Interview Konfliktforscher Masala: Keine schnelle Verhandlungslösung für Ukraine – Putin will mehr
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03. Dezember 2024, 13:52 Uhr
Carlo Masala, Politikwissenschaftler an der Bundeswehr-Universität München, dämpft Hoffnungen auf eine schnelle Verhandlungslösung mit Russland im Ukraine-Krieg. Die russischen Truppen rückten vor, was die Verhandlungsbasis für Präsident Putin stärke. Dem gehe es auch um einen Rückzug westlicher Nato-Truppen aus Osteuropa und eine neue globale Sicherheitsarchitektur.
MDR AKTUELL: Teilen Sie den Eindruck, dass sich Russland aktuell in einer Situation der Stärke befindet?
Carlo Masala: Nein, der Eindruck täuscht nicht. Russland befindet sich in einer Situation der Stärke. Russland macht große Fortschritte für seine Verhältnisse im Donbass und hat 40 bis 45 Prozent der Region Kurs zurückerobert. Möglicherweise steht es vor einer größeren Offensive im ukrainischen Oblast Saporischschja.
Ein Krieg endet ja meist, wenn eine Seite gewinnt oder beide Seiten erschöpft sind. Doch Russland scheint den Krieg länger fortzusetzen zu können, oder?
Das bleibt abzuwarten. Zunächst wird Russland sich bis zum Amtsantritt von Donald Trump am 20. Januar 2025 sicherlich auf keinerlei Verhandlungen einlassen, weil es bis dahin aller Wahrscheinlichkeit so viel Territorium wie möglich erobern will. Die Frage ist dann, wie reagiert die Trump-Administration auf diese russische Aggression und wird sie einen Weg finden? Trump hat ja angekündigt, Verhandlungen zwischen den beiden Parteien in Gang zu setzen.
Momentan sieht es so aus, dass Russland keine Anreize für Verhandlungen hat. Und wie wir gestern erfahren haben, hat ja ein enger Vertrauter von Putin, ein Oligarch, in einem Interview sehr klar und deutlich gemacht: Es geht bei möglichen Verhandlungen nicht nur um die Ukraine, sondern es geht um die europäische Sicherheitsarchitektur und im Prinzip um die globale Sicherheitsarchitektur. Also Russland hat im Prinzip das Portfolio der Verhandlungen nochmals verbreitert.
Das wäre die russische Sicht, dass der Ukraine-Konflikt im Prinzip ganz andere Ursprünge hat. Wie könnte man das auch dauerhaft lösen?
Der Grund für den Konflikt ist das neoimperiale Gehabe Russlands. Das können sie nicht beseitigen, solange dort ein Regime ist, das sehr dezidiert die Vernichtung der Ukraine als Ziel erklärt hat.
Und wie wir jetzt wissen, auch die Frage: Wie soll globale internationale Politik demnächst weitergehen? Das heißt, diesen Grund werden sie nicht beseitigen können, weil der Grund liegt darin, dass in Russland eine Gruppe von Menschen regiert, die seit Jahren die Erweiterung der russischen Macht und des Einflussbereiches fordert.
Welches Angebot könnte Putin an den Verhandlungstisch bringen?
Putin geht voll mit einer Position der Stärke rein. Putin will, dass er die Territorien, die er besetzt hält, auf Dauer behalten kann. Putin will, dass die Regierung Selenskyj ausgetauscht wird, dass er sozusagen auf den Rest der Ukraine auch eine Art Zugriff bekommt. Putin will, dass die europäische Sicherheit abgewickelt wird auf den Stand von 1997. Das heißt der Rückzug aller amerikanischen Truppen, die sich irgendwo auf dem Gebiet Polens, Rumäniens usw. befinden. Das sind seine Forderungen.
Damit scheinen Hoffnungen auf eine schnelle Verhandlungslösung im Jahr 2025 nicht unbedingt begründet?
Viel wird davon abhängen, wie die Trump-Administration reagiert. Aber momentan muss man alle Hoffnungen auf baldige Verhandlungen dämpfen.
MDR AKTUELL (ans)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 03. Dezember 2024 | 10:00 Uhr