Eric Rodriguez, Miteigentümer einer Desinfektionsfirma, desinfiziert den Tresen in dem Gasthaus "The Galley".
Desinfektion am Tresen in einer Gaststätte während der Corona-Pandemie Bildrechte: picture alliance/dpa/Tampa Bay Times via ZUMA Wire | Scott Keeler

EU-Verfahren Alkohol zum Trinken, aber nicht als Desinfektionsmittel?

31. März 2025, 17:39 Uhr

Es klingt absurd: EU-Vorgaben könnten zum Verbot ethanolbasierter Desinfektionsmittel oder Kosmetika führen, während Alkohol als Genussmittel erlaubt bleibt. Chemie- und Pharmaindustrie sowie Ärzte schlagen Alarm.

Der Verband der Chemischen Industrie in Deutschand (VCI) befürchtet Schlimmes durch ein EU-Verfahren zur Neubewertung von Ethanol (Alkohol) auf Gesundheitsrisiken. Das zuständige Prüfamt (in Griechenland) hat dazu im vergangenen Jahr der EU-Chemikalienagentur ECHA einen Vorschlag gemacht. Demnach droht ein Hochstufung in die Gefahrenkategorien 2 (Verdacht auf schädliche Wirkung) oder 1 (nachgewiesene schädliche Wirkung) – vor allem wegen der CMR-Eigenschaften (krebserzeugend, erbgutverändernd, fruchtschädigend) von Alkohol.

Chemiebranche fürchtet negative Folgen in vielen Bereichen

Doch während Alkohol als Genussmittel von dem Verfahren nicht betroffen ist, erwartet die Chemiebranche weitreichende Auswirkungen auf die Nutzung von Alkohol als Grundstoff, bioziden Wirkstoff (Desinfektionsmittel) sowie als Lösungsmittel und Lebensmittelinhaltsstoff. So steht der Einsatz von Ethanol als bewährtes Desinfektionsmittel in Frage bis hin zum möglichen Verbot. Dazu läuft bis Ende April bei der ECHA eine öffentliche Konsultation zu Alternativen für Ethanol.

Das brandneue Gebäude der Europäischen Chemikalienagentur ECHA. Das moderne Gebäude umfasst ein altes Werkstattgebäude aus rotem Backstein.
Sitz der European Chemical Agency (ECHA) in Helsinki Bildrechte: IMAGO/Dreamstime

Laut VCI würden sich höhere Risikoklassen bei den Herstellern auf viele Produkte mit Ethanol auswirken. Neben Desinfektionsmitteln würde das auch gängige Industriechemikalien treffen, wegen automatischer Kopplungen an die neue Einstufung. Laut VCI wäre etwa die Abgabe ethanolhaltiger Kosmetika, Farben, Lacke und Haushaltsmittel nicht mehr gestattet. Zudem würden Arbeitsschutzauflagen verschärft. Die Chemieindustrie fordert, den Automatismus zu stoppen und "unverhältnismäßige Auswirkungen zu vermeiden". Ein Abschluss des EU-Verfahrens wird für dieses Jahr erwartet.

Mediziner warnen vor Schildbürgerstreich: Ethanolhaltige Desinfektionsmittel unverzichtbar

Mitarbeiter in einem Bio-Ethanol-Werk überwacht die Produktion
Ethanol-Produktion im PCK Schwedt Bildrechte: picture-alliance/dpa/Patrick Pleul

Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) wittert einen Schildbürgerstreich der EU. Allen sei klar, dass "Ethanol ein zentraler Wirkstoff für die Hand- und Flächendesinfektion in Praxen und Krankenhäusern ist". Die WHO liste Alkohol als "unverzichtbares Arzneimittel".

KBV-Vizechef Stephan Hofmeister erläutert in einem Bericht, die mögliche Gefährdungsbeurteilung der EU basiere auf der toxischen Wirkung von Alkohol, wenn er getrunken werde. Deshalb werde Ethanol in Desinfektionsmitteln vergällt, um ihn ungenießbar zu machen. Hofmeister betont: "Es gibt keine Substanz, die Ethanol als Desinfektionsmittel in auch nur annähernd vergleichbarer Wirkung und Verfügbarkeit ersetzen könnte."

Ärzte-, Apothekerverbände sowie die Krankenhausgesellschaft haben die Bundesregierung aufgerufen, bei einer neuen Gefährdungsbeurteilung den Anwendungsbereich zu berücksichtigen.

Pharmabranche schläg Alarm

Ebenso wenden sich 14 Verbände der Gesundheitswirtschaft gegen die geplante Einstufung von Ethanol als gefährlichen CMR-Stoff. Progenerika etwa warnt vor weitreichenden Folgen für den Infektionsschutz, die Arzneimittelproduktion und der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Hersteller.

Reinigungskraft Olga Kelsch zieht sich vor dem Betreten des Schockraums Handschuhe an.
Alkoholhaltige Desinfektionsmittel gelten als Standard in der Krankenhaushygiene. Bildrechte: picture alliance/dpa | Philipp von Ditfurth

Ethanol sei Bestandteil in vielen pharmazeutischen Prozessen – als Lösungs- und Reinigungsmittel bei der Herstellung von Arzneimitteln, in der Laboranalytik oder als Konservierungs- oder Extraktionsmittel. Außerdem wirke Ethanol umfassend gegen Bakterien und Viren, darunter auch besonders widerstandsfähige wie Polioviren oder Noroviren. Es spiele eine Schlüsselrolle im Infektionsschutz in Krankenhäusern.

Am Ende entscheidet die EU-Kommission

Vertreter von Union und SPD, die die neue Bundesregierung bilden wollen, teilen die Kritik. Der gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion im EU-Parlament, EVP, Peter Liese (CDU), sagte bereits 2024 dem RND: "Ein Verbot von Alkohol in Desinfektionsmitteln lehne ich ab." Der SPD-Gesundheitspolitiker Tiemo Wölken verwies im RND-Gespräch auf das noch laufende Verfahren: "Jetzt schon von einem drohenden Verbot zu sprechen, ist verfrüht."

Auch aus Brüssel verlautete, eine negative Beurteilung der EU-Chemikalienbehörde führe nicht zwangsläufig zum Verbot von Ethanol. Einige Verwendungen könnten weiter als sicher angesehen werden. Die Entscheidung darüber liege letztlich bei der EU-Kommission.

VCI, KBV, Progenerika, RND (ans)

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