Reportage | Echtes Leben Im Dienste des Lebens - Ein Tatortreiniger auf Spurensuche
Hauptinhalt
26. Juli 2024, 04:00 Uhr
Wenn Thomas Kundt kommt, geht es darum, Spuren zu beseitigen: Spuren des Todes und eines gelebten Lebens. Der Tatortreiniger und Desinfektor betritt Wohnungen, in denen Menschen oft einsam gelebt haben und auch so gestorben sind. Ihr Tod blieb oft tage-, manchmal monatelang unentdeckt. Die Reportage zeigt den Menschen hinter dem Tatortreiniger, der in der Nähe von Torgau wohnt, was ihn antreibt und wie er seiner Arbeit sehr öffentlichkeitswirksam Sinn verleiht.
Was Thomas Kundt am meisten beeindruckt, sind die Schicksale, die sich für ihn beim Ausräumen der Wohnungen offenbaren. Oft ist er der letzte Zeuge eines einsamen, von Brüchen geprägten Lebens. Das berührt ihn sehr. Denn der Tatortreiniger räumt nicht nur dann aus, wenn jemand gewaltsam zu Tode gekommen ist, sondern auch, wenn es zum Beispiel keine Angehörigen mehr gibt.
Was die Arbeit eines Tatortreinigers ausmacht
Tatortreiniger widmen sich der professionellen Säuberung von Tatorten. Egal ob Ungeziefer, Rückstände von Verwesungsprozessen oder Körperflüssigkeiten - alle Überreste müssen von den Tatortreinigern beseitigt werden.
Im Gegensatz zu klassischen Reinigungs-Dienstleistern wenden Tatortreiniger spezielle Säuberungsverfahren an. Häufig sind Hotels, Hausverwaltungen, Immobilieneigentümer oder die Polizei Auftraggeber.
Tatortreiniger werden auch mit der Säuberung sogenannter Messi-Wohnungen beauftragt. Dort gilt es die Objekte von Ungeziefer, riesigen Müllberge oder starken Verschmutzungen zu befreien.
In Deutschland gibt es momentan keine Möglichkeit, Tatortreiniger über einen klassischen Ausbildungsweg zu erlernen. Theoretisch ist es möglich, diesen Beruf ohne jegliche Qualifikation auszuüben. Dennoch empfiehlt es sich, in diesem Job nicht ohne Zusatzausbildungen zu agieren. Es gibt spezielle Kurs-Angebote, die auf die belastenden Arbeitssituationen vorbereiteten.
Es hat sich bewährt, zuerst eine Ausbildung als Gebäudereiniger zu absolvieren und dann an einer Weiterbildung zum staatlich geprüften Desinfektor teilzunehmen. Ergänzend gibt es in Deutschland einige private Institutionen, die Ausbildungen zum Tatortreiniger anbieten.
Tatortreiniger sind deutschlandweit sehr gefragt. Gesucht werden Menschen, die trotz der widrigen Bedingungen professionell arbeiten und gleichzeitig die nötige Distanz zum Geschehen aufbringen können. Tatortreiniger haben die Wahl, sich selbständig oder in einem Angestelltenverhältnis beruflich zu verwirklichen.
Quelle: ihr-tatortreiniger.de/
Dass Thomas Kundt heute als Tatortreiniger und Desinfektor arbeitet, verdankt er einem Zufall. Noch vor zehn Jahren führt Kundt ein geregeltes Leben mit einem Job als Finanzberater. Doch dann beginnt der gelernte Kaufmann von vorn – privat und beruflich. Schon damals sammelt er alte Dinge, die er bei Haushaltsauflösungen findet. Daraus entwickelt sich die Idee, die seinem Leben eine neue Richtung gibt.
Es gab einen Grillabend, da habe ich mit einem Kripobeamten gesprochen. Der hat gesagt, wenn ich kein Problem damit hätte, in Wohnungen zu gehen, wo jemand verstorben ist, dann biete das doch mal an.
Als Thomas Kundt mit diesem Job beginnt, gibt es kaum jemanden, der Dienstleistung dieser Art für Wohnungsgesellschaften oder Hausverwaltungen anbietet. Er lernt dazu, bildet sich weiter und findet einen tiefen Sinn in seiner oft harten Arbeit, die aber immer ein Ergebnis hat und ihm viele neue Eindrücke beschert.
Eine Arbeit, die verändert
Mit dem Kriminalbeamten Ronald Straew verbindet Thomas Kundt seit dem Grillabend eine enge Freundschaft. Regelmäßig treffen sie sich, um sich auszutauschen. Dabei profitiert Kundt vom enormen Erfahrungsschatz seines Freundes. Wie geht er mit bestimmten Situationen um, wie verarbeitet er sie?
Wenn man so eine Arbeit macht, verändert man sich schon. Er ist nachdenklicher geworden, aber er hat seinen Humor nicht verloren. Sicher ist da auch etwas mehr Ironie dabei, dann braucht es das Gespräch.
Als Tatortreiniger hat sich sein Blick auf das Leben verändert. Durch den Umgang mit dem Tod ist ihm das Leben wertvoller geworden, er lebe jetzt bewusster, sagt er. "Es ist wichtig, dass man selber sein Leben lebt und genießt. Und das macht, was man für richtig hält", so der 45-Jährige.
Doch wie kann man mit dem Tod als Auftraggeber weiterleben und arbeiten? Wie ist es für Thomas Kundt möglich, mit den Geschichten der Verstorbenen umzugehen? Zum Beispiel mit einem Bühnenprogramm. Darin verarbeitet der Tatortreiniger, was er im Alltag sieht, was ihm in seinem Job alles unterkommt. So gelingt es Kundt auf unterhaltsame Weise, dem Tod seinen Schrecken zu nehmen.
In Deutschland ist es ein Tabuthema, über den Tod zu reden. Ich finde eigentlich, es ist total wichtig, dass man sich damit auseinandersetzt. Um sich auch bewusst zu sein, dass das Leben endlich ist. Und dass man eben auch im Hier und Jetzt leben muss.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Echtes Leben | Ein Tatortreiniger auf Spurensuche | 28. Juli 2024 | 07:30 Uhr