Blut, Keime und Ungeziefer Tatortreinigerin: "Der Geruch ist längst nicht das Schlimmste"
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15. Juni 2024, 18:13 Uhr
Wenn Menschen unbemerkt sterben, ist die Reinigung des Ortes, an dem sie schließlich aufgefunden werden, oft nicht einfach. Deshalb gibt es auch in Thüringen Unternehmen, die sich genau darauf spezialisiert haben. Die Tatortreiniger.
Getrocknetes Blut auf dem Teppich, ein Sofa, durchtränkt mit Körperflüssigkeiten - Fundort einer Leiche, die über mehrere Tage unentdeckt geblieben ist. "Der Geruch ist längst nicht das Schlimmste" sagt Bernadeta Lotze, seit zehn Jahren Tatortreinigerin in Zella-Mehlis.
Alle Spuren des Geschehens müssen verschwinden
Tatortreiniger sind spezialisierte Gebäudereiniger, die von Wohnungsbesitzern, Hausverwaltungen, Hotels und anderen beauftragt werden, um nach einem Gewaltverbrechen, einem Unfall, einem Suizid oder auch einem natürlichen Todesfall die Spuren am Ort des Geschehens zu beseitigen.
Das umfasst eine vollständige Reinigung. Egal, ob Körperflüssigkeiten, Verwesungsrückstände oder Ungeziefer – alles muss entfernt werden.
Bernadeta Lotze ist 45 Jahre alt und seit 10 Jahren in Zella-Mehlis selbständig. Begonnen hat sie mit einer normalen Reinigungsfirma, inzwischen kümmert sie sich mit ihren acht Mitarbeitern auch um Messie-Wohnungen und um die Tatortreinigung. Gleich dreifach hat sie sich dafür zertifizieren lassen, hat Kurse besucht als Tatortreinigerin, als Hygienebeauftragte und staatlich geprüfte Desinfektorin.
Tatortreiniger ist kein Ausbildungsberuf
In Deutschland ist Tatortreiniger kein eigener Ausbildungsberuf. Die jeweiligen Unternehmen gehören, je nach dem weiteren Leistungsangebot, entweder zur Gebäudereinigungs- oder der Desinfektionsbranche. Einen festgelegten Ausbildungsweg gibt es nicht. Gebäudereiniger können sich in Weiterbildungen zum staatlich geprüften Desinfektor ausbilden lassen.
Das hat auch Bernadeta Lotze getan. Und es gab eine Menge, was sie da lernen musste. Zum Berufsbild gehören Kenntnisse und Beherrschung des Infektionsschutzes, der Desinfektion und der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen sowie die sachgerechte Entsorgung von unbrauchbar gewordenen Gegenständen. Aber auch, wie man richtig mit Atemschutzmasken und Schutzkleidung arbeitet, spielt eine große Rolle.
Auftraggeber sind überwiegend Privatpersonen, Vermieter, Wohnungseigentümer und die Polizei, aber auch Bestatter und Nachlassverwalter.
Berufswunsch: Spurensicherung für die Polizei
Eigentlich wollte Bernadeta Lotze zur Polizei gehen oder zur Spurensicherung. Nach einer Ausbildung zur Technischen Ökonomin hat das dann leider nicht geklappt, erzählt sie. "Jetzt verwische ich Spuren, statt sie zu sichern."
Jetzt verwische ich Spuren, statt sie zu sichern.
Da für Bernadeta Lotze und ihre Mitarbeiter Diskretion an oberster Stelle steht, werden Referenzen nicht zu Werbezwecken verwendet. Außerdem tragen die Einsatzfahrzeuge keinen Firmenschriftzug. Stattdessen versucht man, im Internet auf sich aufmerksam zu machen. "Aber da sind auch viele schwarze Schafe unterwegs" sagt Lotze. Obwohl da eine lokale Telefonnummer steht, würde man bei einer bundesweit operierenden Kette landen. "Persönliche Beratung oder transparente Preisgestaltung sind da Fremdworte", sagt sie.
Aufwand hängt sehr von Liegezeit ab
Dauer und Kosten einer Tatortreinigung variieren. Sie hingen in erster Linie von der Größe des kontaminierten Raumes, den betroffenen Materialien und dem Ausmaß der Verschmutzung ab.
Bei frisch begangenen Taten dauere eine Tatortreinigung im Durchschnitt ein bis drei Stunden, bei längerer Liegezeit mit Schädlingsbekämpfung und umfassender Wohnungssanierung könne sie auch über 24 Stunden hinausgehen.
"Wenn wir Putz entfernen müssen oder den Fußboden, weil die Flüssigkeiten da eingesickert sind, geht das eben nicht so schnell" sagt die Tatortreinigerin.
Festgelegte Abläufe garantieren Qualität
Ganz am Anfang allerdings steht eine Besichtigung des Tatortes gemeinsam mit dem Auftraggeber. Und auch danach kann oft nicht gleich losgelegt werden. Mit einem Kaltnebelgerät versprühen Lotze und ihr Team Desinfektionsmittel. Es setzt sich in Nischen und Ritzen fest, tötet Viren und Bakterien ab. Die Desinfektion ist eine Präventionsmaßnahme, um die Räume betreten zu können. Sie dient vor allem dem Schutz der Arbeiter.
Eine halbe Stunde lang muss das Mittel einwirken, dann wird gelüftet und erst dann kann die eigentliche Arbeit beginnen. Wenn die Verwesung bereits stark vorangeschritten war, kommen Schädlingsbekämpfungsmittel zum Einsatz.
Arbeitsschutz ist sehr wichtig
Und auch dabei ist der Eigenschutz sehr wichtig: "Wenn es schlimm ist, tragen wir Halbmasken mit Filter oder Vollmasken. Und immer einen gasdichten Anzug. Wir wollen ja die Sporen, Viren und Bakterien auch nicht mit nach Hause nehmen zu unserer Familie. Deswegen schützen wir uns so gut wir nur können. Immer dicke Handschuhe, am besten zwei Paar. Und dann schließlich die Schuhüberzieher.“
Anschließend wird der Bereich, wo die Leiche gelegen hat, intensiv gereinigt. Die Spezialisten verwenden ein Mittel zur Entseuchung. "Man kann nicht alles reinigen. Wurde der Leichnam im Bett gefunden, kann man es nur zerlegen und entsorgen" erklärt Lotze. Das gilt auch für Teppiche und manchmal sogar für Laminat und Parkett.
Man kann nicht alles reinigen. Wurde der Leichnam im Bett gefunden, kann man es nur zerlegen und entsorgen.
Auch Tapeten müssen runter und manchmal sogar der Putz. "Wenn eine Leiche auch nur ein bis zwei Wochen in einer Wohnung gelegen hat, kann man in der gesamten Wohnung so gut wie nichts mehr wiederverwenden. Der Leichengeruch zieht in jede Ritze", sagt Lotze.
Der Joballtag ist heftig, aber auch jedes Mal anders. Tatortreiniger müssen physisch und psychisch belastbar sein, sie müssen auch mit Menschen umgehen können. Denn oft haben sie Kontakt zu den Hinterbliebenen oder zu Nachbarn.
"Auch, wenn keine Ausbildung für die Tatortreinigung vorgeschrieben ist: Die Arbeit sollte eigentlich nur ein ausgebildeter Desinfektor machen", sagt Lotze. Mittlerweile würden auch Gebäudereinigungen, Haushaltsauflöser oder einfache Putzunternehmen den Service anbieten, kritisiert Lotze. "Mir wird immer ganz anders, wenn ich die mit Flipflops und normalen Putzmitteln in solche Objekte gehen sehe.“
Mir wird immer ganz anders, wenn ich die mit Flipflops und normalen Putzmitteln in solche Objekte gehen sehe.
Denn, so sagt sie, es geht ja nicht nur um eine oberflächliche Reinigung. Viren, Bakterien, Schimmel und Pilze – all das vermischt sich an den Tatorten. "Und was viele auch nicht überlegen, dass das alles dann auch in der Luft ist, also auch in Tapeten und in Möbeln und dem Fußboden. Deswegen ist das so wichtig, alles wirklich komplett zu desinfizieren."
Und danach geht es in der Firma weiter. Die Geräte werden nach jeder Tatortreinigung im Betrieb auseinandergenommen, ausgespült, desinfiziert und wieder zusammengebaut. Anschließend ist das Auto, in dem die Geräte transportiert wurden, an der Reihe. Die Desinfektion muss auch hier vorgenommen werden. "Hygiene ist das A und O", sagt Lotze.
Einblick in private Schicksale
Bei manchen Einsätzen erleben die Tatortreiniger Dinge, die sie nicht so schnell vergessen. "Wenn beispielsweise Kinder die Leiche finden, das beschäftigt mich als Mutter besonders. Wie sollen die so etwas jemals verarbeiten?"
Deshalb ist es Bernadeta Lotze auch so wichtig, für die Angehörigen da zu sein. "Aber es gibt auch viele Menschen, die sind ganz allein. Die haben keine Familie." Dann wird die Tatortreinigerin von Vermieter gebucht. 37 Einsätze hatten Lotze und ihr Team insgesamt im vergangenen Jahr.
Und natürlich muss auch bei der Tatortreinigung alles seine Ordnung haben. "Es kam auch schon mal die Polizei, die Nachbarn hatten die gerufen, weil plötzlich jemand in der Wohnung war" erinnert sich Lotze. "Da hilft ein unterschriebener Auftrag ungemein."
Und auch für die Müllverbrennung und für die Auftraggeber gibt es am Ende Protokolle. "Wir finden ja auch wichtige Dokumente, Bargeld oder Schmuck." Diese Dinge werden aufgehoben, gründlich desinfiziert und separat verpackt.
Abschalten ist wichtig, aber schwierig
Die Leiche ist natürlich immer schon weg, wenn der Tatortreiniger kommt, aber nach all der Zeit kann Bernadeta Lotze natürlich die Spuren lesen. "Ist jemand einfach friedlich eingeschlafen oder war er krank und ist zu spät gefunden worden, da macht man sich schon Gedanken."
In solchen Fällen nimmt sie ihre Arbeit unfreiwillig im Kopf mit nach Hause. Und um abzuschalten, liest sie dann ganz gerne, sagt die Tatortreinigerin. Am liebsten Krimis übrigens.
MDR (gh)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um Vier | 05. Februar 2024 | 17:08 Uhr
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