Uber & Co. EU-Staaten für mehr Arbeitnehmerrechte bei Online-Plattformen
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11. März 2024, 19:29 Uhr
Die EU will die Arbeitnehmerrechte von Mitarbeitenden von Online-Plattformen wie Uber stärken. Den Plattformen soll es erschwert werden, ihre Mitarbeitenden zu kontrollieren. Würden sie doch überwacht, sollen sie vom Unternehmen als Beschäftigte und nicht als Selbstständige betrachtet werden. Die Bundesregierung ist uneins über das Gesetz und enthielt sich bei der Abstimmung.
- Die EU-Staaten wollen Arbeitnehmerrechte von Beschäftigten bei Online-Plattformen stärken.
- Plattformen wird es erschwert, ihre Mitarbeitenden zu überwachen.
- Die Bundesregierung ist uneins über das neue Gesetz und enthielt sich bei der Abstimmung.
Millionen Lieferdienst- und Taxifahrer großer Online-Plattformen können auf bessere Arbeitsbedingungen hoffen. Die EU-Staaten sprachen sich für neue Vorgaben aus, um etwa Scheinselbstständigkeit besser zu verhindern, wie die belgische EU-Ratspräsidentschaft am Montag mitteilte. Das Europaparlament muss dem Vorhaben noch zustimmen. Eine Mehrheit ist wahrscheinlich. Das Gesetz soll dafür sorgen, dass Beschäftigte sogenannter Plattformfirmen unter bestimmten Bedingungen als voll angestellt gelten. Bislang sind etwa Uber-Fahrer oder Fahrradkuriere auf dem Papier häufig selbständig und damit nicht über ihren Arbeitgeber sozialversichert.
Den Angaben der EU-Staaten zufolge arbeiten knapp 30 Millionen Menschen in der EU als sogenannte Plattformarbeiter. Wenn künftig Indizien etwa auf eine Kontrolle der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorliegen, wird den neuen Regeln zufolge angenommen, dass sie Beschäftigte und keine Selbstständigen sind. Die Beweispflicht liege bei den Plattformen: Sie müssten beweisen, dass kein Beschäftigungsverhältnis bestehe.
Beschäftigte können den Angaben zufolge auch besseren Zugang zu Bezahlung bei Krankheit, Leistungen bei Arbeitslosigkeit oder Einkommensunterstützung erhalten.
Zudem soll verboten werden, dass automatisierte Überwachungs- oder Entscheidungsfindungssysteme bestimmte Daten verwenden. Dazu zählen biometrische Daten oder der emotionale oder psychologische Zustand von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Keine höheren Preise bei Lieferando
Zu höheren Preisen bei den Kundinnen und Kunden soll die neue Richtlinie zumindest bei Essenslieferant Lieferando nicht führen. Das Unternehmen stelle bereits alle Fahrer regulär an, "mit allen entsprechenden Bezügen und Rechten für die Beschäftigten", teilte Lieferando jüngst mit. "Dementsprechend halten wir die Richtlinie für kostenneutral umsetzbar, zugunsten besserer Branchenstandards."
Der Fahrdienstleister Uber teilte mit, der Status der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werde von Land zu Land und von Gericht zu Gericht entschieden. Man fordere die EU-Länder auf, nationale Gesetze zu schaffen, die Schutz böten und gleichzeitig die Unabhängigkeit der Fahrerinnen und Fahrer wahren würden.
Bundesregierung enthielt sich bei Abstimmung
Eigentlich hatten sich Unterhändler der EU-Staaten und des Parlaments bereits zweimal auf einen Kompromiss geeinigt. Die Deals platzten aber wieder, und es brauchte weitere Gespräche. Dabei war es vor allem schwierig, innerhalb der EU-Staaten eine Mehrheit zu finden, was auch an der Bundesregierung scheiterte. Berlin enthielt sich bei der Entscheidung am Montag, weil es unterschiedliche Ansichten zu dem Vorhaben gibt.
So hatten sich vor allem FDP-Vertreter gegen das Gesetz ausgesprochen. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Johannes Vogel bezeichnete die vorgesehenen Plattformregeln kürzlich als "einen Angriff auf alle Selbstständigen in Europa". Selbstständigkeit sei ein zentraler und notwendiger Teil einer modernen Arbeitswelt. Die Initiative der Kommission gehe daher nicht zu weit, sondern in die falsche Richtung. "Es kann nicht sein, dass Selbstständige gegen ihren Willen zu Beschäftigten gemacht werden sollen", sagte Vogel.
SPD und Grüne loben neues Gesetz
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte am Montag dem Portal Politico: "Wer nicht kompromissfähig ist, kann nicht mitgestalten. Ich bedauere das Abstimmungsverhalten persönlich sehr." Es sei wichtig, dass Digitalisierung im Arbeitsleben nicht mit Ausbeutung verwechselt werde. Dass die neue Richtlinie dennoch eine Mehrheit fand, begrüßte Heil. "Scheinselbstständigkeit und prekäre Arbeitsbedingungen werden so zurückgedrängt."
Kritik am deutschen Abstimmungsverhalten kommt auch von den Grünen. "Dies ist ein Versagen von Bundeskanzler Scholz", sagte der Europaabgeordnete Rasmus Andresen. Die neuen Regeln seien ein riesiger Erfolg.
dpa, AFP (jst)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 11. März 2024 | 16:30 Uhr