Olympische Sommerspiele Paris 2024 Sportler im Kosovo: Der schwierige Weg zu Olympia
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29. Juli 2024, 18:58 Uhr
Wer im internationalen Spitzensport erfolgreich sein will, muss bei Turnieren auf der ganzen Welt antreten. Wenn man wie Boxerin Donjeta Sadiku aus dem Kosovo aber aus politischen Gründen nicht in alle Länder reisen kann, fallen Chancen etwa auf WM-Titel einfach weg. Donjeta Sadiku ist trotzdem auf dem Weg nach oben und will bei Olympia eine Medaille für das Kosovo holen.
Donjeta Sadikus harter Punch allein reichte nicht, um sich für die Olympischen Sommerspiele in Paris zu qualifizieren. Und das, obwohl mit dem olympischen Motto "Schneller, höher, weiter" das sportliche Kräftemessen der Athleten betont wird. Doch die 25-jährige Leichtgewicht-Boxerin aus dem Kosovo erlebt immer wieder, dass sie im Sport nicht an der Politik vorbeikommt. Auch eine Portion Glück ist deswegen nötig: "Ich bete jedes Mal, wenn die Wettkampforte vergeben werden, dass sie nicht in Ländern sind, die das Kosovo nicht anerkennen", sagt die Sportlerin mit ernster Miene, "weil mich die Politik mit meinem kosovarischen Pass ausknockt".
Nach dem Kosovo-Krieg 1998/99 und dem Eingreifen der NATO, um weitere serbische Menschenrechtsverletzungen im Kosovo zu verhindern, war das Kosovo erst UN-Protektorat, dann erklärte es sich 2008 für unabhängig. Eine Reihe von Staaten betrachten Kosovo aber immer noch als abtrünnige Provinz Serbiens mit temporärer eigener Verwaltung. Deutschland erkannte die kosovarische Staatlichkeit umgehend an; Russland, China und Indien, aber auch EU-Staaten wie Spanien und die Slowakei lehnen es bis heute ab, Kosovo anzuerkennen, Serbien ohnehin.
Kein Visum - keine Chance bei WM 2018 in Indien
Von dieser Politik ausgeknockt wurde Donjeta Sadiku als 2018 die Box-Weltmeisterschaften der Frauen in Indien stattfanden, einem Land, das Kosovo nicht anerkennt. Die kosovarische Boxerin hoffte bis zur letzten Minute, bekam dann aber kein Visum, durfte nicht einreisen, konnte an der Weltmeisterschaft nicht teilnehmen. Dass der Internationale Boxverband (bis Ende 2021 AIBA, danach IBA – Anm. d. Red.) Indien deshalb verwarnt hatte und drohte, keine Wettkämpfe mehr in dem Land zu veranstalten, war nur ein sehr schwacher Trost für für die kosovarische Boxerin.
Ich werde bei Olympia auf jeden Fall eine Medaille gewinnen.
Im Frühjahr 2024 stellte sich die Frage, ob Donjeta zur Olympiaqualifikation überhaupt anreisen könne, zu ihrer Erleichterung aber gar nicht, denn sie fand in Italien statt, einem Land das den Kosovo anerkennt. Die Boxerin hat sich auch qualifiziert und das Ticket zu Olympia markiert für Donjeta einen weiteren Höhepunkt in ihrer Amateurkarriere. Bis zur Olympiaqualifikation hatte sie bereits 2022 je eine Bronzemedaille bei den Europameisterschaften und den Weltmeisterschaften gewonnen. 2023 siegte sie in ihrer Kategorie bei den Balkan-Boxmeisterschaften und erreichte bei den Europameisterschaften das Viertelfinale. Das gibt natürlich Selbstbewusstsein: "Ich werde bei Olympia auf jeden Fall eine Medaille gewinnen", sagt die 25-Jährige im Brustton der Überzeugung. "Welche kann ich noch nicht sagen, im Boxen ist alles möglich."
Auch Ismet Krasniqi vom Olympischen Komitee des Kosovo traut ihr einen großen Erfolg zu: "Donjeta hat großes Potenzial und wir wünschen ihr viel Gesundheit und Glück, damit sie dem Kosovo eine historische Boxmedaille holen kann." Es wäre tatsächlich die erste olympische Medaille im Boxen für das junge Balkanland.
Serbien verhindert 2021 Teilnahme Kosovos an Box-WM
2021 fanden Box-Weltmeisterschaften der Herren in Serbien statt, veranstaltet von der AIBA, dem internationalen Boxverband. Doch Serbien verhinderte die Teilnahme des kosovarischen Teams, obwohl Kosovo seit 2014 Mitglied in der AIBA war und die AIBA die Anmeldung der kosovarischen Mannschaft für 2021 auch angenommen hatte. Der Verband hatte mit den Organisatoren in Serbien im Vorfeld vereinbart, dass das dreiköpfige Team aus dem Kosovo teilnehmen könne. Anderenfalls hätte Serbien für diese prestigeträchtige Großveranstaltung wohl gar keinen Zuschlag bekommen. Die AIBA ihrerseits hätte durch das Vorgehen Indiens 2018 allerdings vorgewarnt sein müssen, als Donjeta Sadiku dort aufgrund ihrer Herkunft aus dem Kosovo kein Visum bekam und so de facto nicht starten durfte.
Doch es kam zu einem Eklat: Der serbische Organisator verweigerte in letzter Minute die Starterlaubnis für Kosovo. Die kosovarische Mannschaft stand schon am Grenzübergang. Der Weltverband pochte auf die Vereinbarung, aber der Organisator zog stattdessen einen Kompromissvorschlag aus der Tasche: Die Kosovaren sollten alle kosovarischen Hoheitszeichen ablegen und vor allem von ihren Trikots zu entfernen.
Damals war die Aufregung groß und es gab offizielle Proteste vom Kosovarischen Boxverband bis hin zur Präsidentin des Kosovo. Daneben war aber vor allem die Enttäuschung bei den Sportlern groß. Monatelange Vorbereitung und hartes Training scheiterten dann an der Politik. Der Weltverband reagierte lakonisch mit der Feststellung, dass die Vereinbarung von Seiten des serbischen Organisationskomitees gebrochen wurde und ein annehmbarer Kompromiss nicht gefunden werden konnte.
Trotz Hindernissen Profikarriere im Visier
So erfolglos wie der Weltboxverband AIBA bei der Durchsetzung des Startrechts von Kosovo bei Wettkämpfen war, so wenig Ergebnisse brachte auch die EU-Vermittlung zwischen Kosovo und Serbien. Das erklärte Ziel der EU über die letzten Jahre hinweg war, eine Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu erreichen.
Eine substantielle Verständigung wurde vom EU-Sonderbeauftragten für den Dialog Belgrad-Pristina, Miroslav Lajčak, und seinem Chef, dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, jedoch nicht erreicht. Die Politiker kommen aus der Slowakei und Spanien, zwei EU-Ländern, die Kosovo nicht anerkennen. Lajčaks slowakische Herkunft dient unter anderem für Kosovos Premierminister Albin Kurti als Erklärung dafür, dass der EU-Politiker für die serbische Position Partei ergreife anstatt wirklich eine Annäherung voranzutreiben.
Unterdessen kämpft Donjeta Sadiku für ihre Chance auf mehr: "Wenn ich bei Olympia erfolgreich bin, will ich in den Profiboxbereich wechseln", sagt die Boxerin. Finanziell würde sich eine Goldmedaille bei Olympia mit 100.000 Euro auf ihrem Konto auswirken, ein gutes Startkapital für eine Profikarriere. Die Karrieren von Boxern wie Henry Maske, Wladimir Klitschko, Muhammad Ali oder Cassius Clay haben gezeigt,S dass Olympia ein Sprungbrett in die Welt der Profis sein kann.
Boxen unter anderer Flagge oder Erfolge für Kosovo?
Während Donjeta Sadiku und andere Sportler aus dem Kosovo immer den zweiten Gegner, die Politik, im Auge behalten müssen, ist der gebürtige Kosovare und ehemalige Boxweltmeister Robin Krasniqi, dem geschickt ausgewichen. Seiner Überzeugung nach muss man überall hinreisen können, wenn man zur Weltspitze gehören will. Er hat einen deutschen Pass und einen eigenen Box-Stall in der Nähe von Augsburg. Damit umgeht er alle Einschränkungen, die ein kosovarischer Pass mit sich bringt. Letztes Jahr im August organisierte er einen Profi-Boxkampf in Pristina. Er wollte so einerseits seiner Heimat etwas zurückgeben, andererseits aber auch auf die komplizierte Situation der Boxer im Kosovo hinweisen.
Für Donjeta zeigen solche Events, dass die Sportwelt des Kosovo nicht vergessen wird. Trotz der widrigen Bedingungen ist sie nun mit acht weiteren Kosovaren nach Paris gereist. Im Gegensatz zu den Weltmeisterschaften konnten bisher alle kosovarischen Athleten an Olympia teilnehmen. Donjetas Traum ist es, es bis ins legendäre Stadion Roland Garros zu schaffen, denn dort wird am 6. August das Olympia-Finale ausgeboxt.
MDR (usc)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Heute im Osten | 03. August 2024 | 07:22 Uhr