Großes Gerangel zwischen zwei Teams.
Auch in Thüringen müssen Schiedsrichter häufig körperliche und sprachliche Gewalt auf den Plätzen eindämmen. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / Funke Foto Services

Amateursport Gelb, Rot oder Stopp! Thüringen testet neue Fußball-Regel

31. März 2024, 05:00 Uhr

Vom Spielfeldrand rufen Fans und Eltern, Spieler rennen auf den Schiedsrichter zu. Beschimpfungen und Beleidigungen gibt es auf Thüringens Fußballplätzen jedes Wochenende. Schiedsrichter brauchen ein dickes Fell. Neben der Gelben und Roten Karte gibt es nun eine weitere Regel, die Schiedsrichtern mehr Kontrolle bieten soll. Getestet wird sie seit März in drei Thüringer Fußballkreisen. Kann sie die Situation der Schiedsrichter verbessern?

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Ein Pokalspiel in Thüringen: Mehr als 100 Zuschauer sind zu Gast. In der zweiten Halbzeit beschimpfen die Fans der Heimmannschaft den Schiedsrichter und seine Assistenten: "Du winkst eine Scheiße zurecht", "Lass dir doch von dem fetten Neger in den Arsch ficken, du Schwuchtel"*. Dies sind Zeilen aus einem Spielberichtsbogen. "Damit sind sämtliche Grenzen überschritten. Für solche Aussagen kann man keine Entschuldigung finden", so Volker Westhaus vom Thüringer Fußball-Verband (TFV). Er ist dort zuständig für das Schiedsrichterwesen. (*Anm. d. Redaktion: Wir haben uns für die Veröffentlichung der Zitate trotz eindeutigem Rassismus', Herabwürdigungen und großer sprachlicher Schärfe entschieden, um die Realitäten im Thüringer Amateursport aufzuzeigen.)

Spielabbrüche und Diskriminierung im Thüringer Amateur-Fußball Im vergangenen Jahr gab es bei 27.027 Fußballspielen in Thüringen acht Spielabbrüche. Und 41 Diskriminierungsvorfälle. Zunächst erscheinen die Zahlen niedrig. Es sind die beim TFV gemeldeten Vorfälle und eine Beleidigung wird nur einmal pro Spiel erfasst. Auch ist laut Volker Westhaus die Hemmschwelle der Schiedsrichter inzwischen gesunken. Seit März gibt es eine neue Regel des Thüringer Fußball-Verbandes als Pilotprojekt.

Der Verein, um den es ging, sei innerhalb des vergangenen Jahres mehrfach aufgefallen. Die Beleidigungen und Diskriminierungen kamen immer wieder von den Zuschauern. "Niemand muss solche Sprüche aushalten, und Vereine müssen sich über die Konsequenzen bewusst werden", so Westhaus.

Neben einer vierstelligen Geldstrafe wurde eine Schulung für die Verantwortlichen des Vereins angeordnet. Kein Einzelfall: Pöbeleien, Beschimpfungen und sogar körperliche Gewalt gibt es auf Thüringer Fußballplätzen regelmäßig.

Ein bisschen Meckern gehört dazu. Wenn man da alles pfeifen würde, dann hat man nach zehn Minuten kein Spiel mehr.

Carlo Backhaus Kreisligaschiedsrichter Westthüringen

"Wenn die Spieler angerannt kommen und rumschreien, das ist dann wirklich eins zu viel. Oder wenn Sprüche kommen, dann muss es unterbunden werden", berichtet Carlo Backhaus. Er ist einer der Kreisliga-Schiedsrichter im Kreis Westthüringen. Gleichwohl: "Ein bisschen Meckern gehört dazu. Wenn man da alles pfeifen würde, dann hat man nach zehn Minuten kein Spiel mehr."

Eine Schiedsrichterin, steht mit roter und gelber Karte auf einem Rasen und hält in der anderen Hand eine Trillerpfeife. 16 min
Bildrechte: picture alliance/dpa | Robert Michael

Neue Stopp-Regel: Pilotprojekt in Thüringen

Um mit der aggressiver werdenden Stimmung rund um den Fußballplatz umzugehen, gibt es in Thüringen ein Pilotprojekt in drei Fußballkreisen. Seit der Rückrunde 2024 wird die Richtlinie den Kreisen Jena-Saale-Orla, Westthüringen, Ostthüringen von der Kreisoberliga abwärts getestet.

Das Projekt heißt "Stopp - fünf Minuten Pause". Schiedsrichter können eine Partie gezielt pausieren, um auf eine aggressive Situation zu reagieren.

Schiedsrichter
Der 18-jährige Schiedsrichter Carlo Backhaus pfeift sein erstes Kreisligaspiel. Er ist von der neuen Regel überzeugt. Bildrechte: MDR/Jana Maier

Bislang wurde die Regel in Westthüringen zweimal eingesetzt, so der Vorsitzende des Schiedsrichterausschusses Westthüringen, Martin Falk. "Einmal im Jugendspiel und einmal bei einem Herrenspiel. Die Schiedsrichter konnten Ruhe reinbringen und auch die Zuschauer und Trainer haben sich danach ruhiger verhalten." Laut Martin Falk seien die ersten Rückmeldungen positiv. Er wünscht sich aber auch, dass es wenig eingesetzt werden muss.

Schiedsrichter
Martin Falk ist Vorsitzender des Schiedsrichterausschuss Westthüringen. Er ist einer der ersten, der das Pilotprojekt in Thürignen testet. Bildrechte: MDR/Jana Maier

Zwangs-Auszeit: Wie funktioniert die neue Regel?

Bei aggressivem Verhalten von einer oder mehrerer Personen kann der Schiedsrichter sogenannte Stopp-Spielpausen einsetzen. Dazu pfeift er und zeigt das Unterbrechungszeichen. Beide Mannschaften müssen dann in ihre Strafräume. Fünf Minuten kann die Pause dauern.

Die Situation wird mit dem Kapitän geklärt und alle nötigen Strafen werden verteilt. "Wir wollen damit verhindern, dass Racheaktionen auf dem Platz passieren", so Westhaus weiter. Kommt es nach Wiederanpfiff erneut zu aggressivem und gewaltvollem Handeln, kann der Schiedsrichter eine zweite Spielpause von fünf Minuten ausrufen.

Bis zu zwei Spielunterbrechungen können die Unparteiischen einsetzen, bevor es zum Spielabbruch kommt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich bei den Störern um Spieler, Trainer, Funktionäre, Schiedsrichter oder Zuschauer handelt.

Grafik Stopp Regel
In Thüringen gibt es ein Regel-Pilotprojekt nach dem Vorbild des Württembergischen Fußballverbandes. Bildrechte: Thüringer Fußballverband

In Württemberg wurde "Stopp" zuerst getestet Das Projekt wurde zuvor beim Württembergischen Fußballverband in der Rückrunde der Saison 2022/23 getestet. Seit der Saison 2023/2024 wird die Richtlinie dort flächendeckend bis zur höchsten Spielklasse, der Verbandsliga, im Verband eingesetzt. Laut Uwe Hampel, der beim Verband zuständig für die Richtlinie ist, erhielten Schiedsrichter mehr Rückendeckung. Dies resultiere in größerem Selbstbewusstsein und einer ruhigeren Spielleitung. Zuvor habe es zwar Bedenkenträger gegeben, doch das Feedback sei überwiegend positiv.

Schiedsrichter
Volker Westhaus ist beim Thüringer Fußball-Verband zuständig für die Bereiche Gewaltprävention und Schiedsrichterwesen. Bildrechte: MDR/Jana Maier

Neue Regel könnte auf Thüringen ausgeweitet werden

Die Vereine seien durch die neue Regel automatisch dazu angehalten, dass ihre Zuschauer nicht aggressiv werden, weil sonst ein Spielabbruch drohe. Wenn es zu einem Tumult zwischen den Zuschauern kommt, könne der Schiedsrichter die Partie pausieren, damit die ausgewiesenen Ordner der Heimmannschaft die Situation in Ruhe bewältigen können, so Westhaus vom TFV. Ob sich dies bewahrheitet, wird die Testphase zeigen.

Bis zum Ende der Saison 2023/2024 läuft das Pilotprojekt in den drei Fußballkreisen Westthüringen, Ostthüringen und Jena-Saale-Orla. Bewertet der TFV den Test als erfolgreich, soll die Regel ab der kommenden Saison für alle Thüringer Fußball-Ligen greifen.

Update: Die Testphase in Thüringen lief offenbar erfolgreich. Anfang Juni entschied der DFD, die Stopp-Regel auch bundesweit einzusetzen. Sie soll nun zum 1. Juli deutschlandweit eingeführt werden.

Mehr zum Schiedsrichterwesen und Amateursport

MDR (ls)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 31. März 2024 | 19:00 Uhr

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