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Leihmutterschaft in der Ukraine: Nicht mehr lange legal

26. Juli 2018, 16:55 Uhr

Nachdem Indien und Thailand die kommerzielle Leihmutterschaft verboten haben, hat die Ukraine ihren Platz als "Babyfabrik" der Welt eingenommen. Doch nun soll auch hier dem Geschäft mit der Leihmutterschaft ein Riegel vorgeschoben werden: Zu oft sei diese Praxis für Kinderhandel missbraucht worden, bemängeln Politiker. Ein neuer Gesetzentwurf soll die Lage ändern.

Das waren harte Vorwürfe, die der ukrainische Staatsanwalt Jurij Luzenko Mitte Juli 2018 präsentierte: Kinderhandel durch Leihmutterschaft. Angeklagt wurde die Klinik für Reproduktionsmedizin BioTexCom. Sie soll eine Leihmutter für ein italienisches Paar engagiert haben. Allerdings war das Paar im Moment der Befruchtung weder in der Ukraine noch haben sie für das Verfahren ihr biologisches Material zur Verfügung gestellt. Als das Kind zur Welt kam, wurde es mit Hilfe von BioTexCom nach Italien gebracht. "Weil beim Kind weder väterliche noch mütterliche DNA der italienischen Eltern gefunden wurde, handelt es sich offensichtlich einfach um ein ukrainisches Kind", sagte Luzenko. BioTexCom hat für ihre Dienste 32.000 Euro erhalten, die vermeintliche Leihmutter bekam 6.000 Euro.

15 Jahre Haft für den Chefarzt?

Doch das ist offenbar kein Einzelfall. Die ukrainische Polizei hat darüber hinaus mehr als hundert weitere Leihmütter identifiziert, die mit BioTexCom zusammenarbeiteten. Aktuell beschäftigt sie sich mit 16 weiteren ausländischen Kunden der Klinik, die Kinder in ihre jeweiligen Heimatländer mitnehmen konnten. Das mittlerweile siebenjährige Kind des italienischen Paares indessen wurde aus der Familie entnommen und in einem Kinderheim untergebracht. Die beiden Eltern werden von der italienischen Justiz strafrechtlich verfolgt. Dem Chefarzt der Klinik drohen in der Ukraine bis zu 15 Jahre Haft. BioTexCom weist alle Vorwürfe zurück. Es stecke eine Verschwörung dahinter.

Seit sechs Jahren legal

Die kommerzielle Leihmutterschaft ist in der Ukraine erst seit 2012 erlaubt – und wird zunehmend von ausländischen Paaren in Anspruch genommen. Früher haben sie sich dafür vor allem nach Indien und Thailand gewandt, auch weil solche Dienste in diesen Ländern sehr günstig waren. Doch die beiden Länder haben die kommerzielle Leihmutterschaft für Ausländer mittlerweile verboten, was dazu führte, dass die Ukraine plötzlich zu einem der weltweit größten Zentren für Reproduktionsmedizin wurde.

Der erste Skandal ließ nicht lange auf sich warten: Bereits 2013 wurde einer Klinik aus Charkiw vorgeworfen, Kinder ins Ausland zu vermitteln, ohne die geltenden Gesetze zu beachten. Auch der Fall BioTexCom sorgt für viel Empörung in der ukrainischen Öffentlichkeit. Einige Medien bezeichnen die Klinik gar als "Hort des Bösen".

Leihmütter bekommen bis zu 15.000 Euro

Meistens ist es die schiere Not, die Frauen dazu treibt, Leihmütter zu werden. In der Ukraine kommen sie zum Großteil aus Dörfern und Kleinstädten in der Provinz, sind oft alleinerziehend und können die eigene Familie nur mit Mühe durchbringen.

So auch die 29-jährige Tetjana. Sie kommt aus einem Dorf im ostukrainischen Bezirk Charkiw, ist aber gerade in Kiew, wo sie ein fremdes Kind austrägt. Dem Sender BBC Ukraine erzählte sie ihre Geschichte, die nicht untypisch ist: "Ich habe drei eigene Kinder und möchte, dass sie beim Aufwachsen keine Geldsorgen haben. Eigentlich lebe ich mit meiner Mutter zusammen, sie weiß aber nicht, was ich in Kiew wirklich mache. Sie denkt, ich würde hier einfach Geld verdienen." Tetjana erzählt, sie fühle bereits, wie sich das Kind in ihrem Bauch bewegt: "Mental ist es extrem schwer, ich mache das aber für meine Familie."   

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Meist treibt die Not die Frauen dazu, sich als Leihmütter zur Verfügung zu stellen. Bildrechte: Colourbox.de

Zwischen 4.000 und 15.000 Euro bekommen die ukrainischen Leihmütter dafür, dass sie für ausländische Paare Kinder austragen. Ein enormer Anreiz bei einem durchschnittlichen Bruttolohn von umgerechnet 260 Euro im Monat. Über die Anzahl der Leihschwangerschaften gibt es zwar keine offizielle Statistik, Experten schätzen allerdings, dass es rund 500 Fälle jährlich gibt. Die Ukraine scheint auch deshalb attraktiv für ausländische Paare, weil das Land eine halbwegs solide medizinische Versorgung  sowie vergleichsweise günstige Preise aufweist.

Ukrainerinnen sind keine Inkubatoren

Doch schon bald könnte sich die Situation radikal ändern. Denn alarmiert von Fällen wie die der Klinik BioTexCom, wurde Mitte Juli 2018 ein Gesetzentwurf ins ukrainische Parlament eingebracht. Dieser sieht vor, dass Reproduktionstechnologien wie die Leihmutterschaft nur Ukrainern und Ausländern, die dauerhaft im Land leben, erlaubt sind. "Dass die Leihmutterschaft als Deckmantel für Kinderhandel missbraucht wird, ist eine Katastrophe. Es geht aber auch nicht, dass Ukrainerinnen von Ausländern als Inkubatoren genutzt und Kinder mit einem unklaren Rechtsstatus geboren werden", sagt Pawlo Ungurjan, einer der Autoren des neuen Gesetzentwurfes. Und weil das Vorhaben von Mitgliedern unterschiedlichster Parteien der Regierungskoalition unterstützt wird, ist es wahrscheinlich, dass das Gesetz durchkommt.


Aktuelle Gesetzeslage zur Leihmutterschaft Nach ukrainischer Gesetzgebung müssen Eltern, die eine Leihmutter in Anspruch nehmen, heterosexuell sein und beweisen, dass sie selbst keine Kinder haben können. Die Leihmutter muss zwischen 19 und 36 Jahre alt sein und mindestens ein eigenes Kind haben. Außerdem muss sie sowohl physisch als auch psychisch gesund sein. Nach der Geburt des Kindes dauert es noch einige Monate bis alle Papiere fertig sind und dieses zu seinen Eltern ins Ausland kann. Wesentlich ist dabei, dass beim Kind die DNA von mindestens einem der beiden Elternteile festgestellt wird.


Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im: TV | 02.07.2018 | 17:45 Uhr

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