USA "Schock und Ehrfurcht": Was von den ersten Trump-Tagen zu erwarten ist
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19. Januar 2025, 13:16 Uhr
"Schock und Ehrfurcht" kündigte Tom Homan, Donald Trumps designierter Verantwortlicher für die Abschiebungspolitik, in Bezug auf die Migration an. Zuvor findet die Vereidigung des designierten US-Präsident Trump in kleinerer Runde in der Rotunde des Kapitols statt. Was kommt dann? Eine Analyse.
- Amtseinführung in Rotunde des Kapitols mit weniger Menschen
- Feierlichkeiten in der Capital One Arena
- Demonstration der Stärke und Begnadigungen erwartet
- Abschiebeaktion für Migranten
Es geht holprig und rasant los, beides zugleich; es beginnt erstaunlich kleinlaut auf der einen Ebene und dröhnend laut auf mehreren anderen.
Donald Trump, der der 45. Präsident in der Geschichte der USA war und an diesem Montag, dem Tag von Amtseinführung und Vereidigung, auch der 47. Präsident in der Geschichte der USA werden wird, musste am Freitag ankündigen, dass der Festakt aufgrund der angekündigten extremen Kälte in die Rotunde des Kapitols verlegt wird. Es wird das erste Mal seit 40 Jahren sein, dass die Vereidigung eines US-Präsidenten in einem geschlossenen Raum stattfindet. Damals begann die zweite Amtszeit Ronald Reagans.
Amtseinführung in Rotunde des Kapitols mit weniger Menschen
Diese Verlegung bedeutet natürlich, dass sehr viel weniger Menschen die Zeremonie vor Ort verfolgen können: nur 600. Auf seiner Plattform Truth Social schrieb Trump: "Die Eiswind-Faktoren könnten die Temperaturen in Washington D.C. auf Rekordtiefstwerte senken. Ich möchte nicht, dass Menschen verletzt werden." Er riet denjenigen, die dennoch anreisen wollen, sich warm anzuziehen.
Ist das aber schon alles? Nein, da war doch noch etwas.
Trump hat in der Vergangenheit durchaus obsessiv auf Besucherzahlen geblickt, oft minutenlang von den angeblich größten Menschenmengen der Menschheitsgeschichte geredet; die "crowd size" ist für ihn wesentliches Kriterium für politischen Erfolg und politisches Scheitern. Und 2017 hatte er tagelang wütend vor sich hin geschimpft, weil Medien die schlichte Wahrheit gemeldet hatten: Dass die Menschenmenge bei seiner ersten Amtseinführung sehr viel kleiner gewesen war als bei Barack Obama 2009.
Beugt er mit der Verlegung nun also einer Peinlichkeit vor, einer Blamage gar?
Feierlichkeiten in der Capital One Arena
Seine Erzählung ist eine andere, und bislang hält er sie durch: Er sorge sich um die Nation, das amerikanische Volk. Die Temperaturen in der nordamerikanischen Hauptstadt sollen am Montag zwischen -11 und -5 Grad Celsius liegen. Für jene Unterstützer, die bereits nach Washington gereist sind, um die Feierlichkeiten zu erleben, steht die 20.000 Zuschauer fassende Capital One Arena zur Verfügung. Trump kündigte an, nach der Vereidigung dorthin zu kommen. Und auch die traditionelle Parade, vom Kapitol zum Weißen Haus, fällt aus oder soll gleichfalls in die Arena verlegt werden.
Was wird geboten werden? Die Sängerin Carrie Underwood, kein Weltstar, aber seit ihrem Sieg bei "American Idol" (2005) auch kein Niemand, wird "America the Beautiful" vortragen, begleitet vom Chor der Streitkräfte und Musikern der Akademie der US-Marine. Nach ihrem Auftritt wird der Vorsitzende Richter des Obersten Gerichtshofs, John Roberts, dem neuen Präsidenten den Amtseid abnehmen.
Und überall in der Hauptstadt werden Trumps Republikaner feiern. Victor Willis, Gründungsmitglied der Village People, teilte auf Facebook mit, dass die Band ihr unvergängliches "Y.M.C.A.", das auf Trumps Veranstaltungen selten fehlt, bei einem Ball von "Turning Point USA", einer Pro-Trump-Organisation, spielen werde.
Und dann wird es beginnen, wirklich beginnen. Doch wie? Und womit?
Demonstration der Stärke und Begnadigungen erwartet
In Washington rechnen Republikaner und Beobachter mit einer Demonstration der Stärke, also einer eher nationalistischen, eher stolzen und durchaus dröhnenden Rede Trumps; und dann mit einer Welle von "executive orders", also Verordnungen. Diese dürften sofort auf Deregulierung, beispielsweise den Stopp von Umweltgesetzen zielen – und gewiss auf die Förderung von Gas und Öl in bislang geschützten Gegenden der USA.
Ein Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen wird kommen, eher schnell als verzögert; und die vieldiskutierten Strafzölle auf nahezu alles, was in die USA importiert wird (also auch auf das, was aus Deutschland und Mitteldeutschland in Richtung USA exportiert), vermutlich ebenfalls. Eine neue Runde von Steuererleichterungen für Amerikas reichste Menschen wird erwartet; diese muss, damit sie dauerhaftes Gesetz wird, den Kongress passieren, kann also am Montag oder in den folgenden ersten Tagen nur angekündigt, aber noch nicht final werden.
Es dürfte weitergehen, denn diesmal sind die Republikaner vorbereitet. Seit Jahren haben sie Pläne, detaillierte Drehbücher für die Rückkehr an die Macht verfasst, und seit dem 5. November, dem Wahlsieg, werden präzise Gesetze vorbereitet. "Wenn wir uns an Trumps ersten Wahlsieg vor acht Jahren erinnern", so sagt es Johannes Thimm, stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Amerika bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, dem MDR, "dann dürfte dies ein wesentlicher Unterschied sein: Damals wurde vieles dilettantisch oder gar nicht vorbereitet und dann von Gerichten revidiert, diesmal wird es professioneller zugehen."
Ebenfalls gleich zu Beginn der zweiten Ära Trump erwartet Thimm Begnadigungen jener rund 900 Menschen, die nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 strafrechtlich verurteilt, von Trump hingegen zu "Helden" an einem "Tag der Liebe" erklärt wurden.
Delikat ist die Frage, ob Trump jene Täter ausnehmen wird, die gewalttätig gegen Polizisten vorgingen – einst waren die Republikaner die Partei von Recht und Ordnung. "Zuzutrauen ist Trump, dass er alle begnadigt", so Thimm, "das entspräche dem Narrativ von den politischen Gefangenen, und ein Freund der Differenzierung war Trump bisher nicht."
Abschiebeaktion für Migranten
Und dann kommt das Thema aller Themen, Trumps Siegerthema, die Migration. Die kommende Regierung plant eine erste wuchtige Abschiebungsaktion in Chicago, die unmittelbar nach der Amtseinführung, gleich am Dienstag also, beginnen soll. Unter dem Namen "Operation Safeguard" sollen Razzien und Abschiebungen koordiniert werden und eine Woche andauern.
Die Wahl dieses Ortes ist symbolbeladen und fraglos kein Zufall. In Chicago leben die Obamas, Chicago ist Hochburg der Demokraten. In den vergangenen Jahren weigerte sich die Stadt Chicago, den Einwanderungsstatus ihrer Bürgerinnen und Bürger zu dokumentieren und Daten mit der Bundesbehörde ICE ("Immigration and Customs Enforcement" zu teilen. Nun hat ICE rund 150 Agenten nach Chicago entsandt, um Einwanderer ohne Papiere gezielt aufzuspüren und festzunehmen. Die Operation soll eine Botschaft senden: Die Trump-Administration meint es ernst mit allem, was sie versprochen hat, und vor allem mit dem Bekämpfen von Einwanderung.
"Schock und Ehrfurcht" erzeugen
Tom Homan, Trumps designierter Verantwortlicher für die Abschiebungspolitik, kündigte an, dass gleich in den ersten Tagen der neuen Präsidentschaft Maßnahmen ergriffen würden, die "Schock und Ehrfurcht" erzeugten. Selbst Eltern, deren Kinder in den USA geboren und deshalb Staatsbürger sind, würden nicht verschont werden.
Vor acht Jahren, erstmals gewählt, sprach Donald Trump den sogenannten Muslim Ban, ein Einreiseverbot für Muslime, aus. Auch dieser hielt Gerichten nicht stand. "Handwerkliche Fehler", sagt Johannes Thimm, "wird die zweite Trump-Administration auch in Fragen von Migration und Asyl kaum machen."
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 18. Januar 2025 | 10:34 Uhr