Sommer, Sonne, Corona und Demos Bulgarien: Urlaub am Schwarzen Meer?

17. Juli 2020, 16:05 Uhr

Die Feriensaison beginnt. Ein beliebtes Reiseziel für Deutsche ist seit jeher die bulgarische Schwarzmeerküste. Nach der monatelangen Corona-Zwangspause geht es seit Anfang Juli auch von mitteldeutschen Flughäfen wieder nach Bulgarien. Und der Tourismus dort nimmt langsam an Fahrt auf. Doch jetzt steigen die Corona-Zahlen im Balkanstaat plötzlich an und die Bevölkerung im ärmsten Land der EU demonstriert seit mehr als einer Woche Abend für Abend gegen Korruption und die Regierung Borissow.

Menschen feiern 2015 den Sonnenaufgang des 1.Juli am Strand von Varna
Sommer, Sonne, Freiheit: Feiern am Strand von Varna. Bildrechte: imago images / ZUMA Press

Die Schwarzmeerküste ist die touristische Hochburg Bulgariens, 70 Prozent der Touristenunterkünfte befinden sich hier. Besonders der Sonnen- und der Goldstrand sind unter westeuropäischen Urlaubern sehr beliebt. Doch die Corona-Krise überschattet auch in Bulgarien das touristische Sommergeschäft ganz erheblich. Dazu kommen die seit mehr als einer Woche anhaltenden Proteste gegen die Regierung von Ministerpräsident Bojkow Borissow. 18.000 Menschen gingen am Donnerstag, bei der achten Demonstration in Folge, allein in Sofia auf die Straße.

Demonstranten werfen Borissow Korruption vor, die sich über seine drei Amtszeiten als Ministerpräsident ziehe. Sozialisten-Chefin Kornelia Ninowa warf dem Regierungschef, seiner Partei GERB und deren Koalitionspartnern vor, in den vergangenen zehn Jahren wie ein "mafiös-oligarchischer Ring" regiert zu haben. Die Demonstranten werfen Borissow zudem vor, er würde seine Landsleute zum Leben ins Ausland treiben. Seit 1990 haben inzwischen fast zwei Millionen Bulgaren ihr Heimatland verlassen, sagte Kulturhistoriker und Bulgarien-Experte Stefan Troebst der Osteuropa-Redaktion des MDR.

In Sofia aber auch in den Hafenstädten Warna und Burgas sowie in Plwodiw im Süden des Landes versammeln sich seit Donnerstag vergangener Woche Abend für Abend Tausende Demonstranten und forderten den Rücktritt von Borissow. Auslöser waren Razzien im Büro von Präsident Rumen Radew. Radew wird von den Sozialisten unterstützt, gilt als pro-russisch und ist ein vehementer Kritiker von Borissow. Bei den Razzien waren am 09. Juli ein Anti-Korruptionsbeauftragter und ein Sicherheitsberater des Präsidenten für Befragungen festgenommen worden. Ihre Büros wurden im Rahmen von zwei unterschiedlichen Ermittlungsverfahren wegen Korruption und wegen des Verrats von Staatsgeheimnissen durchsucht.

Rumen Radew, Präsident von Bulgarien
Bulgariens Präsident Rumen Radew Bildrechte: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

Hotels bis zu 50 Prozent belegt

Jeder zehnte Bulgare arbeitet in der Touristikbranche und der Sommer ist normalerweise Hochsaison, die Einnahmen finanzieren den Rest des Jahres. Bis vor wenigen Wochen sah es noch so aus, als würden dieses Jahr überhaupt keine Touristen nach Bulgarien kommen und die Hotels in der Sommersaison 2020 geschlossen bleiben. Doch seit Anfang Juli können Touristen wieder nach Bulgarien reisen. Von Normalität kann natürlich in den Zeiten der Pandemie keine Rede sein. Doch die Reservierungszahlen sind in den letzten zwei Wochen kontinuierlich gestiegen, die Hotels mittlerweile sogar bis zu 50 Prozent belegt. Die Touristen kommen vor allem aus Rumänien, Deutschland und Polen.

Mojito Bar am Goldstrand in Bulgarien, 2015
Typisch Goldstrand: Strohgedeckte Hütten und Sonnenschirme Bildrechte: imago images / Lars Berg

Günstiger Urlaub

Die Hotels am Schwarzen Meer bieten relativ soliden Komfort für wenig Geld. Das zieht vor allem junge Familien aus Westeuropa sowie Party-Touristen an. Doch auch Rumänen machen gern Urlaub an der bulgarischen Schwarzmeerküste – weil das Nachbarland relativ gut erreichbar ist. Von der rumänischen Hauptstadt Bukarest sind es mit dem Auto nur knapp vier Stunden bis ans Meer. Bulgarien wurde bislang vergleichsweise schwach vom Coronavirus getroffen. Dennoch bleiben in diesem Jahr am Goldstrand rund die Hälfte der Hotels geschlossen. Und gerade meldet Bulgarien steigende Zahlen von Corona-Infizierten.

Wie sicher ist Bulgarien?

Stand 17.07. meldet Bulgarien 8.144 Fälle von Covid-19, mit 293 Todesfällen. Deutschland meldet zum selben Zeitpunkt 200.843 Erkrankungen mit 9.082 Verstorbenen. Damit liegt die Zahl der Covid-19-Erkrankten in Bulgarien bezogen auf die Gesamtbevölkerung um die Hälfte niedriger als in Deutschland. Doch seit rund vier Wochen steigen die Zahlen der Neuinfektionen drastisch. Mitte Juni waren es noch 550 Neuinfektionen pro Woche, Mitte Juli registriert das Europäische Zentrum für Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) für Bulgarien 1.180 Neuinfektionen pro Woche. In Deutschland waren es im Vergleichszeitraum 2.287 Neuinfektionen.

Mannschaft Lokomotive Plovdiv
1. Juli 2020 Sofia: Das Team von Lokomotive Plowdiw feiert den Sieg im Bulgarien-Cup gegen ZSKA Sofia. Am 5. Juni hatte der bulgarische Profifußball seinen Spielbetrieb wieder aufgenommen. Hier waren Zuschauer beim Spiel noch erlaubt, offiziell durfte nur ein Drittel der Plätze belegt werden. Die letzten Spiele der Meisterschaft finden nun ohne Zuschauer statt. Bildrechte: imago images/Aleksandar Djorovic

Aufgrund der gestiegenen Infektionszahlen hatte die bulgarische Regierung am Freitag (10.07.) bereits aufgehobene Einschränkungen wieder eingeführt. Diskotheken, Bars und Nachtclubs, die wochenlang ohne Auflagen geöffnet hatten, mussten wieder schließen. Doch nach einem Treffen von Branchenvertretern mit dem Gesundheitsministerium wurden diese Einschränkungen zwei Tage später bereits wieder aufgehoben. Nachtbars dürfen also wieder öffnen. Fußballspiele und andere Sportveranstaltungen dürfen dagegen nur ohne Publikum ausgetragen werden. Restaurants dürfen ihre Gäste lediglich im Freien und bei Gewährleistung eines Mindestabstands empfangen. Es besteht Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr, in Apotheken und anderen geschlossenen Räumen.

Das bulgarische Gesundheitsministerium zeigte sich besorgt über die Zuspitzung der Corona-Lage. Regionale Schwerpunkte für Covid-19-Erkrankungen sind nach Angaben des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik die Hauptstadt Sofia und Plowdiw im Süden des Landes.

Was zu beachten ist

Der Mund-Nasen-Schutz ist seit dem 22. Juni in geschlossenen, gemeinschaftlich genutzten Räumen Pflicht, etwa in Geschäften, Banken, Behörden und natürlich auch im Parlament des Landes. Vielerorts wird aber kaum kontrolliert, ob die "drei D: Disziplin, Desinfektion und Distanz" auch wirklich eingehalten werden. Die Bulgaren gelten diesbezüglich als wenig einsichtig - sie halten sich einfach nicht an die erlassenen Vorschriften. "Selbstdisziplin ist nicht unsere stärkste Eigenschaft", klagte dieser Tage selbst Bulgariens Ministerpräsident Bojko Borissow.

Der Chef der Notfallklink in Sofia, Assen Baltow, warnte unterdessen, dass die Proteste der Bevölkerung "mit Sicherheit zum Anstieg der Coronavirus-Fälle" führen würden - vor dem Hintergrund der aktuell in Bulgarien ohnehin stark steigenden Corona-Zahlen.

Halbierter Mehrwertsteuersatz

Für Bulgariens Gastronomie gilt seit Anfang Juli ein halbierter Mehrwertsteuersatz von neun Prozent. Die Neuregelung ist als Unterstützung der wegen der Corona-Krise angeschlagenen Branche gedacht. Für Speisen und Getränke zum Mitnehmen und für Lieferservice wird aber kein niedrigerer Steuersatz gewährt. Auch für alkoholische Getränke, die in Restaurants serviert werden, soll die Mehrwertsteuer unverändert 20 Prozent betragen.

Flüge nach Bulgarien

Seit Anfang Juli fliegen wieder Charterflieger aus Westeuropa an die bulgarische Schwarzmeerküste. Es sind natürlich viel weniger als beispielsweise noch im vergangenen Jahr. Flüge nach Bulgarien werden mittlerweile auch wieder von zwei mitteldeutschen Flughäfen angeboten. Von Dresden fliegen etwa vom 18. Juli bis zum 26. September regelmäßig Maschinen ans Schwarze Meer, nach Varna und Burgas. Vom Flughafen Leipzig/Halle kann man zudem vom 26. Juli bis zum 11. Oktober relativ regelmäßig nach Burgas fliegen.

sl/hd

Dieses Thema im Programm: MDR Aktuell TV | 17. Juli 2020 | 17:45 Uhr

Ein Angebot von

Mehr aus Land und Leute

Mehr aus Osteuropa

Nachrichten

Soldaten der 24. Mechanisierten Brigade installieren Panzerabwehrminen und nicht explosive Hindernisse entlang der Frontlinie in der Nähe der Stadt Chasiv Yar. mit Audio
Soldaten der 24. Mechanisierten Brigade installieren Panzerabwehrminen und nicht explosive Hindernisse entlang der Frontlinie in der Nähe der Stadt Chasiv Yar. Bildrechte: picture alliance/dpa/Ukrainian 24th Mechanised Brigade via AP | Oleg Petrasiuk