Ein nebeliger Waldweg.
Allein, um einen solchen Weg zu reparieren, müsse man manchmal mit mehr als 100 Eigentümern reden, sagt der Revierförster. Bildrechte: MDR THÜRINGEN JOURNAL

Eigentum verpflichtet Wem der Wald in Thüringen gehört und welche Probleme das macht

19. August 2023, 21:03 Uhr

Einer der größten Privatwaldbesitzer Thüringens, Michael-Benedikt Prinz von Sachsen-Weimar-Eisenach, verkauft den Zillbacher Forst an die Schweizer Post. Bleibt die Frage: Wem gehören eigentlich die Wälder im Freistaat?

Gefühlt ist der Wald für uns alle da. Wie selbstverständlich gehen wir spazieren, wandern oder radeln. Wir sammeln Pilze und Beeren, aber wer ist eigentlich verantwortlich für den Wald? Und wem gehört er?

Etwa 40 Prozent der Waldfläche in Thüringen sind nach Angaben des Forstministeriums in Privatbesitz. Weitere 40 Prozent gehören dem Land, 16 Prozent den Kommunen und vier Prozent dem Bund.

Viele private Waldeigentümer in Thüringen wissen aber gar nicht, dass sie Wald besitzen. "Das liegt daran, dass in Thüringen das Waldeigentum nie geklärt wurde", sagte Matthias Pfannstiel, Vorsitzender des Thüringer Waldbesitzerverbandes. Dieses Problem kennen laut Pfannstiel alle neuen Bundesländer.

Erschwerend kommt hinzu: Der größte Anteil des Privatwaldes – insgesamt rund 131.000 Hektar – sind aufgeteilt in Flächen unter 20 Hektar. 14.000 Hektar sind auf die Größenklasse zwischen 20 bis 50 Hektar verteilt.

Der Kleinprivatwald umfasst mit insgesamt 145.000 Hektar etwa zwei Drittel des gesamten Privatwaldbesitzes. Der Mittlere Privatwald verteilt sich auf etwa 80.000 Hektar.

Zum Aufklappen: Wie ist der Waldbesitz genau aufgeteilt?

Gesamtwaldfläche: 550.000 Hektar
Waldbesitzende: rund 180.000

Struktur des Privatwaldbesitzes:

  • Bewirtschaftung von unter 20 Hektar: etwa 131.000
  • Bewirtschaftung von 20 -50 Hektar: 14.000 Hektar
  • Bewirtschaftung von 50 - 100 Hektar: 12.600 Hektar
  • Bewirtschaftung von 100 - 200 Hektar: 12.800 Hektar
  • Bewirtschaftung von 200 - 500 Hektar: 14.500 Hektar
  • Bewirtschaftung von 500 - 1000 Hektar: 12.600 Hektar
  • Bewirtschaftung von über 1.000 Hektar: 27.500 Hektar

Die ungeklärten Eigentumsverhältnisse machen laut Pfannstiel enorme Probleme. Die Borkenkäferkatastrophe habe das deutlich gezeigt. "Weil keine Eigentümer ermittelt werden konnten, sind die vom Käfer befallen Bäume zu spät aus dem Wald gekommen."

Zwar gebe es als Notlösung die sogenannte Ersatzvornahme. "Aber die ist ein bürokratisches Monster, dadurch dauert es viel zu lang, bis eingegriffen werden kann."

Pfannstiel nutzt gern den Vergleich mit der Feuerwehr. "Wenn der Wald brennt, geht die Feuerwehr auch rein, um zu löschen. Und erst hinterher wird gefragt, was es kostet."

Was bedeutet "Ersatzvornahme"? Als Ersatzvornahme wird es bezeichnet, wenn eine notwendige (geschuldete) Handlung von einem Dritten anstelle des zur betreffenden Handlung Verpflichteten vorgenommen wird. Hier wäre das der Waldbesitzer.
Die diesbezüglichen Kosten fallen zu Lasten des eigentlichen Handlungspflichtigen. Anwendung findet die Ersatzvornahme vor allem im Baurecht sowie im Vollstreckungs- und Verwaltungsrecht.

So stelle er sich das auch beim Kampf gegen den Borkenkäfer vor. Gleichzeitig deutet er auf eine große kahle Fläche im Wald bei Floh-Seligenthal. Hier standen einmal 100 Jahre alte Fichten. Von denen ist nichts mehr übrig und die kleinen Waldbesitzer stehen vor dem Nichts.

Um den Privatwaldbesitzern zu helfen, hat das Land das "Programm zur Bewältigung der Folgen von Extremwetterereignissen im Wald" aufgelegt. Allein für 2023 stehen fast 23 Millionen Euro bereit.

Das Förderprogramm ist aktuell auch überarbeitet und bis 2025 verlängert worden. "Wir stehen da tatsächlich in engem Kontakt mit dem Ministerium", sagt Matthias Pfannstiel. Einiges habe sich auch schon zum Besseren gewendet. Trotzdem seien die Hürden für die Antragsteller immer noch zu hoch.

"Ohne unseren Revierförster und das Forstamt würde gar nichts gehen", sagt Siegfried Menz. Er ist Vorsitzender der Forstbetriebsgemeinschaft Bauernwald Seligenthal, in der sich die Waldbesitzer zusammengeschlossen haben. "Haben Sie schon mal versucht, so einen Antrag auszufüllen? Das versteht kein Mensch und viele wollen deshalb mit ihrem Wald auch gar nichts mehr zu tun haben."

Fördermittel an Situation anpassen

Hinzu komme noch die Angst, dass Fördermittel möglicherweise wieder zurückgezahlt werden müssen. Wenn etwa bei der Wiederaufforstung die jungen Bäumchen in der Hitze alle eingehen. Pfannstiel fordert, dass die Förderungen noch mehr auf die privaten Waldbesitzer zugeschnitten werden.

Eine Art Flächenprämie wie es in der Landwirtschaft gängig ist, wäre aus seiner Sicht eine viel bessere Lösung. Vor allem hätten die Waldbesitzer mehr Sicherheit. Und ganz wichtig: Die Fördergelder müssten auch in den kommenden Jahren in gleicher Höhe fließen. Am allerwichtigsten aber sei, dass endlich die Eigentumsverhältnisse im Wald geklärt werden.

Durch die Erbfolge werden ohnehin schon kleine Waldstücke unter sechs - sieben Erben aufgeteilt. "Manche sind in Berlin, manche sonst irgendwo", klagte Siegfried Menz. "Ohne Eigentumsnachweis können wir aber keine Förderanträge stellen."

Genau aus diesen Gründen hat laut Menz die benachbarte Forstbetriebsgemeinschaft Hohleborn aufgegeben. Die Waldfläche vegetiert vor sich hin. Und wenn dort der Käfer zuschlägt, muss eine Ersatzvornahme her. Doch bevor die durchgesetzt ist, kann es wieder einmal zu spät sein.

MDR (gh)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 19. August 2023 | 19:00 Uhr

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