Skelettabguss von Torvosaurus tanneri, einem Fleischfresser aus der Jurazeit 4 min
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Archäogenetik Können wir mit uralter DNA die Dinos auferstehen lassen?

15. August 2024, 16:59 Uhr

Nachwuchsforscher lernen in dieser Woche bei einem Sommerkurs der Universitäten Jena und Harvard die neuesten Methoden der Erforschung uralter DNA. Könnten wir eines Tages das Genom eines Dinosauriers rekonstruieren?

Autorenfoto von Clemens Haug
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Die Analyse uralter DNA revolutioniert gerade unser Bild von der Vergangenheit. So konnten Forscher bei der Untersuchung von geborgenen Erbgutmolekülen zeigen, dass die Pest bereits in der Steinzeit in Europa wütete. Oder: Die Neandertaler wurden nicht einfach ausgerottet, sie bekamen auch Kinder mit den modernen Menschen der Gattung Homo sapiens. Die Uni Jena veranstaltet diese Woche gemeinsam mit der US-Elite-Uni Harvard einen Onlinekurs für Nachwuchswissenschaftler, in dem die aktuellsten Methoden der Archäogenetik vermittelt werden.

Neue Sequenzierungstechnologie brachte vor 15 Jahren den Durchbruch

Zu den Lehrenden dort gehört Christina Warinner. Die aus den USA stammende Wissenschaftlerin forscht unter anderem am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig und unterrichtet Studenten an den Universitäten Jena und Harvard. Sie sagt, dass vor etwa 15 Jahren neue Labortechnik den Durchbruch für das Fachgebiet gebracht hat: "Eine neue Methode zur Sequenzierung kam auf den Markt. Und die machte es möglich, dass man nicht nur perfekt erhaltene DNA sequenzieren konnte, sondern auch kleine Schnipsel." Für die Analyse uralter DNA ein Gamechanger, denn hier ist im Regelfall nicht mehr übrig als kleinste DNA-Reste.

DNA besteht aus zwei korkenzieherförmigen Strängen. Das ist die sogenannte Doppelhelix. Zwischen den Strängen sind die Codebausteine aufgespannt, also die Bauanleitung. Diese Codebausteine sind vier einzelne Basen, man könnte auch sagen Buchstaben, die immer paarweise vorkommen: Thymin und Adenin, Cytosin und Guanin. Aus der Abfolge dieser Buchstaben ergibt sich die Bauanleitung für die Eiweiße, aus denen das Leben auf der Erde besteht.

Teilweiser Zerfall: Wann DNA-Stränge reißen

Christina Warinner
Professorin Christina Warinner arbeitet unter anderem an der Universität Jena. Bildrechte: Werner Siemens Foundation, Felix Wey

Anders, als man das vielleicht denkt, ist diese Struktur ein sehr haltbares, stabiles Molekül. Zumindest teilweise, sagt Warinner. "Das Problem ist nicht so sehr, dass DNA komplett zerfällt. Wir kennen DNA-Fragmente, die hunderte Millionen Jahre alt sind. Das Problem ist: DNA-Bausteine sind wie Perlen auf einer Schnur arrangiert. Und diese Schnur reißt im Laufe der Zeit in immer kleinere Abschnitte."

Die einzelnen Basenpaare bleiben also erhalten, aber die Stränge reißen. Menschliche DNA zum Beispiel ist in insgesamt 27 Chromosomen gespeichert. Chromosom 1 ist das Längste. Es enthält 250 Millionen Basenpaare. Nach dem Tod eines Menschen zerfällt es rasch in kleine Abschnitte, die dann nur noch einige Hundert Basen enthalten, oft auch weniger. Und dieser Zerfall geht erst sehr schnell, dann im Laufe der Zeit etwas langsamer.

Genetische Analyse der Vergangenheit: DNA muss mindestens 30 Basenpaare lang sein

Das Problem für die Archäogenetik: "Ein Abschnitt muss mehr als 30 Basenpaare enthalten, damit wir ihn sequenzieren, analysieren und etwas über die Vergangenheit lernen können", sagt die Wissenschaftlerin. Ist die DNA kürzer, könne die gleiche Abfolge von Buchstaben in allen möglichen Lebewesen vorkommen, Bakterien, Wale oder Hunde.

Die älteste DNA, die bisher konkreten Lebewesen zugeordnet werden konnte, ist etwa zwei Millionen Jahre alt und stammt aus einem Bohrkern aus Nord-Grönland. Dort fanden Wissenschaftler im permanent gefrorenen Boden Gene eines ganzen Ökosystems, also von Pflanzen und Tieren. Die Forscher glauben, dass es auch noch drei Millionen Jahre alte DNA geben könnte, die mindestens 30 Basenpaare lang ist. Alles, was älter ist, ist in kürzere Abschnitte zerfallen.

Rekonstruktion der Gene eines Dinosauriers: Nach derzeitigem Stand unmöglich

Für die Rekonstruktion des Genoms eines Dinosauriers, sagen wir eines Tyrannosaurus rex, bedeutet das leider: Wahrscheinlich gibt es irgendwo auf der Welt noch Fragmente seiner DNA. Aber diese sind zu kurz, um sie als Dino-Gene identifizieren zu können. Alle DNA, die bei Untersuchung von Dino-Skeletten bislang entdeckt wurde, stellte sich später als Erbgut von Bakterien heraus. Die Mikroorganismen hatten die Leichen der Dinosaurier besiedelt und alle Biomasse vollständig verdaut.

Hinzu kommt noch ein anders Problem: Mehrzeller wie Dinosaurier, aber auch Menschen haben nicht nur mehrere hundert Millionen Codebausteine in ihrem Erbgut, sie haben auch jede Menge Abschnitte, die Wiederholungen enthalten, räumlich eigentümlich angeordnet sind, kurz: Deren Sinn und Funktion die Wissenschaft noch nicht versteht.

"Sogar für heute lebende Organismen ist es extrem schwer, jeden einzelnen Teil des Genoms zu rekonstruieren. Auch das menschliche Genom ist nicht wirklich ein vollständiges Genom, es gibt Stellen, wo die Reihenfolge unklar ist und andere Dinge, die wir nicht wissen", sagt Warinner. Das Genom eines Mehrzellers zu rekonstruieren, sei also schon für heute lebende Organismen schwer.

Die große Puzzlearbeit hat aber gerade erst begonnen. Je mehr neue Daten dazu kommen, desto besser lässt sich die genetische Vergangenheit des Lebens rekonstruieren.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 12. August 2024 | 13:54 Uhr

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