Tschechien Prag: Wie die Corona-Pandemie Mieter glücklich macht
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15. April 2020, 11:46 Uhr
Prag wirkt seit Wochen wie ausgestorben. Die Touristenströme sind versiegt, die Geschäfte mit Airbnb-Wohnungen auch. Plötzlich können Prager wieder Wohnungen in bester Lage zu bezahlbaren Preisen mieten.
In Prag war es in den vergangenen Jahren wie in nahezu allen Metropolen der Welt für Einheimische zunehmend schwierig, eine bezahlbare Wohnung in guter Lage zu finden. Das hatte vor allem mit den rund acht Millionen Touristen zu tun, die Jahr für Jahr die tschechische Hauptstadt besuchen. Viele Wohnungseigentümer machten glänzende Geschäfte mit kommerziellen Plattformen wie Airbnb. Damit ist nun Schluss. Vielleicht sogar für richtig lange. Denn die Regierung in Prag will die Grenzen womöglich erst in zwei Jahren wieder öffnen. Für Vermieter wie František Petrouš ist das ein Problem. Denn auch in seinen fünf Mietwohnungen verbrachten ausschließlich Touristen schöne Tage in Prag. Bis zu 20.000 Euro Monatsumsatz machte Petrouš so im Schnitt. Nun muss er umdisponieren und sucht jetzt nach "normalen Mietern". Seine Chancen schätzt er ziemlich realistisch ein: "Ich hoffe jetzt, dass ich meine Wohnungen langfristig vermieten kann. Aber auch das wird schwierig, weil – das wollen doch jetzt viele."
Des einen Leid, des anderen Freud
Prags Oberbürgermeister Zdeněk Hříb macht keinen Hehl daraus, dass ihn die Situation auf dem Wohnungsmarkt freut. Ihm waren die AirbnB-Wohnungen schon lange ein Dorn im Auge. Keiner wisse, wie lange es jetzt nicht möglich sein wird zu reisen, meint er. Aber schon jetzt zeige sich, dass man als Wohnungssuchender in Prag auf einmal wieder eine gute Wohnung an einer guten Adresse mit hübschen Ausblick finden könne, weil Airbnb nicht mehr funktioniere.
Teilweise um ein Drittel sind die Mietpreise im Prager Zentrum in wenigen Wochen gefallen. Eine Wohnung am Altstadtring findet man nun schon für zehn Euro pro Quadratmeter. Vor Corona war das undenkbar. So wird die Krise zur Chance für die Prager auf eine Wohnung im Herzen ihrer Hauptstadt.
Win-Win-Situation: Obdachlose im Hostel
Und noch eine Klientel freut sich derzeit in Prag über unverhofften Wohnungssegen: die Obdachlosen. Da auch für sie die Ausgangsbeschränkungen gelten, bringt sie die Prager Stadtverwaltung derzeit in Hostels unter. Eines der Häuser, das Bohemian Hostel, hat die Heilsarmee im Auftrag der Stadt umgerüstet. Statt Backpacker wohnen nun 55 Obdachlose dort. 300 Euro pro Person zahlt die Stadt pro Monat für die Unterbringung. Für die Hotels ein annehmbares Geschäft. Denn das Ausbleiben der Touristen ist auch für sie existenzbedrohend, sagt Babeta Schneiderová vom Bohemian Hostel: "Tausende Angestellte wurden Ende März in der Hotelbranche entlassen. Das ist ein Desaster. Alle Hotels, Restaurants hier kämpfen mit der Insolvenz – kämpfen ums Überleben."
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 11. April 2020 | 11:15 Uhr