
Bildung Was die geplante Änderung der Thüringer Schulordnung bedeutet
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27. März 2025, 07:09 Uhr
Die Brombeerkoalition will die Thüringer Schulordnung ändern. Die Reaktionen darauf fallen unterschiedlich aus. Die wichtigsten Informationen auf einen Blick.
Was gilt an Thüringer Schulen aktuell bei Versetzungen und Kopfnoten?
Bisher können Schülerinnen und Schüler in Thüringen nach der 5. und 7. Klasse unabhängig von ihren Noten versetzt werden.
An Gemeinschaftsschulen werden Leistungen erst ab der 8. Klasse in die Versetzungsentscheidung einbezogen. Eine Bewertung durch Noten ist ebenfalls erst ab der 8. Klasse verpflichtend.
Noten für Mitarbeit und Verhalten werden derzeit nur in den Klassenstufen 5 bis 8 vergeben. Die Änderung der Schulordnung sieht vor, diese Kopfnoten bereits ab der ersten Klasse gelten sollen.
Diskussion zur Schulordnung bei MDR-Talkshow "Fakt ist! Aus Erfurt" am 2. April
Um die Bildungspolitik der Thüringer Brombeer-Regierung und die geplante Änderung der Schulordnung geht es am kommenden Mittwoch (2. April) in der MDR-Talkshow "Fakt ist! Aus Erfurt". Zu Gast sind:
- Bildungsminister Christian Tischner (CDU)
- Prof. Maria Hallitzky (Allgemeine Didaktik und Schulpädagogik, Uni Leipzig)
- Bettina Flügel von der Landeselternvertretung Gemeinschaftsschulen
sowie Gäste im Publikum, die an einer aktuellen MDRfragt-Umfrage zur Bildungspolitik teilgenommen haben.
Was sind Kopfnoten (zum Aufklappen)?
Mit Kopfnoten werden unter anderem Mitarbeit und soziales Verhalten der Schülerinnen und Schüler bewertet. Sie sind üblicherweise nicht relevant für die Versetzung der Schüler. Die Bezeichnung Kopfnoten ist darauf zurückzuführen, dass diese Noten auf dem Zeugnis oberhalb der restlichen Noten - am Zeugnis-Kopf - stehen.
Mehr zur Kritik an den Kopfnoten lesen Sie hier.
Was genau sieht die Änderung der Schulordnung vor?
Das Thüringer Bildungsministerium plant derzeit eine Änderung der Schulordnung. Dazu soll eine Verordnung erlassen werden, der Landtag muss also nicht zustimmen. Der Entwurf befindet sich noch im Anhörungsverfahren und wird dabei verschiedenen Verbänden vorgelegt, die dazu Stellung beziehen können.
Die geplante Änderung der Schulordnung sieht vor, dass Schülerinnen und Schüler bei nicht ausreichenden Leistungen an allen Schulen bereits ab der 6. Klasse nicht versetzt werden. Noten sollen an allen staatlichen Schulen, auch an Gemeinschaftsschulen, schon ab Klasse 6 verpflichtend sein.
Außerdem sollen ab der Schuleingangsphase (Klasse 1) Kopfnoten eingeführt werden. Sie dienen der Bewertung von Mitarbeit und sozialem Verhalten.
Im bisherigen Entwurf der Änderung sieht das Thüringer Bildungsministerium mögliche Ausnahmeregelungen nicht vor. Die Änderungen könnten ab dem nächsten Schuljahr in Kraft treten.
Klare Punkte, an denen Leistungen eingeschätzt werden, sind entwicklungsfördernd.
Bernd Uwe Althaus, Staatssekretär des Thüringer Bildungsministeriums, sagte MDR THÜRINGEN: "Klare Punkte, an denen Leistungen eingeschätzt werden, sind entwicklungsfördernd." Dementsprechend wolle man die Schulordnung nach dem Motto "Fördern und Fordern" ändern.
Eine Versetzungsentscheidung in Klasse 7 soll laut Verordnungsentwurf die derzeit große Zahl an Schülerinnen und Schülern, die die achte Klasse wiederholen müssen, verringern. Die Änderungen sollen "im Sinne der Gleichbehandlung" für alle Schularten der Sekundarstufe I gleichermaßen gelten.
Was bedeutet die Änderung der Schulordnung für die Gemeinschaftsschulen?
In Gemeinschaftsschulen lernen Kinder jahrgangsübergreifend. Die Jahrgangsmischung könnte nach Änderung der Schulordnung allerdings erschwert möglich sein - mit den neuen Vorgaben würden hier Kriterien fehlen, um eine Versetzungsentscheidung zu treffen.
Außerdem gibt es in manchen reformpädagogischen Schulen bis einschließlich Klasse 7 Wortzeugnisse ohne Ziffernbenotung – in Zukunft wäre das nur noch bis einschließlich Klasse 5 möglich, da Noten ab Klasse 6 verpflichtend sein sollen.
Was sind Schulen mit reformpädagogischem Ansatz?
Die Reformpädagogik sieht das Kind als Individuum und stellt dessen Persönlichkeitsentwicklung in den Mittelpunkt. Dabei werden Noten und Leistungsdruck abgelehnt.
Reformpädagogische Schulen unterscheiden sich durch Methoden wie Wochenplanarbeit, altersgemischtes Lernen, Freiarbeitsphasen oder auch das projektbasierte Lernen von herkömmlichen Schulkonzepten.
Wie sind die Reaktionen auf die geplante Änderung?
Die Änderung ruft gemischte Reaktionen hervor. Während der Lehrerverband die neue Schulordnung überwiegend begrüßt, kritisieren Schulen mit reformpädagogischem Konzept, die Landeselternvertretung, Schüler und der Kinderschutzbund Thüringen die Pläne.
Gemeinschaftsschulen sehen sich bei einer Änderung in ihrer Autonomie gefährdet. Vertreter haben die Petition "Thüringer Schulfrieden retten" ins Leben gerufen, die eine Anpassung der Schulordnung und Ausnahmeregelungen für Gemeinschaftsschulen fordert.
Auch Schüler positionieren sich gegen die Änderung, etwa auf Demonstrationen in Weimar, Jena und Erfurt. Der Kinderschutzbund Thüringen kritisiert die neue Schulordnung genauso wie die Landeselternvertretung. Kinder sollten für sich lernen, anstatt sich auf Noten auszurichten, sagte die Elternsprecherin der Jenaplanschule Weimar MDR THÜRINGEN.
Bildungsexperte Peter Fauser, ehemaliger Professor für Schulpädagogik und Schulentwicklung an der Universität Jena, schrieb einen Offenen Brief an Bildungsminister Christian Tischner (CDU). Es sei immer wieder wissenschaftlich bestätigt worden, dass "Ziffernzensuren keinen der notwendigen und ihnen zumeist zugeschriebenen Qualitätskriterien genügen." Es gebe außerdem keine Belege dafür, dass frühere Noten und Kopfnoten die Leistung steigern würden. Der Bildungsminister solle seine "Amtszeit nicht mit einer katastrophalen Fehlentscheidung" beginnen.
Kritisch äußerte sich auch die größte Bildungsgewerkschaft GEW zum Agieren der Landesregierung im Streit um die geplante Neufassung der Schulordnung. Landesvorsitzende Kathrin Vitzthum begrüßte zwar das Anhörungsverfahren, wozu das Ministerium nicht verpflichtet sei. Sie sei aber "irritiert", wie Bildungsstaatssekretär Althaus mit den Protesten umgehe. Er hatte am Rande einer Demonstration vor dem Landtag vor wenigen Tagen gesagt: "Die gehören nicht hierher." Vitzthum findet das "total schwierig".
Der Thüringer Lehrerverband hingegen begrüßt die veränderte Versetzungsentscheidung und die Kopfnoten. Wie der Landesvorsitzende Tim Reukauf MDR mitteilte, halte der Verband die Protestaktionen gegen den Änderungsentwurf für "schwierig": Der Entwurf befände sich noch im Anhörungsverfahren. Der Thüringer Lehrerverband hält Ausnahmeregelungen, zum Beispiel für reformpädagogische Schulen, aber durchaus für möglich. Der Thüringer Philologenverband als Vertreter der Gymnasiallehrer begrüßte die geplanten Änderungen, da sich diese stärker dem Leistungsprinzip zuwenden.
Um Bildung in Thüringen dreht sich am Mittwochabend, dem 2. April, auch die Sendung Fakt ist! aus Erfurt. Die Talk-Gäste und das Publikum diskutieren dabei unter anderem die Pläne für eine neue Schulordnung. Die Sendung läuft ab 20:15 Uhr im Livestream auf mdr.de oder im MDR FERNSEHEN.
MDR (ams)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt ist! | 02. April 2025 | 20:15 Uhr