vielen Perioden seit der Jungsteinzeit hoch divers. Immer wieder trafen einwandernde Nomaden auf ansässige Bauern. Mehr als einmal kamen die Einwanderer aus dem Osten, mitunter in kriegerischer Manier.
DNA Analysen decken Menschen aus 9.000 Jahren ab
Das Team um Lethi Saag von der Universität Tartu in Estland wertete Genome von 91 Individuen aus. Die genetischen Informationen stammten aus Knochenfragmenten und Zahnwurzeln, die bei archäologischen Ausgrabungen gewonnen worden waren. Ihre Besitzer lebten verteilt über den Zeitraum der vergangenen 9.000 Jahre. Ein Genom stammt aus der Jungsteinzeit, neun aus verschiedenen Abschnitten der Bronzezeit, 53 aus der Eisenzeit (also der Zeit der römischen Antike) sowie 28 aus der Zeit vom Mittelalter bis etwa ins Jahr 1800.
Hinzu kommen genetische Informationen von 20 Individuen, die bereits bei vorangegangenen Studien analysiert worden waren. Die Analysen zeigen, dass die verschiedenen Abstammungslinien im Großen und Ganzen die europäische Migrationsgeschichte widerspiegeln.
Immer wieder einströmende Nomaden aus dem Osten
Alle heutigen Europäer gehen größtenteils aus drei Ursprungspopulationen hervor. Zum einen gibt es die Jäger und Sammler, die vor 40.000 Jahren aus Afrika einwanderten. Die zweite Gruppe sind die ersten Bauern, die vor etwa 8.000 Jahren aus dem Nahen Osten und der heutigen Türkei kamen. Bei der dritten Gruppe handelt es sich um Nomaden und Hirten, die vor etwa 5.000 Jahren vom Nordkaukasus ausgehend nach Europa strömten.
Eine detailliertere Analyse zeigt, dass in der Ukraine Gruppen aus allen Nachbarregionen eingewandert sind: vom Balkan, aus den Karpaten, von der Wolga, dem Ural und vom Kaukasus. Es gab griechische Kolonien an der Küste des Schwarzen Meeres und später gotische Einwanderer im Norden des Landes. Die Vorfahren der heutigen Slawen sind etwa seit dem Jahr 300 vor Christus in der Ukraine, haben sich aber erst um 700 nach Christus über ganz Osteuropa ausgebreitet. Im Jahr 900 kam es zur Gründung der Kiewer Rus, in der das heutige Russland seinen Ursprung sieht. Die Staatsgründung sei vor dem Hintergrund einströmender Nomaden aus dem Osten erfolgt, schreiben die Autoren der Studie.
Einwanderer vermischen sich mit Ansässigen
Solche neu einwandernden Bevölkerungen, mal mehr und mal weniger friedlich, kamen allerdings vielfach vor in der Geschichte der Region, so das Ergebnis der genetischen Analyse. Während die frühen Bauern genetisch noch weitgehend mit den anderen nach Europa einwandernden Landwirten übereinstimmten, gab es bereits in der Bronzezeit neu zuwandernde Gruppen, die aus den westasiatischen Steppen kamen. Bei manchen dieser Gruppen ist laut den Forschenden genetisch nachweisbar, dass vor allem Männer migrierten und dann mit den ortsansässigen Frauen Kinder bekamen. Zu den bekannten weniger friedlichen Einwanderern gehören die Hunnen und später auch die Goldene Horde der Mongolen, die um das Jahr 1200 in die Ukraine kamen.
Bei vielen dieser Einwanderungen ist aber auch nachweisbar, dass sie sich letztlich mit der ansässigen Bevölkerung vermischten und so in ihr aufgingen.
Links/Studien
- Saag et.al. (2025): North Pontic crossroads: Mobility in Ukraine from the Bronze Age to the early modern period, Science Advances
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 12. Oktober 2024 | 00:00 Uhr
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