Kosovo Autokennzeichen
Diese Zeiten sind vorbei: Am Grenzübergang zwischen Serbien und Kosovo klebt ein Grenzbeamter ein Nummernschild ab. Bildrechte: IMAGO / SNA

Streit um Autokennzeichen beigelegt Serbien und Kosovo: Wird jetzt alles gut?

27. Januar 2024, 16:08 Uhr

Der Konflikt zwischen Kosovo und Serbien schwelt seit dem Ende des Krieges vor 25 Jahren mit unterschiedlicher Intensität. Immer wieder flammte dabei auch ein Streit um Autokennzeichen auf – teilweise so heftig, dass Barrikaden errichtet wurden und die Armee aufmarschierte. Anfang Januar haben beide Staaten die Kennzeichen des jeweils anderen anerkannt. Beginnt damit die ersehnte Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und seiner ehemaligen Provinz Kosovo?

Vjosa Çerkini
Bildrechte: Vjosa Çerkini/MDR

Das neue Jahr hat für Autofahrer in Kosovo eine entscheidende Neuerung mit sich gebracht. Seit dem 1. Januar dürfen Autos mit Kennzeichen der Republik Kosovo, erkennbar am Kürzel "RKS", unbehelligt nach Serbien einreisen. Das hat das serbische Parlament entschieden. Zuvor waren die RKS-Kennzeichen zwar in allen anderen Staaten gültig, doch um nach Serbien zu fahren, mussten die Fahrer an der Grenze entweder Interims-Kennzeichen kaufen, oder den Teil ihres Nummernschildes, der das Herkunftsland verrät, mit Stickern abkleben.

Mit dieser Einigung scheint ein Konflikt, der die Region an den Rand bewaffneter Auseinandersetzungen gebracht hatte, fürs Erste beigelegt. Petar Petković, der Direktor des serbischen Büros für Kosovo in Pristina, betonte aber, dass die Anerkennung der Kfz-Kennzeichen keinesfalls als Anerkennung Kosovos als souveränen Staat interpretiert werden dürfe, sondern lediglich aus praktischen Gründen erfolge.

Vjosa Cerkini steht auf einem Parkplatz 1 min
Vjosa Cerkini Bildrechte: Vjosa Cerkini/MDR

Eine gute Nachricht – aber nicht mehr

Deshalb hält Gazmir Raci, politischer Analyst in Pristina, die Anerkennung der kosovarischen Kennzeichen durch Serbien grundsätzlich für eine positive Nachricht, sieht darin aber keinen Anlass für großen Optimismus, denn: "Es wurde etwas umgesetzt, was schon vor zehn Jahren vereinbart war!" Und weiter: "Mit der Umsetzung will Serbien die Aufmerksamkeit der EU kaufen und der Gefahr vorbeugen, dass dies Serbiens Mitgliedschaft in der EU gefährden könnte."

Es sei völlig übertrieben, von ein paar Buchstaben auf Autokennzeichen auf Entspannung zu schließen, meint auch der politische Aktivist Dejan Nedeljković, der die NGO "Green Heart" in Kosovo leitet: "Dies ist ein guter Schritt Serbiens – vor allem für die Kosovo-Albaner, zum Teil auch für die Serben." Aber: "Sich ohne Sticker auf Kennzeichen bewegen zu können, reicht bei weitem nicht für eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Belgrad und Pristina aus."

Podcast zu Annäherung von Kosovo und Serbien
Hält die Einigung für eine gute Nachricht, aber nicht mehr: Politikanalyst Gazmir Raci. Bildrechte: Vjosa Cerkini

Der serbische Journalist und politische Analyst Branislav Krstić, der in Nord-Mitrovica im Norden Kosovos lebt, sieht in der Einigung dagegen ein echtes Zeichen der Veränderung, und ist optimistisch, dass diesem ersten Schritt auf beiden Seiten viele weitere Folgen werden: "Bis September wird Serbien Kosovo anerkennen."

Autokennzeichen nur Teil des Problems

Hinter dem Konflikt um die Kfz-Kennzeichen steht die Weigerung Serbiens, Kosovo als unabhängigen Staat anzuerkennen. Belgrad bezeichnet Kosovo immer noch als seine abtrünnige Provinz mit temporärer eigener Verwaltung. Zudem sieht sich Belgrad als Hüter der Interessen der in Kosovo lebenden Serben, die im Norden des Landes über 90 Prozent der Bevölkerung stellen.

Daher weigert sich die serbische Regierung auch konsequent, die Hoheitszeichen des kosovarischen Staates anzuerkennen, und gab sogar eigene Nummernschilder für Orte, die in Kosovo liegen, heraus.

Podcast zu Annäherung von Kosovo und Serbien
Hofft auf eine Anerkennung Kosovos durch Serbien bis September: Branislav Krstić. Bildrechte: Vjosa Cerkini

Im Jahr 2021 begann der gerade erneut ins Amt gekommene Premierminister von Kosovo, Albin Kurti, die sogenannte Politik der Reziprozität umzusetzen. Von da an spiegelte die kosovarische Regierung alle serbischen Maßnahmen, die gegen Kosovo gerichtet waren. So wurde das, was für Kosovaren mit RKS-Kennzeichen bereits seit 2010 galt, ab September 2021 auch auf Serben angewendet: Bei der Einreise nach Kosovo mussten sie provisorische Kennzeichen kaufen.

Daraufhin eskalierte der Konflikt zwischen Serbien und Kosovo: Es gab Straßenblockaden, Truppen wurden an der kosovarischen Grenze zusammengezogen und Beobachter weltweit fürchteten ein erneutes Aufflammen der bewaffneten Kämpfe. Um das zu verhindern, wurden hektische Termine in Brüssel vereinbart, bei denen die EU beide Seiten zur Mäßigung aufrief.

Ein Mann überklebt etwas auf seinem Nummernschild
Grenze zwischen Kosovo und Serbien – bis vor Kurzem mussten Fahrer Nationalitätenkennungen ihrer Nummernschilder überkleben. Bildrechte: IMAGO/SNA

Die Kfz-Kennzeichen sind dabei nur der Stein des Anstoßes. Im Kern geht es um Selbstbestimmung: sowohl die Kosovos und der Kosovaren, als auch die der serbischen Minderheit in Kosovo. Oft genügt ein geringfügiger Anlass, damit die Gewalt eskaliert.

Magere Bilanz der EU-Diplomatie

Die bisherigen Vermittlungsversuche der EU haben nur wenig greifbare Ergebnisse gebracht. So haben Serbien und Kosovo unter EU-Vermittlung zwar 39 Punkte definiert, die gelöst werden müssen, um eine Normalisierung der Beziehungen zu erreichen. Sie stehen in den Abkommen von Brüssel und Ohrid vom März 2023. Der Kompromiss: Serbien gibt seine Blockadehaltung auf, damit Kosovo in internationalen Vereinigungen Mitglied werden kann. Im Gegenzug gewährt Kosovo seinen serbischen Gemeinden ein 'angemessenes Maß an Selbstverwaltung'.

Doch der Deal hat einen Haken: Er wurde nur mündlich vereinbart. Dazu kommt, dass beide Seiten von der jeweils anderen verlangen, bei der Umsetzung des ersten Schritt zu gehen. Das Resultat: Nichts passierte!

Mit der Anerkennung der Autokennzeichen ist nun einer der 39 Punkte erledigt. Für Ibush Sadriu, einen albanischen Serben aus Preševo in Süd-Serbien, ist das Leben dadurch etwas einfacher geworden. "Es war sehr schwierig", erinnert er sich. "Jedes Mal musste ich an der Grenze die Aufkleber anbringen und wieder abnehmen." Zu allem Überfluss fielen die Sticker bei Regenwetter ab. Wer aber ohne sie erwischt wurde, musste 60 Euro zahlen. "Du wurdest immer bestraft, wenn Du die Aufkleber verloren oder vergessen hast", erzählt Sadriu. Jetzt kann er das Geld sparen und muss nicht mehr bei jeder Fahrt nach Kosovo mit Stickern hantieren. Immerhin.

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Heute im Osten | 27. Januar 2024 | 07:17 Uhr

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