Rudolf Storch hält ein Foto seines Elternhaus in den Händen vor sich. 2 min
zum Hören: Zeitzeugen erinnern sich an Bombardierung von Volkstedt vor 80 Jahren. Bildrechte: MDR/Uwe Kelm

Zweiter Weltkrieg Der Tag, an dem Volkstedt brannte: Zeitzeugen erinnern sich

11. April 2025, 15:22 Uhr

"Tod aus der Luft" - unter diesem Namen ist der Bombenkrieg im Zweiten Weltkrieg in die Geschichte eingegangen. Getroffen wurden nicht nur militärische Ziele - es gab auch zahlreiche zivile Opfer. Vor 80 Jahren zerstörten US-Bomber etwa den Rudolstädter Ortsteil Volkstedt. Am 10. April 1945 warfen mehr als 100 Flugzeuge 240.500 kg Bomben ab. Zeitzeugen erinnern sich an den Schrecken der Zerstörung.

Vor 80 Jahren kam der Krieg nach Thüringen. Am 10. April 1945 wurde der Rudolstädter Ortsteil Volkstedt von US-amerikanischen Bomberverbänden angegriffen. An diesem Nachmittag flogen zwischen 14:48 Uhr und 15:35 Uhr 118 Flugzeuge des Typs B-26 Marauder über die Stadt und warfen 240.500 Kilogramm an Spreng- und Brandbomben ab - diese Informationen hat der heute 89-jährige Rudolf Storch zusammengetragen.

Den Luftkrieg kannten wir schon seit '43.

Rudolf Storch Zeitzeuge

Sein Elternhaus wurde bei der Bombardierung völlig dem Erdboden gleich gemacht. Laut Storchs Recherche wurden in Volkstedt insgesamt 103 Häuser zerstört, 62 Gebäude wurden stark beschädigt. 302 Familien wurden obdachlos, 29 Volkstedter und sieben deutsche Soldaten kamen ums Leben.

Rudolf Storch hält ein Foto seines Elternhaus in den Händen vor sich.
Rudolf Storch mit einem Foto des zerstörten Elternhauses. Bildrechte: MDR/Uwe Kelm

Ein Tipp rettet die Kinder

Rudolf Storch war kurz vor der Bombardierung zusammen mit seinen zwei Geschwistern ins benachbarte Bad Blankenburg gebracht worden. Seine Mutter hatte einen Tipp bekommen, dass es einen Angriff geben soll.

"So einen Angriff in dieser Art vom 10. April haben wir nie erwartet", sagt Storch und fügt an: "Den Luftkrieg kannten wir schon seit '43. Über uns hörte man dann das dumpfe Dröhnen der Maschinen der Flugzeuge der Briten. Und ich habe manchmal noch Albträume, wo ich das alles nochmal erlebe." Auch an die näherkommenden Explosionen, den Rauch und die Asche in der Luft am Tag der Bombardierung erinnert er sich.

Im Erdloch verkrochen

Nur 150 Meter entfernt vom Haus der Storchs hat Gerda Hammel ihre Kindheit verbracht. Die Familie hatte ein Sägewerk mit Holzhandel. Für die Kinder gab es Erdlöcher als Ein-Mann-Bunker im Garten, sagt die heute 96-Jährige: "Mit einmal haben wir gesehen, wie oben am Himmel Zeichen gesetzt wurden. Da wussten wir: Es wird schlimm".

Da lag ein Balken über ihr. Mein kleiner Bruder hat gesagt: 'Ich weiß nicht, wie ich den hochgebracht hab, aber ich habe sie rausgezogen'.

Gerda Hammel Zeitzeugin

Die sogenannten Tannenbäume markierten die Abwurfstellen. Gerda Hammel und ihr Bruder flohen in die Erdlöcher. "Und dann sind die Sprengbomben gefallen, 50 Meter von uns entfernt", erinnert sie sich.

Eine historische Fotosgrafie eines zerstörten Hauses.
Ein Bild der Zerstörung in Volkstedt. Bildrechte: MDR/Uwe Kelm

Schreie und Feuer

Gerda Hammel und ihr Bruder hörten nach den Explosionen Hilfeschreie: "Mein Bruder rannte über die Straße zu der Frau Herzinger, die war bei uns gegenüber. Sie war wohl in ihrem Keller und das Haus ist zusammengebrochen." Gerda Hammels Bruder fand die Nachbarin: "Da lag ein Balken über ihr. Mein kleiner Bruder hat gesagt: 'Ich weiß nicht, wie ich den hochgebracht hab, aber ich habe sie rausgezogen' ".

Als besonders tragisches Beispiel hat Rudolf Storch die Geschichte des damals 34-jährigen Helmuth Richter in Erinnerung. Der junge Physiker kam Mittag aus Berlin mit dem Zug, um seine Eltern zu besuchen und starb im Bombenhagel in Volkstedt.

Bombenhagel zwei Tage vor Einmarsch

Beide Zeitzeugen können sich ein solches Leid und das Ausmaß der Zerstörung nicht erklären und stellen die Frage, wie es denn Krieg geben kann. Die Bombardierung von Volkstedt war nur zwei Tage vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen.

Zu den zerstörten Wohnhäusern, der historischen Kirche und dem Pfarrhaus kommen noch fünf zerstörte Porzellanfabriken. Unterdessen haben die wenige hundert Meter entfernten Kasernen und das Werk für Zellwolle kaum Schäden erlitten.

Luftbildaufnahme des Ortes Volkstedt am 11. April 1945.
Luftbildaufnahme von Volkstedt am 11. April 1945. Bildrechte: GDI-Th, Freistaat Thueringen, TLVermGeo

Bisher wenig Informationen zu Grund der Bombardierung

Zu einem Grund der Bombardierung haben sich bisher keine belastbaren Quellen finden lassen. Neben Volkstedt sind auch viele andere Orte, unter anderem Saalfeld, am 9. April 1945, in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs, bombardiert worden.

Den Krieg hatte Deutschland begonnen. Mit dem Angriff auf Polen am 1. September 1939 begann der Krieg, der insgesamt mehr als 60 Millionen Menschen das Leben gekostet hat.

Blick auf Volkstedt vor 1945 - im Hintergrund fünf Porzellanfabriken
Ein Blick auf Volkstedt vor 1945. Zu sehen sind auch die fünf Porzellanfabriken. Bildrechte: MDR/Uwe Kelm

MDR (uwk/cfr)

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