Der Redakteur | 27.10.2023 Fehlerhafte Policen - Wie alte Lebensversicherungen heute noch Geld bringen
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27. Oktober 2023, 16:31 Uhr
Meistens vergilben die Policen in heimischen Aktenordnern. Es geht um längst vergessene Lebensversicherungen, die nach der Wende zu Tausenden verkauft wurden. Doch nicht wenige tragen einen Schatz in sich.
Ob die alte Lebensversicherung wirklich noch bares Geld wert ist, das sollte sich am Ende ein Fachmann anschauen. Aber man kann recht schnell prüfen, ob es überhaupt sinnvoll ist, sich die alten Papiere noch einmal genauer vorzunehmen.
Zunächst geht es um den Zeitraum. Betroffen sind Kapitallebens- und Rentenversicherungsverträge, die zwischen Mitte 1994 und Ende 2007 abgeschlossen wurden und die eine falsche Widerspruchsbelehrung haben. Für diese Versicherungen gilt nämlich ein unbegrenztes Widerspruchsrecht und das sogar dann, wenn sie längst gekündigt und ausgezahlt wurden. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Die Verbraucherzentrale schätzt, dass mehr als 60 Prozent der Widerspruchsbelehrungen in diesem Zeitraum fehlerhaft waren und damit unwirksam. Gerade bei der Kündigung eines Vertrages sind die Auszahlungssummen mitunter recht enttäuschend, da könnte durch die Rückabwicklungsansprüche deutlich mehr herausspringen. Auch sogenannte Riester- und Rürup-Renten sind betroffen.
Woran erkenne ich, ob meine Versicherung betroffen sein könnte?
Neben dem Abschlusszeitraum 1994 bis 2007 könnte eine gut versteckte Widerspruchsbelehrung ein Indiz sein. Das heißt, diese befindet sich irgendwo im Kleingedruckten und ist nicht - wie eigentlich vorgeschrieben - deutlich hervorgehoben. Durch einen Rahmen oder Fettdruck zum Beispiel.
Wenn Sie eine Belehrung finden, bei der Sie erst zehnmal hingucken müssen, um sie zu finden - das ist schon der erste Hinweis.
Die Verbraucherzentrale Hamburg bearbeitet schwerpunktmäßig solche Fälle schon seit vielen Jahren, denn das Thema ist komplex und es kommt wirklich auf den Einzelfall an. Trotzdem kann man sich auch an die heimische Verbraucherzentrale wenden, die den Fall prüfen können.
Hier am besten alles an Papier mitbringen, was vom Vertragsabschluss noch da ist, einschließlich des Anschreibens. Auch dort kann sich die ungenügende Widerspruchsbelehrung verbergen. Dritte Möglichkeit: Sie nutzen den schriftlichen Service der Verbraucherzentrale, wenn Sie glauben, dass Sie betroffen sind. Hier kann es aber durchaus drei Monate bis zu einer abschließenden Antwort dauern.
Ist es immer sinnvoll, den Vertrag rückabwickeln zu lassen?
Immer nicht, manchmal schon. Es kommt wirklich darauf an, wie der Vertrag gestaltet ist, ob nicht Beleihungen oder andere juristische Feinheiten das Rückabwickeln verhindern oder es sich schlicht nicht lohnt.
Wenn der Vertrag super gelaufen ist und satte Zinsen gebracht hat, dann würde es vielleicht keinen Sinn machen, diesen quasi zurückzurollen. Auch wenn andere Versicherungen gekoppelt sind, wie zum Beispiel Berufsunfähigkeitsversicherungen, könnte es eher Nachteile geben.
Deswegen mahnt Kerstin Hußmann-Funk von der Verbraucherzentrale Hamburg auch vor verfrühten Freudensprüngen bei der Anwendung des Online-Rechners ihrer Verbraucherzentrale. Denn alle Details des Vertrages kann der Rechner natürlich nicht kennen. Trotzdem kann er ein weiteres Indiz dafür liefern, ob es Sinn macht, sich zu kümmern.
Das Tool zeichnet eine grobe Linie. Es ist kein Tool, das Ihnen einen verbindlichen Anspruch benennt, den Sie einklagen können.
Und noch etwas ist wichtig: Der erste Ansprechpartner sollte tatsächlich die Verbraucherzentrale sein und nicht jemand, der beim Googeln weit oben erscheint. Es tummeln sich nämlich viele Anbieter am Markt, die diesbezüglich ihre Dienste anbieten.
Ob eine Rückabwicklung aber überhaupt sinnvoll ist, das würden sich viele gar nicht so genau anschauen, sagt Kerstin Hußmann-Funk. Das gilt auch für den Fall, dass der Online-Rechner eine Zahl auswirft, bei der einem erstmal schwindelig wird.
MDR (dvs)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 27. Oktober 2023 | 16:40 Uhr