Russland Ein Jahr nach Umweltkatastrophe: Norilsk bleibt dreckig

29. Mai 2021, 14:41 Uhr

Im Mai 2020 ereignete sich in der Nähe der Stadt Norilsk in Sibirien eine schwere Umweltkatastrophe, als ein Tank der Firma "Norilsk Nickel" barst und über 20.000 Tonnen Diesel in die sibirische Tundra flossen. Ein Jahr später ist keiner der Verantwortlichen verurteilt. Und bei vielen Russen ist die dreckigste Stadt der Welt nach wie vor ausgesprochen beliebt, weil man dort so gut verdienen kann.

Es geschah am 29. Mai 2020: Aus einem maroden Tank der Firma "NorNickel" nahe der sibirischen Stadt Norilsk liefen mehr als 20.000 Tonnen Dieselöl aus. Der Fluss Ambarnaja sowie der 70 Kilometer lange Pjasino-See wurden großflächig verschmutzt. Die Ölflecken in der Tundra waren selbst aus dem All zu sehen.

Ermittlungen gegen Manager und den Bürgermeister von Norilsk

Nur wenige Tage nach der verheerenden Umweltkatastrophe wurde bereits gegen den Bürgermeister von Norilsk wegen des Verdachts der Fahrlässigkeit ermittelt. Bürgermeister Rinat Achmetschin habe "nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um auf die Notfallsituation zu reagieren und mit den Konsequenzen umzugehen", erklärte das russische Ermittlungskomitee damals. Verurteilt ist er bis heute jedoch nicht. Außerdem waren vier leitende Angestellte der Firma "NorNickel" verhaftet worden. Ihnen wurde vorgeworfen, dringend notwendige Reparaturen an dem Treibstofftank nicht ausgeführt zu haben. Doch auch sie wurden bislang nicht verurteilt.

Die Aufräumarbeiten, an denen knapp 700 Arbeiter mit 270 Fahrzeugen, elf Schiffen und drei Hubschraubern beteiligt waren, zogen sich über Monate hin.

Aufräumarbeiten im Lager 2 min
Bildrechte: imago images/ITAR-TASS
2 min

Die Umweltkatastrophe von Norilsk hat drastische Auswirkungen für die Umwelt. Der ausgelaufene Diesel breitet sich trotz Eindämmungsversuchen weiter aus.

Fr 12.06.2020 10:29Uhr 01:32 min

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Die schmutzigste Stadt der Welt

Norilsk, in der sibirischen Tundra gelegen, ist die nördlichste Großstadt der Welt. Bis tief in den Mai hinein ist alles gefroren und an den Straßenrändern liegen meterhohe Schneeberge. Norilsk aber hält noch einen weiteren Rekord – die Stadt mit ihren knapp 200.000 Einwohnern gilt auch als eine der dreckigsten weltweit. Doch trotz der katastrophalen Umweltsituation steigt die Einwohnerzahl stetig an. Vor allem Familien aus dem ärmeren Süden Russlands ziehen nach Norilsk. Es hat sich herumgesprochen, dass man in der Stadt im äußersten Norden viel verdienen kann. Und so herrscht nach wie vor eine regelrechte Goldgräberstimmung.

In Norilsk wird gut verdient

"Man kann in Norilsk viel verdienen, sich danach irgendwo eine Wohnung kaufen und dann unabhängig leben", sagt Jurij Swatkow, der in Norilsk lebt. "Deswegen kommen alle her." Jurij Swatkow verdient etwa dreimal so viel wie andernorts in Russland. Er arbeitet in einer der gigantischen Fabriken von "NorNickel". Die Firma ist der weltweit größte Förderer von Nickel und Palladium und erarbeitet etwa anderthalb Prozent des russischen Bruttoinlandsprodukts. Der Betrieb ist der wichtigste Arbeitgeber der Stadt. "Norilsk ohne 'NorNickel' gibt es nicht – beides ist untrennbar miteinander verbunden", erklärt Bürgermeister Sergei Schmakow. "Zunächst gab es hier nur den Betrieb 'NorNickel' – da wurde gebohrt, Metall gefördert und unserem Land gedient. Erst danach ist die Stadt entstanden."

In Norilsk sieht man, was man atmet

Dem vielen Geld und den stabilen Arbeitsplätzen steht die verheerende Umweltsituation gegenüber. Die Öl-Katastrophe des vergangenen Jahres wurde weltweit beachtet, ist jedoch nicht einmalig gewesen. Der Umweltschützer Wasilij Rjabinin hat auch sonst viel zu beanstanden: "Wir haben den Scherz – bei uns siehst du, was du atmest. Das stimmt wirklich. Es ist zwar nicht jeden Tag so, aber auf der Lenin-Straße siehst du tatsächlich Schatten in der Luft."

Keine Umweltprogramme für Norilsk

Die Stadt erstickt im Rauch der Fabriken – Seen und Wälder sind verseucht. Der größte Arbeitgeber der Stadt hat bereits Umweltprogramme gestartet. Eine echte Wende ist von dem Industrie-Riesen aber kaum zu erwarten. "Die Firma NorNickel ist in ökologischen Fragen sehr verschlossen und es gibt keinerlei Programme oder Kontrollen, außer denen von NorNickel selbst", sagt der Umweltschützer.

Präsident Putin: Geld in Umweltschutz investieren

Das schwerreiche Unternehmen musste freilich 1,6 Milliarden Euro Strafe zahlen. Präsident Wladimir Putin forderte im März 2021: "Dieses Geld muss in den Umweltschutz in der Region um Norilsk investiert werden." Darüber hinaus will das Unternehmen mit insgesamt einer Milliarde Euro städtische Entwicklungsprogramme in Norilsk finanzieren.

Eine weitere katastrophale Entwicklung mit unabsehbaren Folgen deutet sich an: das Verschwinden des Permafrostbodens. Die globale Erwärmung weicht die sonst stets gefrorenen Böden der russischen Arktis auf und es kommt zu Lecks beispielsweise an Dieseltanks. Es kann nach Einschätzungen von Umweltorganisationen wie Greenpeace auch weiter zu Umweltkatastrophen dieser Art kommen.

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Heute im Osten | 28. Mai 2021 | 17:45 Uhr

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