Bulgarien Billige Ukraine-Importe: Bulgariens Bauern protestieren
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06. Februar 2024, 09:49 Uhr
Um die Ukraine zu unterstützen, hat die EU vor über eineinhalb Jahren die Grenzen für ukrainische Getreideexporte geöffnet. Für bulgarische Landwirte ist das ein anhaltendes Problem, da sie mit der günstigeren Konkurrenz nicht mithalten können. Viele fürchten um ihre Existenz.
Nicht nur in Deutschland sind die Landwirte sauer auf ihre Regierung. Bereits im Frühherbst 2023 stiegen die Bauern in Bulgarien auf ihre Traktoren und fuhren von den Feldern zum Demonstrieren in Richtung Hauptstadt. Jetzt drohen sie wieder mit Protest. Kopfschmerzen bereiten ihnen die billigen Getreideimporte aus der Ukraine. Damit sind die bulgarischen Landwirte nicht allein – auch ihre Kollegen in Polen und im benachbarten Rumänien protestieren deswegen.
Grund für die billige Konkurrenz aus der Ukraine ist die Aufhebung von Einfuhrbeschränkungen und die Abschaffung von Zöllen durch die EU nach der russischen Invasion. Eigentlich geschah das, um ukrainisches Getreide schnell auf den Weltmarkt zu bringen und so die kriegsgeplagte ukrainische Wirtschaft zu unterstützen. Doch auf der Durchreise landet viel vom Weizen, dem Mais und den Sonnenblumenkernen auch in Osteuropa. Wie viel ukrainisches Getreide bisher in Bulgarien und den anderen Nachbarländern der Ukraine verkauft wurde, ist schwer nachzuvollziehen, denn die Verkäufe innerhalb der EU werden nicht statistisch erfasst.
Ungleiche Produktionsbedingungen wegen hoher EU-Standards
Dass die ukrainischen Landwirte gegenüber den bulgarischen Kollegen, insbesondere den Getreidebauern, Marktvorteile haben, lässt sich auch nicht von heute auf morgen ändern. Denn die Hauptursache für die höheren Preise der bulgarischen Produkte liegt in der EU-Mitgliedschaft, genauer in den unterschiedlichen Standards bei der Produktion. So dürfen die bulgarischen Bauern etwa nur umweltfreundlichen Dünger verwenden, durch den der Gehalt von Schadstoffen wie Phosphor, Stickstoff und Nitraten im Grundwasser verringert wird. Das ist allerdings teurer als konventionell zu düngen, wie es in der Ukraine möglich ist.
Wären es Ziegel oder Sand, würde ich sie einlagern und auf bessere Zeiten warten. Die Kühe werden aber heute gemolken und die Milch muss heute verkauft werden.
Abseits der hohen Kosten, die mit den EU-Standards zusammenhängen, weist Getreidebauer Ilija Prodanow noch auf einen weiteren Punkt hin: "Unsere Produktion hat sich seit Kriegsbeginn deutlich verteuert, weil auch die Preise für Düngemittel, Agrardiesel und Strom enorm gestiegen sind." Aber es sind nicht nur die Getreidebauern, sondern auch die Viehzüchter, die unter den gestiegenen Futterpreisen ächzen. "Wären es Ziegel oder Sand, würde ich sie einlagern und auf bessere Zeiten warten. Die Kühe werden aber heute gemolken und die Milch muss heute verkauft werden", stellt der Milchbauer Dimiter Nedew resigniert fest.
Osteuropäer fordern Lösung auf EU-Ebene
Angesichts der Bauernproteste sucht die Europäische Kommission derzeit unter anderem nach Wegen, wie sie die EU-Nachbarstaaten der Ukraine entlasten kann. So hat die EU Mitte 2023 fünf osteuropäischen Nachbarstaaten der Ukraine erlaubt, Einfuhrbeschränkungen zu verhängen, weil die Landwirte die Konkurrenz günstiger Agrarprodukte aus der Ukraine fürchten. Bulgarien war lange zurückhaltend mit der Ukraine-Unterstützung. Nachdem im Sommer aber die neue prowestliche Regierung in Sofia ans Ruder kam, ließ sie den fünfmonatigen Importstopp im September auslaufen und erneuerte ihn im Gegensatz zu Polen und Ungarn auch nicht.
Dagegen haben die bulgarischen Landwirte bereits im vergangenen Herbst einmal protestiert. Das Ergebnis zeigt sich jetzt: Bulgarien dringt zusammen mit Ungarn, Polen, Rumänien und der Slowakei darauf, Zölle und Kontingente für ukrainische Getreideimporte einzuführen. Brüssel solle Maßnahmen einleiten, "die die Märkte der an die Ukraine angrenzenden Mitgliedstaaten schützen und ihnen gleichzeitig helfen, ihr Exportpotenzial voll auszuschöpfen", so ihre Forderung in einem Brief an die EU-Kommission.
Zusätzliche Hilfen für die Bauern aus dem Staatshaushalt?
Parallel dazu diskutiert man in Bulgarien, was auf nationaler Ebene getan werden kann. "Wir haben drei Forderungen an die Regierung gestellt und warten ihre Reaktion ab, bevor wir wieder zum landesweiten Protest aufrufen", gab Ilija Prodanow, Vorsitzender des Verbands der Getreidebauern kürzlich nach Verhandlungen mit Regierungsvertretern bekannt. Neben anderen Sorgen gehe es den Getreidebauern vor allem um eine Entschädigung für die Verluste durch die billigen Importe aus der Ukraine. Im bulgarischen Staatsbudget seien jedoch aktuell keine zusätzlichen Mittel für die Unterstützung der Landwirte vorgesehen, so die Vorsitzende der bulgarischen Agrarkammer Swetlana Bojanowa. Lediglich in einem Nachtragshaushalt könnten sie eingeplant werden.
Pauschalen Zuschüssen steht der bulgarische Landwirtschaftsminister Kiril Watew allerdings skeptisch gegenüber. "Stattdessen würde ich lieber an Steuererleichterungen denken", sagte der Minister, räumte aber ein, diese Idee noch nicht mit dem Finanzminister besprochen zu haben. Auch müsse sichergestellt werden, dass etwaige Hilfen nicht gegen EU-Regeln verstoßen.
Kaum Erleichterungen aus Brüssel
Die bulgarische Regierung steht unter Druck, in Brüssel für die Bauern zu verhandeln, um ihnen ihre Existenzängste zu nehmen. Das Signal jedoch, das vergangene Woche nach Gesprächen aus Brüssel kam, dürfte die bulgarischen Bauernvertreter enttäuscht haben. "Die Getreideimporte aus der Ukraine nach Bulgarien sind nicht sonderlich gestiegen", kommentierte der bulgarische Regierungschef Nikolaj Denkow, nachdem die EU-Kommission beschlossen hatte, die Handelsbeschränkungen für die Ukraine um ein weiteres Jahr bis Juni 2025 aufzuheben. Ein Funken Hoffnung bleibt den unzufriedenen Bauern jedoch: Brüssel behält sich das Recht vor, die Notbremse zu ziehen, sollten die Einfuhren bestimmter Produkte, wie Hühnerfleisch, Eier und Zucker aus der Ukraine unverhältnismäßig ansteigen. Für die Getreideimporte, wegen der den Osteuropäern der Schuh drückt, gilt diese Regelung allerdings nicht.
MDR (usc)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 10. Februar 2024 | 07:22 Uhr