Wiederaufbau der Ukraine Flüchtlinge aus der Ukraine sehen Rückkehranreize der Regierung skeptisch
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21. Januar 2025, 09:23 Uhr
Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine mussten Millionen Menschen das Land verlassen. 1,2 Millionen sind nach Deutschland geflüchtet. Einige will die Ukraine nun zur Rückkehr bewegen. Laut Vize-Regierungschef Oleksij Tschernyschow werden vor allem in der Rüstungsproduktion, im Energiesektor und beim Wiederaufbau Arbeitskräfte gebraucht. MDR-AKTUELL-Reporter Christian Erll hat Ukrainer in Deutschland gefragt, ob die Anreize für eine Rückkehr ausreichen.
MDR AKTUELL: Wie will die Ukraine ihre Bevölkerung zurückholen?
Christian Erll: Der erste Schritt ist verstärkter Kontaktaufbau zu den geflohenen Ukrainern. Der Vize-Regierungschef Oleksij Tschernyschow ist dafür sogar mit einem neuen Ministerium ausgestattet worden, dem Einheitsministerium. Am Freitag war er in Berlin und hat in der Botschaft Menschen aus ukrainischen Vereinen in Deutschland getroffen, um seine Pläne vorzustellen.
Tschernyschow will in sogenannten Einheitszentren seine Landsleute einerseits bei der Integration unterstützen und andererseits Werbung machen bei denen, die sich eine Rückkehr vorstellen können. Diejenigen sollen dann zum Beispiel günstige Kredite erhalten, um sich was Neues aufbauen zu können. Den Männern garantiert er, dass sie nicht zum Militär eingezogen werden, wenn sie in anderen systemrelevanten Branchen arbeiten.
Wie kommt das bei den Geflüchteten an?
Die Frage habe ich Menschen aus der ukrainischen Community gestellt – unter anderem Nataljia Bock. Sie lebt seit fast drei Jahrzehnten in Dresden und wurde da mit dem russischen Überfall Ansprechpartnerin Nummer Eins für Geflüchtete, weil sie Hilfe für Tausende ihrer Landsleute koordiniert hat. Sie war auch bei dem Treffen in der Botschaft und danach skeptisch, ob die genannten Anreize reichen.
Für die meisten war die Entscheidung, ins Ausland zu gehen, die Sicherheit – die Sicherheit der Kinder, die eigene Sicherheit und für viele natürlich auch, weil sie alles verloren haben. Wenn sie aus der Ostukraine sind, haben sie ihr Zuhause verloren. Das war die Entscheidung damals, vor dem Krieg zu fliehen.
Solange der Krieg andauere, sähen deshalb viele keinen Grund, zurückzugehen, sagt Bock.
Das klingt, als seien die Rückkehrbemühungen in den Einheitszentren zum Scheitern verurteilt.
Zumindest wird es eine schwere Aufgabe. Andererseits bleibt Minister Tschernyschow vermutlich wenig anderes übrig, als es trotzdem zu versuchen. Nach Zahlen des UN-Flüchtlingshilfswerks sind fast sieben Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer ins Ausland geflohen. Die fehlen dem Land natürlich bitterlich.
Deswegen hat auch Nataljia Bock für die Bemühungen Verständnis. Sie glaubt aber, dass die Angebote der ukrainischen Regierung noch konkreter und vertrauenswürdiger werden müssen.
Da muss die ukrainische Regierung ihre Angebote auf den Tisch legen und dann werden die Menschen für sich entscheiden, ob das für sie zuverlässig oder ernst genug ist, dass sie alles einpacken und zurückgehen oder eben nicht. Im Moment sind die Angebote noch nicht konkret. Deswegen können viele sich nicht vorstellen, wie das aussehen wird.
Gelegenheit für Tschernyschow, seine Pläne bei Nataljia Bock zu konkretisieren, wird es wohl geben. Er hat einen Besuch bei ihr in Dresden schon angekündigt.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 21. Januar 2025 | 06:11 Uhr