Pädophilie Kinderporno-Skandal in Ungarn: Warum ein Ex-Botschafter die Bürger auf die Barrikaden treibt
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21. Juli 2020, 11:04 Uhr
In Ungarn kochen derzeit die Emotionen hoch. Auslöser ist eine aus Sicht vieler Bürger zu milde Strafe gegen den Ex-Diplomaten Gábor Kaleta. Ermittler hatten auf dessen Laptop, Mobiltelefon und einer externen Festplatte Tausende Kinderpornos sichergestellt. Die Richter hatten den Beamten zu einem Jahr Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von umgerechnet 1.500 Euro verurteilt. Dass Kaletas Rechtsanwalt gegen das für seinen Geschmack ungerechtfertigt harte Urteil nun auch noch Berufung eingelegt hat, führt zu einem Aufschrei in der ungarischen Öffentlichkeit.
So einig waren sich die Ungarn über alles Parteigezänk hinweg lange nicht: Die Strafe für den Ex-Botschafter, so die einhellige Meinung, sei definitiv zu gering. Der Unmut der Bürger entlud sich unlängst beispielsweise auf einer Demonstration vor dem Gerichtshof in Budapest. Bestürzte Eltern forderten härtere Strafen für den Besitz von Kinderpornographie. Dass das ungarische Strafgesetz für solche Delikte vergleichsweise milde Urteile vorsieht, war so bislang in der Öffentlichkeit nicht angekommen. Nun dafür mit voller Wucht. Mit fassungslosem Erstaunen nehmen die Menschen zur Kenntnis, dass der Besitz von Kinderpornographie ebenso bestraft wird wie Urkundenfälschung.
Das ungarische Gesetz sieht für verurteilte pädophile Täter Gefängnisstrafen von 3 Monaten bis zu 3 Jahren vor. Aber auch Bewährungs- und Geldstrafen. 2019 plädierten ungarische Staatsanwälte in Verfahren wegen des Besitzes von Kinderpornographie in 74 Fällen auf eine Bewährungsstrafe. Nur in acht Fällen forderten sie Haftstrafen für die Angeklagten. Vier Täter landeten tatsächlich hinter Gittern.
Politiker setzen sich an die Spitze der Bewegung
Selbst unter ungarischen Politikern schafft der Kinderporno-Skandal vorübergehend Einigkeit. Oppositionspolitiker unterstützen die Forderungen der Bürger nach härteren Strafen für den Besitz von Kinderpornographie. Eine Diskussion, die gerade auch in Deutchland geführt wurde. Und auch Ministerpräsident Viktor Orbán springt auf den Zug auf. Er verkündete in einem Radiointerview, in solchen Fällen sei keine Strafe hart genug. Orbàn versprach auch, das Kinderschutzgesetz zu ändern. Ab Herbst soll das Parlament darüber beraten. Kinderschutz-Experten begrüßen das plötzlich aufflammende Engagement der Politiker, betonen jedoch, dass es viel zu tun gibt. Bislang kämen viel zu wenige Fälle von Kinderpornographie überhaupt vor Gericht. Szilvia Gyurkó, Gründerin der Kinderrechtsorganisation Hintalovo Children's Rights Foundation, spricht von einem Missverhältnis von 100 zu 1. Von 100 bekannt gewordenen Fällen lande nur etwa einer vor Gericht.
Unbequeme Wahrheiten
Der aktuelle Fall des pädophilen Ex-Botschafters in Peru, Gábor Kaleta, wirft jedoch noch andere Fragen auf. Beispielsweise, warum über die Sache so lange der Mantel des Schweigens gebreitet wurde. Bekannt geworden war der Skandal in Ungarn im Februar, obwohl die Anklage, wie man inzwischen weiß, bereits im November 2019 geschrieben worden war. Recherchiert und veröffentlicht hatte die Story das unabhängige Nachrichtenportal Index.hu. Nach dessen Angaben war der ungarische Diplomat gewissermaßen ein Beifang von US-Ermittlern, die gegen ein südkoreanisches Pädophilen-Netzwerk ermittelt hatten. Polizei, Staatsanwaltschaft und das ungarische Außenministerium geben sich in der Sache Kaleta nach wie vor wortkarg.
Eine ominöse Rückholaktion
Geheimnisumwittert ist auch die Rückholaktion des kompromittierten Diplomaten aus Peru. Gábor Kaleta war am 25. März 2019 von zwei ungarischen Polizisten in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus Lima abgeholt und nach Budapest gebracht worden. Der peruanischen Regierung tischte man auf, der Botschafter habe wegen dringender persönlicher Angelegenheiten nach Budapest zurückkehren müssen. Erst Anfang des Jahres erfuhr man in Lima, dass der ehemalige ungarische Botschafter wegen eines Verbrechens "abberufen" wurde. Die Umstände und Hintergründe von Kaletas geheimnisvoller Heimkehr nach Hause waren auch Thema einer Sitzung des Auswärtigen Ausschusses im ungarischen Parlament. Wer sich davon jedoch Aufklärung erhofft – Fehlanzeige! Die Sitzung fand hinter verschlossenen Türen statt. Die Protokolle sind für zehn Jahre als geheim eingestuft, also nicht einsehbar.
Bibelfest und mit weißer Weste
Der promovierte Völkerrechtler Gábor Kaleta hatte seit 2001 verschiedene politische Ämter inne. Nach Stationen im Außen- und Justizministerium unter verschiedenen Regierungen war er 2017 zum Botschafter in Peru berufen worden. Kollegen beschreiben ihn als informierten, gebildeten Mann, der gerne die Bibel zitierte. Vor Gericht hatte sich Kaleta Anfang Juli zwar schuldig bekannt, allerdings nur, um so einer Gefängnisstrafe zu entgehen. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm diesen Deal angeboten. Kaletas Anwalt stellte seinen Mandanten als einen zutiefst religiösen, seinem Land hart dienenden Mann dar, der an Gewissensbissen leide und deshalb schon 30 Kilo abgenommen habe. Nachdem das Urteil Anfang Juli gefallen war, legte Kaletas Rechtsanwalt Berufung ein. Aus seiner Sicht ist die Verurteilung zu einer Haftstrafe unverhältnismäßig hart, auch wenn die zur Bewährung ausgesetzt sei. Falls es zu einer Berufungsverhandlung kommen sollte, riskiert der Ex-Botschafter jedenfalls nichts. Eine härtere Strafe kann die zweite Instanz nicht verhängen. Sie kann das Urteil nur bestätigen oder mildern.
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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 04. Juli 2020 | 12:30 Uhr