Eine Mohnblume steht und blüht unter einem Metallbauzaun auf der Brachfläche in Pirna.
Eine Mohnblume kommt selten allein. Am Straßanrand lassen sie sich in Scharen finden. Bildrechte: imago images/Daniel Schäfer

Der Redakteur | 22.06.2023 Was wächst und kriecht an Thüringer Straßenrändern?

22. Juni 2023, 16:42 Uhr

Die Thüringer Straßenränder sind in ganz unterschiedlichen Zuständen: hier traurige Anblicke, dort blühendes Leben. So gibt es an der B88 zwischen Porstendorf und Dorndorf-Steudnitz Büsche, die offenbar Schädlingen zum Opfer gefallen sind. An der Baustelle der Umgehungstraße für die B247 zwischen Großengottern und Höngeda wachsen hingegen Mohnblumen ohne Ende. Warum? Thomas Becker recherchiert.

Straßenbegleitgrün, auch Weg- beziehungsweise Verkehrsbegleitgrün genannt, ist das, was uns direkt an den Straßenrändern erfreut. Im besten Falle. Zu dicht darf es nicht an der Fahrbahn stehen, denn dann gibt es Sichteinschränkungen, die Leitpfosten wachsen zu und heraustretendes Wild steht quasi direkt auf der Fahrbahn.

Schon deshalb muss ab und zu der Mäher ran. Was die Büsche an der B88 zwischen Porstendorf und Dorndorf-Steudnitz betrifft, ist das Thüringer Landesamt für Bau und Verkehr zuständig, beziehungsweise die nachgelagerten Regionalbereiche.

Pfaffenhütchen am Thüringer Straßenrand

Das Landesamt teilte schriftlich mit, dass es sich bei den befallenen Sträuchern um das europäische Pfaffenhütchen handelt, das von der Pfaffenhütchen-Gespinstmotte befallen ist. Die Raupen innerhalb der Gespinste hätten ihre Entwicklung bereits weitestgehend abgeschlossen. Die Sträucher werden nunmehr erneut austreiben, es also höchstwahrscheinlich überleben.

Ein Absterben ist grundsätzlich - in Abhängigkeit von der Vitalität und Witterung - nicht zu befürchten.

Schriftliche Mitteilung Thüringer Landesamt für Bau und Verkehr

Ein Ast eines Baumes ist komplett eingesponnen. Auf dem Gewebe aus zarten Fäden krabbeln viele Raupen.
Harmloser Spuk: Bäume und Sträucher erholen sich nach dem Befall mit Gespinstmotten meist wieder. Bildrechte: MDR/Brigitte Goss

Warum blüht der Mohn plötzlich auf dem Aushub?

Grundsätzlich geht es in der Natur nur um eines: Jeder möchte sich vermehren, seine Art durchbringen. Auch der Klatschmohn. Der hat nun gemerkt, dass er es schwer hat, sich gegen hohe Gräser zu behaupten.

Was also tun? Auf der Jahreshauptversammlung hat man festgestellt: Bäume, die oben rausgucken würden, gibt es schon, also Plan B. Und der lautete: Wir ballern richtig bei der Zahl der Samen und lassen uns eingraben.

Mohnblüten in einem Feld bei Leipzig-Lindenthal
Mit ihrer leuchtenden Farbe fällt die Mohnblume auf. Bildrechte: MDR/Mike Heerdegen-Simonsen

Ein paar Körnchen dürfen es immer probieren, zu keimen, aber ein großer Teil bekommt einen Schlaftrigger und lässt sich durch Bodenbearbeitung oder natürliche Einflüsse immer tiefer in den Boden schieben - aber eben ohne zu keimen. Denn oben ist ja die verdammte Konkurrenz.

Die Ruhezeit kann Jahre oder Jahrzehnte dauern. Und irgendwann kommt die Planierraupe oder der Bagger und dreht das Unterste nach oben.

Wenn diese Samen einen Lichtblitz bekommen, ist das der nächste Trigger. Dann merken die Samen: Ich bin wieder an der Oberfläche, und dann geht es los.

Stefan Brunzel Professor für Biodiversität, FH Erfurt

Eine Mohnblume alleine kann mehrere tausend Samen produzieren. Das bedeutet: So viele müssen gar nicht in der richtigen Höhe liegen, um am Ende ein beeindruckendes Bild abzugeben, so wie an der Baustelle der Ortsumgehung für die B247 zwischen Großengottern und Höngeda.

Wie komme ich zu einer schönen Wildblumenwiese im Garten?

Wer wirklich viel Mohn haben möchte im Garten, der muss quasi fast jedes Jahr eine Umgehungsstraße bauen. Oder zumindest den Boden entsprechend leerräumen. Also ein leeres Beet schaffen und dann den Mohnsamen verteilen.

Noch schöner und ausdauernder ist es natürlich, eine Fläche zu schaffen, die uns mit mehr beglückt, als "nur" mit Mohn und die vor allem das ganze Jahr über blüht. So viel Arbeit muss man dafür gar nicht investieren. Professor Stefan Brunzel von der Fachhochschule Erfurt empfiehlt Kornrade, Kornblume, Ackerrittersporn, Sommer-Adonisröschen, Flockenblumen (das sind Verwandte der Kornblumen), Margeriten, Kleesorten, Ehrenpreise, Wilde Möhre, Schlüsselblumen oder Goldenes Habichtskraut.

Wichtig ist, dass einmal im Jahr gemäht wird und das Schnittgut auch entfernt wird, sonst setzen sich wieder die starken Arten durch, also Gräser oder Brennnessel.

Stefan Brunzel Professor für Biodiversität, FH Erfurt

Und auch eine Wiese, in der möglichst viele Ackerkräuter wachsen, braucht einen richtigen Start und ein klein wenig kluge Pflege. Die Ansaat würde zum Beispiel nicht sonderlich gut gelingen, wenn Sie auf das Anritzen des Bodens verzichten. In die kleinen Löcher können die Keime dann fallen und im Frühjahr richtig loslegen.

Feld mit Kornblumen und Insekten
Nicht selten in Thüringen zu sehen: die Kornblume. Bildrechte: IMAGO / Countrypixel

Garten-Vorbereitungen im Herbst beginnen

Der Herbst ist deshalb die beste Vorbereitungszeit, weil viele Pflanzen Frostkeimer sind, das heißt, sie brauchen eine längere Kälteperiode - also einen Kältetrigger - und keimen danach.

Dabei sollte man möglichst einheimisches Saatgut zu verwenden, also von Pflanzen, die einen Genpool haben, der an unsere Thüringer Verhältnisse gewöhnt ist und zum Beispiel nicht an die bayrischen, empfiehlt Professor Brunzel. Dann läuft es wie von selbst. Es ist halt Unkraut, das man auf diese Weise aber ganz neu entdeckt.

Vorbereitung einer Frühlings- und Sommerwiese - Saatgut aus der Region besorgen
- im Herbst zur Vorbereitung mähen
- Boden vertikutieren, also einritzen, um kleine Keimnischen zu schaffen
- anschließend aussähen und auf kalte Tage hoffen
- in den Folgejahren ein- bis zweimal mähen und das Schnittgut entfernen

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 22. Juni 2023 | 16:40 Uhr

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