Politisches Klima Landkreis Sonneberg laut Ezra neuer Schwerpunkt rechtsextremer Gewalt
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10. April 2024, 15:38 Uhr
Laut der neuen Jahresbilanz der Opferberatung Ezra haben sich die Fälle von rechtsextremer Gewalt im Kreis Sonneberg 2023 verfünffacht. Als Ursache werden das politische Klima im Kreis und das Erstarken der AfD genannt.
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Der Landkreis Sonneberg ist laut Opferberatung Ezra ein neuer Schwerpunkt rechtsextremer Gewalt in Thüringen. Das geht aus der neuen Jahresbilanz hervor, die die Anlaufstelle in Erfurt vorgestellt hat. Mit 20 rechtsextremen Angriffen - sechzehn mehr als im Vorjahr - liegt der Landkreis Sonneberg in der Gewaltstatistik der Opferberatung für 2023 auf Platz zwei hinter Erfurt.
Zu den Vorfällen zählen auch Überfälle auf eine Unterkunft für Geflüchtete, Attacken auf Flüchtlingskinder und Steinwürfe auf politische Gegner.
Ezra: AfD-Präsenz führt zu mehr rechtsextremer Gewalt
Für den Anstieg machen die Ezra-Berater in erster Linie das politische Klima im Landkreis Sonneberg durch das Erstarken der AfD verantwortlich. Mehr als die Hälfte der Wählerinnen und Wähler hatten bei der Landratswahl 2023 ihr Kreuz bei der AfD gemacht, seitdem regiert dort Robert Sesselmann als erster AfD-Landrat deutschlandweit. Wissenschaftliche Studien belegten, dass sich rechte Gewalttäter dadurch in ihren Taten legitimiert fühlten, sagte Ezra-Geschäftsführer Franz Zobel.
Landesweit gab es der Statistik zufolge knapp 150 rechtsextreme Angriffe, das sind 40 weniger als im Jahr zuvor. Laut Zobel ist das jedoch kein Grund zur Entwarnung. Denn rechtsextreme Gewalttaten würden oft im Umfeld von Aufmärschen und Demonstrationen verübt. 2022 sei im Zuge von Protesten gegen die Corona-Politik besonders stark im rechtsextremen Milieu mobilisiert worden - und folglich habe es damals auch mehr Angriffe im Umfeld solcher Demonstrationen gegeben.
Mit dem Ende der Pandemie und den damit verbundenen Auflagen sei auch die rechtsextreme Mobilisierung zurückgegangen und damit auch die Angriffszahlen.
Die Opferberatung Ezra und ihre Statistik - Zum Aufklappen
Die Opferschutzorganisation Ezra ist auf die Beratung von Menschen spezialisiert, die aus rechtsextremen Motiven heraus angegriffen wurden. Getragen wird die Organisation von der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. In ihre Statistik beziehen die Berater sowohl Fälle ein, in denen sich die Betroffenen selbst an Ezra gewandt haben, als auch solche Fälle, über die zum Beispiel in den Medien berichtet wurde.
Kriminalstatistik verzeichnet ebenfalls Anstieg politisch motivierter Straftaten
Laut polizeilicher Kriminalstatistik wurden 2023 thüringenweit mehr als 3.000 politisch motivierte Straftaten erfasst - davon rund 1.800 im Bereich Rechtsextremismus. Das bedeutet einen weiteren Anstieg solcher Straftaten: 2022 waren es noch gut 1.500 Fälle. Auch der Bereich Linksextremismus hat weiter zugenommen. Die Ermittler registrierten 444 Fälle im vergangenen Jahr. 2022 waren es rund 350.
Bei der politischen Kriminalität sind laut Innenministerium mit etwa 1.100 registrierten Fällen die "Propagandadelikte" am stärksten gestiegen - um etwa 200. Dabei geht es vor allem um das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger und terroristischer Gruppen sowie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
Zurückgegangen ist in Thüringen die politisch motivierte Gewaltkriminalität. Wurden 2022 noch über 260 Fälle gezählt, waren es im vergangenen Jahr rund 100 Fälle weniger. Aus der Anfang der Woche veröffentlichten polizeilichen Kriminalstatistik geht auch ein Anstieg der Delikte mit ausländischen Straftätern hervor.
Thüringer Politikerinnen: Ezra-Statistik ist alarmierend
Die Linken-Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss bezeichnete die veröffentlichte Statistik der Opferberatung Ezra als alarmierend. Es sei erschreckend und nun schwarz auf weiß zu sehen, dass dort, wo die AfD hohe Zustimmungswerte erhalte und den Landrat stelle, die größte Zunahme an rechtsextremer und rassistischer Gewalt zu verzeichnen sei. Es brauche ein klares gesellschaftliches und parteiübergreifendes Bekenntnis für die Grund- und Menschenrechte und gegen Rassismus.
Ähnlich äußerte sich der SPD-Politiker Denny Möller. Egal ob in Sonneberg oder anderswo, es brauche ein breites Bündnis demokratischer Akteure, die sich dieser Stimmung entgegenstellen. Kein Betroffener solle sich allein gelassen fühlen, so Möller.
Auch Madeleine Henfling von den Grünen bezeichnete es alarmierend, dass Sonneberg erstmals mit 20 Fällen rechtsextremer Gewalt präsent ist. Perspektivisch brauche es eine finanzielle Aufstockung bei Ezra, um die benötigten zwei Beratungsstellen zu ermöglichen. Ebenso sei der Ausbau der Antidiskriminierungsarbeit im ländlichen Raum unabdingbar.
MDR (ost), dpa
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 10. April 2024 | 12:00 Uhr
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