Winterdienst in Polen Krakau: Kaffeesatz statt Streusalz
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15. Februar 2021, 12:47 Uhr
Wie wird man im Winter mit vereisten Wegen fertig? Mit Salz oder Splitt, werden viele sagen. Wie wäre es aber mit Kaffeesatz? Damit experimentiert aktuell die Stadt Krakau in Polen. Die Idee hat man dort vom westukrainischen Lwiw übernommen.
Dieser Tage ist in manch einem Park der Stadt Krakau ein ungewöhnliches Bild zu beobachten: Mitarbeiter des städtischen Winterdienstes sind unterwegs und bestreuen die Wege mit einem dunkelbraunen Pulver. Erst bei genauerem Hinsehen wird klar, um was es sich dabei handelt: Es ist Kaffeesatz! Und er wird hier statt Streusalz und Sand eingesetzt, um die Wege rutschfest zu machen.
Große Resonanz in Krakau
Die Initiative kommt vom Amt für Stadtgrün. Dessen Mitarbeiter sammeln den Kaffeesatz bei den Cafés der Stadt ein und verteilen ihn auf speziell gekennzeichneten Flächen in Parks – so sollen Spaziergänger über die Aktion informiert werden und sich entscheiden können, ob sie auf Kaffeesatz laufen wollen oder nicht.
Der Satz wird von Krakauer Kaffeehäusern kostenlos zur Verfügung gestellt. Mehr als 50 von ihnen haben sich für das Projekt angemeldet. "Die Resonanz übertraf unsere Erwartungen, und wir freuen uns umso mehr über die Beteiligung an der Idee, da sie eine Diskussion über Zero Waste, Ökologie und Wiederverwendung entfachte", wird Katarzyna Przyjemska-Grzesik, Leiterin des Teams "Krakau im Grünen" beim Amt für Stadtgrün in den lokalen Medien zitiert.
Lwiw macht es vor
Die Idee habe man von Lwiw übernommen. Die westukrainische Stadt gilt als Kaffeemekka und die dortigen Stadtbehörden sind schon seit ein paar Wochen dabei, Wege im Stadtpark mit Kaffeesatz zu streuen. Die Beraterin des Lwiwer Bürgermeisters, Irina Orschak, verweist auf Erfahrungen aus skandinavischen Ländern und meint: "Die Bürger von Lwiw trinken gern Kaffee und es gibt ein großes Netzwerk von Kaffee-Bars in der Stadt. Also kam uns die Idee, das auszuprobieren."
20 Kilogramm Kaffeesatz kommen in Lwiw auf 200 Meter Parkwege. Irina Orschak ist überzeugt, dass das neue Streugut dem Boden nicht schadet. Im Gegenteil hofft man, dass das dunkle Pulver bei Sonnenschein die Wärme aktiver speichern wird und so dazu beitragen könnte, das Eis auf den Gehwegen abzutauen.
Keine Nachteile in Sicht
Die Lwiwer Anwohner zeigen sich in den sozialen Netzwerken großteils begeistert. "Super Idee", heißt es etwa auf Facebook. "Schadet auch den Hundepfoten nicht so sehr wie Salz." Ein anderer Nutzer scherzt: "Und wenn man doch ausrutscht und fällt, kann man noch am Eis lecken." Der einzige Vorbehalt: Färben mit Kaffeesatz bestreute Wege auf weißen Turnschuhen ab?
Auch in Krakau hat man vor allem die Vorteile im Blick. Die Stadt verbraucht etwa 75-80 Tonnen Sand und Streusalz pro Woche, um die Gehwege in schneereichen Wintern zu bestreuen. Dabei beschädigt das Salz Pflanzen, Pflastersteine und vor allem die Schuhe der Fußgänger. Da liegt es nahe, eine neue, ökologische und kostengünstigere Methode zu testen. Denn Kaffeesatz kann auch im Garten als Dünger verwendet werden, es ist ein ökologisches Material. Die geringe Menge, die im Verhältnis zur Oberfläche aufgetragen wird, sollte den Zustand der Pflanzen in keiner Weise negativ beeinflussen, heißt es von den Behörden. Krakau plant, auf den ausgewiesenen Teststrecken im Frühjahr Bodenuntersuchungen zu machen, um jeden Zweifel auszuräumen.
Eine Idee mit Nachahmungspotential
Außerdem baut Katarzyna Przyjemska-Grzesik vom Stadtgrünamt auch auf eine soziale und wirtschaftliche Komponente der Aktion. In Zeiten von Corona geht es vielen Cafés in Polen wirtschaftlich schlecht. "Wir hoffen, dass unsere Aktion auch die Einwohner motiviert, in den Krakauer Cafés Kaffee zu kaufen und sie an die Situation der Betreiber in dieser schwierigen Zeit erinnert", sagt sie.
Die Idee kommt auf jeden Fall gut an und findet immer neue Nachahmer. Im Warschauer Bezirk Ursynów rief der stellvertretende Bürgermeister zum Kaffeesatz-Sammeln und -Streuen auf. Das Rathaus des Viertels ging auch schon mit gutem Beispiel voran und streute seinen Vorplatz mit feinstem Kaffeesatz aus der Nachbarschaft.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Extra | 09. Februar 2021 | 19:50 Uhr