Elsdorf bei Köthen Trotz Dreck und Gestank: Carsten Liebner ist Tatortreiniger aus Leidenschaft
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16. November 2023, 05:00 Uhr
Blut, Fäkalien, Müll und üble Gerüche: Tatortreiniger sind im Beruf mit Extremen konfrontiert. Einer von ihnen ist Carsten Liebner aus Elsdorf bei Köthen. Der 52 Jahre alte Mann ist stolz auf seinen Beruf und möchte gar nichts anderes machen.
- Carsten Liebner aus Elsdorf bei Köthen hat eine Entrümpelungsfirma und ist spezialisiert auf Tatortreinigung.
- Beißender Gestank und Müll machen ihm nichts aus. Er ist stolz auf seinen Job.
- Immer häufiger muss Liebner sogenannte Messiewohnung räumen.
Carsten Liebner lehnt für eine Zigarettenpause an seinem Firmenwagen. "Ich möchte meinen Job nicht missen, er ist abwechslungsreich und es ist jeden Tag was Neues", sagt der 52-Jährige. Dabei hat Liebner einen Job, um den ihn wohl niemand beneidet und den kaum ein anderer freiwillig machen würde.
Der Elsdorfer hat eine Entrümplungsfirma und ist spezialisiert auf Tatortreinigung. Nicht immer geht es dabei um Verbrechen. Auch wenn ein Mensch in seiner Wohnung eines natürlichen Todes stirbt und erst später gefunden wird, ist der Liebner gefragt.
Per Anruf zum Tatort
2011 fing alles an. Da macht sich Carsten Liebner selbstständig. "Wir waren so das Mädchen für alles. Hausmeisterdienste, Rasenmähen, wir haben alles gemacht", erzählt er. Aber es hat finanziell nicht gereicht, um die Firma zu halten. Irgendwann ging es mit Haushaltsauflösungen und Entrümplungen weiter. "Und dann kam 2016 ein Anruf, ein Auftrag und dann sind wir hingefahren und schon beim Öffnen der Wohnung dachte ich: 'Ohhh, ein Leichenfund.'"
Liebner bestellt sich einen Desinfektor dazu und erledigt den Job. Inzwischen sind er und seine Frau selbst staatlich geprüfte Desinfektoren, haben eine Ausbildung in einem Hygieneinstitut absolviert und nehmen bundesweit Aufträge an.
Arbeitskleidung: Gummistiefel und Schutzanzug
Der aktuelle Auftrag führt nach Gräfenhainichen im Landkreis Wittenberg. Ein gepflegtes Mehrfamilienhaus. Liebner wurde vom Vermieter gerufen, weil die Wohnung nach einem Leichenfund stark riecht und beräumt werden muss. Es ist ein beißender Geruch in den Räumen. Es stinkt nach Katze, alle Räume sind komplett vermüllt.
In der Küche türmt sich schmutziges Geschirr und Abfall. Im Schlafzimmer ist das Bett unter Unrat versteckt. Im Wohnzimmer kann man kaum treten. Alles muss raus. Die Sachen werden in Plastetüten gesteckt oder sofort aus dem Fenster in ein bereitgestelltes Fahrzeug geschmissen. Getrennt nach Holz, Plaste und Haushaltsmüll. "Wir entsorgen auch alles selbst auf der Deponie", sagt Liebner.
Tatortreiniger Die Spuren eines Verbrechens beseitigen sogenannte Tatortreiniger. Die spezialisierten Gebäudereiniger werden meist von Vermietern, Hausverwaltungen, Immobilieneigentümern, Angehörigen oder vom Nachlassgericht beauftragt. Mit speziellen Reinigungsmitteln und -methoden entfernen die Mitarbeiter Körperflüssigkeiten, Gewebe und Blut.
Einen empfindlichen Magen darf man bei dem Job nicht haben, sagt seine Frau, die mit weiteren vier Mitarbeiten in dem Unternehmen arbeitet. In machen Wohnungen könne man nur mit Schutzanzug, Gummistiefeln, Maske und Handschuhen arbeiten, etwa, wenn Fäkalien oder Blut beseitigt werden müssen. Liebner fragt selten nach den Hintergründen, wenn er einen Auftrag bekommt. "Du kannst nicht alles mit nach Hause nehmen, gerade wenn ein Verbrechen passiert ist oder ein Mensch sich selbst das Leben genommen hat".
Tatortreiniger: Messie-Syndrom nimmt zu
Aufträge hat er mittlerweile fast täglich. Und meist handelt es sich um völlig vermüllte Wohnungen oder Häuser. "70 zu 30", schätzt er ein. 70 Prozent aller Aufträge, die er bekommt, sind sogenannte Messiewohnungen. Und das Problem werde immer größer. Carsten Liebner zeigt Fotos von Räumen, in denen sich die Müllberge bis zur Decke türmen, in denen aus Matratzen schon Mäuse flüchten, wenn man sie anpackt.
Vermüllungssyndrom Das Messie- oder Vermüllungssyndrom ist eine seelische Krankheit. Meist sind die Betroffenen vereinsamt und fühlen sich ausgegrenzt. Sie können nichts wegwerfen, müssen alles zwanghaft horten. Am Ende sind sie in einer ausweglosen Situation und brauchen Hilfe. Letztlich sorgt die Krankheit für weitere Gefahren: In solchen Wohnungen ist die Atemluft meist von schlechter Qualität, häufig gibt es Ungeziefer. Experten gehen davon aus, dass an die zwei Millionen Menschen in Deutschland unter dem Messie-Syndrom leiden.
Das Heftigste, was er erlebt hat, war ein kleines Einfamilienhaus irgendwo in Sachsen-Anhalt. In der Garage fanden sie unter tausenden von Mülltüten ein fast nagelneues Auto. In dem Haus war so viel Müll, dass Carsten Liebner eine Art Fließband zwischen Fenster und Container gebaut hat. "Innerhalb von 15 Tagen haben wir 62 Tonnen Müll aus diesem Haus geholt."
Ein Job, den keiner machen möchte, der aber gemacht werden muss. "Entweder du kommst damit klar oder eben nicht," sagt Liebner, der nach eigenem Bekunden keinen anderen Job haben will. Er ist auch stolz auf seine Arbeit, wenn am Ende wieder alles sauber und ordentlich ist und die Kunden zufrieden sind. Kunden, die auch wieder kommen. Abschalten? Abschalten geht, wenn er nach Hause kommt. Dabei helfen ihm seine beiden Dobermannhündinnen. "Emma und Lotte in den Arm nehmen und alles ist schick", sagt der Elsdorfer.
MDR (Susanne Reh, Moritz Arand), dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 15. November 2023 | 16:40 Uhr
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