Matthias Reiche - EU-Parlament
Analyse: Die Koalition der Mitte bleibt im EU-Parlament bestehen. Bildrechte: MDR-IMAGO

Analyse der Europawahl 2024 Rechtsnationale Parteien legen zu, die Koalition der Mitte bleibt

10. Juni 2024, 15:48 Uhr

Die Europäische Volkspartei, der auch CDU und CSU angehören, bleibt stärkste Kraft im EU-Parlament, links von ihr ist durch Verluste der Grünen kein Bündnis möglich. Und die rechtsnationalen Parteien werden durch ihre Zugewinne künftig mehr Einfluss in der EU haben. Eine Analyse von Matthias Reiche, MDR-Korrespondent in Brüssel.

Brüssel-Korrespondent Matthias Reiche
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Mit Abstand stärkste Kraft bleibt die Europäische Volkspartei (EVP) mit den deutschen Unionsparteien CDU und CSU. Die EVP konnte bei der gestrigen Europawahl zulegen und verbessert sich im Europäischen Parlament von 176 auf 185 Mandate. Sehr wahrscheinlich wird dieses Mitte-Rechts-Bündnis in den kommenden Tagen Gespräche mit Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen führen, um eine Kooperation zu vereinbaren, die dann sehr wahrscheinlich auch eine Mehrheit für die Wiederwahl Ursula von der Leyens zur Kommissionspräsidentin sichern könnte.

Denn die S&D Fraktion im EU-Parlament hielt mit 137 Mandaten ihr Ergebnis nahezu stabil. Offensichtlich konnten die sozialdemokratischen Parteien in Ländern wie Schweden, Spanien oder Portugal die Verluste der SPD in Deutschland fast ausgleichen.

Die europäischen Liberalen leiden vor allem unter dem Fiasko der Renaissance-Partei von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und kommen statt 102 Mandaten künftig auf 79. Trotzdem werden diese drei Fraktionen der so genannten politischen Mitte auch im neuen Europaparlament eine klare Mehrheit haben.

Durch Verluste der Grünen kein Bündnis links der EVP möglich

Zusätzlich gestärkt wird die Führungsposition der christdemokratischen EVP dadurch, dass links von ihr kein Bündnis mehr denkbar ist, nachdem die Grünen 19 Sitze verloren und nun bei 52 stehen. Allerdings haben auch sie angekündigt, für eine Koalition der Mitte zur Verfügung zu stehen.

Anders als die deutsche Linke bleibt die Fraktion der Europäischen Linkspartei mit 36 nahezu gleich, und es wird interessant sein, wohin sich das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) orientieren will.

Insgesamt sind es 100 Abgeordnete, bei denen noch nicht feststeht, welcher Fraktion sie sich anschließen werden. Zu denen gehören beispielsweise auch die Delegierten des ungarischen Fidesz von Victor Orbán und der deutschen AfD. Deren Europaabgeordnete waren kürzlich aus der am weitesten rechts stehenden Parlamentsfraktion Identität und Demokratie (ID) ausgeschlossen worden.

Krah aus AfD-Delegation ausgeschlossen, um Wiederaufnahme in ID-Fraktion zu ermöglichen

Seit längerem schon hatte es in der Fraktion Auseinandersetzungen zwischen dem französische Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen und der AfD gegeben. Den endgültigen Bruch brachte ein Interview des AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah mit der italienischen Tageszeitung "La Repubblica", in dem dieser sagte, nicht alle SS-Mitglieder seien Verbrecher gewesen.

Das kam in Frankreich sehr schlecht an, und Marine Le Pen, die breitere Wählerschichten anzusprechen will, um 2027 Präsidentin zu werden, verkündete, nicht mehr mit der AfD in einer Fraktion sitzen zu wollen. Dass die AfD-Europagruppe ihren Spitzenkandidaten Maximilian Krah am Tag nach der Wahl nun ausgeschlossen hat, ist vor allem der Versuch, eine Wiederaufnahme in die ID-Fraktion zu erreichen.

Rechtsnationale Fratelli d'Italia hat Schlüsselposition

Wie sich die Rechtsnationalen am Ende tatsächlich aufstellen werden, wird maßgeblich auch von der zweiten Wahlgewinnerin, der italienischen Ministerpräsidentin Georgia Meloni, abhängen. Ihre rechtsnationale Partei Fratelli d'Italia wird künftig die zweite rechtsnationale Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) klar dominieren.

Im Vergleich zur Europawahl 2019 gewannen die Brüder Italiens 20 Prozentpunkte dazu und werden im EU-Parlament sowohl von der christdemokratischen EVP umworben, als auch vom rechtsextremen französischen Rassemblement National von Marine Le Pen, die sogar ein Zusammengehen ihrer bisher getrennten Parteienfamilien vorgeschlagen hat.

Bisher kommen die beiden Rechtsaußenfraktionen EKR und ID zusammen auf 131 Sitze nach bisher 118. Viele, wie der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, fordern Le Pen und Meloni auf, die Kräfte von ID und EKR in einer Superfraktion zu vereinen, was aber eher unwahrscheinlich ist.

Rechtsaußenblock hat mehr Macht im EU-Parlament

Am Ende könnte der Rechtsaußenblock  auf vielleicht ein Viertel der insgesamt 720 Parlamentssitze kommen. Das wäre mehr als je zuvor in der Geschichte des Parlaments, und würde im künftigen Parlament für einige Störmanöver sorgen. So bekämen die Rechten mehr Geld aus dem Parlamentshaushalt. Außerdem hätten sie größere Chancen auf Führungspositionen in den Parlamentsausschüssen und könnten so mehr Einfluss auf die gesamte parlamentarische Agenda nehmen.

Ob die EU-Politik insgesamt künftig nach rechts rücken wird, hängt jedoch nicht nur von den Mehrheiten im Parlament ab. Entscheidender sind dabei die Kräfteverhältnisse im Rat der EU-Staaten. Eine wichtige Rolle dürfte dabei der Ausgang der Wahlen in Österreich im kommenden Herbst und vor allen die Präsidentschaftswahl 2027 in Frankreich spielen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 10. Juni 2024 | 15:18 Uhr

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