MDR INVESTIGATIV - HINTER DER RECHERCHE (Folge 96) Angst bei Spielern und Schiris – Rechtsextreme im Fußball
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Dass sich Rechtsextremismus in den Fankurven so mancher Vereine festgesetzt hat, ist kein Geheimnis. Und seit Jahren wehren sich die Vereine dagegen. Andere Vereine dagegen sind im Kern rechtsextremistisch, weil die Köpfe der Szene angehören. Dennis Wesemann aus Sachsen-Anhalt ist einer dieser Männer. Schon sein letzter Verein verlor die Spielberechtigung und auch sein jetziger – Eintracht Gladau – verbreitet Angst.
Wieso hat so lange niemand eingegriffen?
Esther Stephan (ES): Schon seit einigen Monaten wird um den Fußballverein Eintracht Gladau im Jerichower Land in Sachsen-Anhalt diskutiert. Es geht um mutmaßliche Verstrickungen von Vereinsmitgliedern in die rechtsextremistische Szene und Gewalt bei Spielen durch Fans und Spieler. Spieler anderer Vereine der Liga sind besorgt. Das haben sie Reporter Albrecht Radon vom MDR Magazin Exakt berichtet:
Unsere Spieler wurden bedroht, später kam es zu Handgreiflichkeiten. Auch unsere Fans wurden massiv beleidigt.
Unseren Spielern wurden während des Spiels Schläge angedroht.
Wir haben ausländische Spieler, die Angst haben, gegen Gladau zu spielen.
ES: Wie konnte es in Gladau soweit kommen? Darum geht es heute bei "MDR Investigativ - Hinter der Recherche". Hier sprechen wir mit Journalist*innen über ihre Recherchen, ihre Erlebnisse während der Dreharbeiten und ihre persönlichen Eindrücke. Ich bin Esther Stephan und ich spreche heute mit Albrecht Radon. Hallo Albrecht!
Albrecht Radon (AR): Hallo Esther!
ES: Das ist ja eine Recherche, die für dich schon vor einer ganzen Weile eigentlich angefangen hat. Kannst du noch mal erzählen, wie das damals losgegangen ist?
AR: Ja, also unsere Redaktion beschäftigt sich jetzt seit 2014 mit der Personalie Dennis Wesemann. Die Kollegen waren damals vor Ort gewesen in Stresow, in seinem Heimatort. Da war der Herr Wesemann im Ortschaftsrat und hat sich gerade für die Wahl zum Ortsbürgermeister aufstellen lassen. Er hat dann später seine Kandidatur zurückgezogen. Ich bin 2015 mit eingestiegen in die Recherche. Da ging es dann den Fußballverein, für den er vorher gespielt hat, Ostelbien Dornburg. Und auch da gab’s schwere Vorwürfe. Da ging es eine brutale Spielweise, Gewalt auf dem Fußballplatz, Bedrohungen und genau. Also ich bin seit 2015, schaue ich mir die Personalie Dennis Wesemann etwas genauer an, ja.
ES: Ja, kannst du nochmal erzählen, wer das eigentlich ist? Wer ist Dennis Wesemann, um den es ja auch zentral in deinem Film geht?
AR: Ja, Dennis Wesemann ist ein polizeibekannter Rechtsextremist. Der Verfassungsschutz führt ihn also seit vielen, vielen Jahren als Rechtsextremisten. Er gilt damals bei Ostelbien Dornburg, bei seinem ersten Verein – was heißt, es ist nicht sein erster Verein gewesen, aber wo die ganzen Vorwürfe das erste Mal aufgetaucht sind - galt damals schon als Kopf der Mannschaft. Dasselbe ist jetzt auch bei Eintracht Gladau. Er gilt als sehr umtriebig. Er hat also, das sagen Szenebeobachter, gute Kontakte in die rechtsextremistische Szene dort in der Region, auch über das Jerichower Land hinaus. Er war zum Beispiel auch bei, also war früher auf vielen Neonazi-Demos unterwegs gewesen, war jetzt während der Corona-Pandemie auch in Burg bei Demonstration wurde er gesichtet, gegen staatliche Maßnahmen. Parallel hat er aber mit seiner Frau zum Beispiel ein Testzentrum betrieben, in Stresow. Also er ist sehr umtriebig, hat einen Versandhandel seit vielen, vielen Jahren. Verkauft im Internet Klamotten, also Kleidung und Utensilien, die vor allen Dingen, sage ich mal, rechtes Klientel und Hooligans ansprechen sollen. Da werden dann also solche Dinge verkauft, wie Baseballschläger zum Beispiel für 25 Euro. So ungefähr muss man sich das vorstellen. Er gibt sich in Stresow - zumindest damals - so als Gönner. Wir waren damals 2015, als wir vor Ort waren, hat er zum Beispiel einen Spielplatz eingeweiht, den er mitfinanziert hat, und gilt dort in Stresow eigentlich so als wirklich angesehener Bürger.
ES: Und jetzt ist er in diesem Verein Eintracht Gladau. Was ist das für ein Verein?
AR: Naja, Eintracht Gladau war bis zum Wechsel von Dennis Wesemann, von Ostelbien Dornburg nach Gladau eigentlich ein ganz normaler Fußballverein gewesen. Da gab es zumindest vorher keine Auffälligkeiten. Wesemann ist nach Ostelbien Dornburg, 2015 wurden die sozusagen aus dem Verkehr gezogen, also haben die Spielberechtigung verloren, ist Wesemann 2016 nach Gladau gewechselt. Und da gab es schon damals große Befürchtungen, dass ein zweites Ostelbien Dornburg entstehen könnte. Der Verein hat aber letzten Endes diesem Wechsel zugestimmt. Da gab es also mehrere, was ich weiß, Beratungen innerhalb des Vereins mit dem Vorstand. Und irgendwann hat man dann gesagt: "Okay, Herr Wesemann kann ganz gut Fußball spielen, also nehmen wir ihn bei uns auf." Und ich glaube, noch ein oder zwei Spieler von Ostelbien Dornburg sind mit nach Gladau gewechselt, und man muss auch sagen, dass eigentlich jahrelang relativ Ruhe gewesen ist. Also die Probleme, um die es jetzt geht, sind nach meinem Kenntnisstand seit ein, zwei Jahren aufgetreten. Also, dass Vereine sagen: Wir wurden bedroht bei Spielen. Es gab Tätlichkeiten. Schiedsrichter die sagen, wir werden bedroht. Und das ist nach meinem Kenntnisstand seit ein, zwei Jahren.
ES: Welche Rolle spielt Dennis Wesemann jetzt in diesem Verein?
AR: Naja, Dennis Wesemann gilt als Kopf der Mannschaft, als Taktgeber. Er war zum Beispiel Abteilungsleiter Fußball. Er ist gegenüber den Sportverbänden als Mannschaftsverantwortlicher aufgetreten, und es gab im vergangenen Jahr, im Juni die Abwahl des Vorstandes. Ein neuer Vorstand wurde installiert, sein Cousin Max Kuckuck ist seitdem erster Vereinsvorsitzender. Und ich habe mir die Protokolle, es müssen ja immer Protokolle bei solchen Mitgliederversammlung angefertigt werden, die sind öffentlich, die habe ich mir durchgelesen, und da ist schon wirklich auch herauszulesen, dass Herr Wesemann sehr vehement die Abwahl des alten Vorstandes auch gefordert hat. Und ich glaube, das ist schon wirklich sehr deutlich erkennbar, dass der Herr Wesemann dort die treibende Kraft ist bei Eintracht Gladau. Das war auch schon übrigens bei Ostelbien Dornburg so, auch da galt er als Kopf der Mannschaft.
ES: Diese ganze Diskussion um mutmaßliche Rechtsextremisten in dem Verein ist nicht so wahnsinnig neu. Also es gab das vor ein paar Monaten schonmal, da hat die taz, die tageszeitung, geschrieben, dass es einen Putsch im Verein gegeben habe. Kann man das so sagen?
AR: Ja, das habe ich immer wieder gehört. Den Begriff, den würde ich jetzt vielleicht nicht verwenden. Aber es ist schon auffällig, es wurde eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen, im Juni vergangenen Jahres, und der alte Vorstand wurde abgewählt und der neue Vorstand installiert. Und eben mit Max Kuckuck, Cousin von Dennis Wesemann, jetzt als ersten Vereinsvorsitzender, das bedeutet ja auch, dass Herr Wesemann innerhalb des Vereins mit relativ wenig Gegenwind zu rechnen hat.
ES: Was läuft denn bei diesen Spielen eigentlich ab? Du hast gerade schon von Bedrohungen während Spielen gesprochen.
AR: Genau, am Ende ist es fast egal, ob Gladau Zuhause spielt oder irgendwo als Gast antritt. Es soll wohl in der Vergangenheit immer wieder dazu gekommen sein, dass vor allen Dingen bei Niederlagen - also man sagt, wenn Gladau gewinnt, ist alles gut, aber sobald die Mannschaft verliert, dann kann es unangenehm werden. Sie sind also bekannt für eine sehr ruppige Spielweise teilweise. Und wenn es halt eben nicht nach Plan läuft, dass dann wohl Spieler bedroht werden, da sind so Sprüche wohl gefallen, wie: "Ich sehe dich ja nachher nach dem Spiel dann wieder!" Dann gibt es Schläge. Also es wurden Schläge angedroht während des Spiels. Es soll bei ein oder zwei Spielen, dann noch im Nachgang zu Handgreiflichkeiten gekommen sein. Wir haben auch von einem Schiedsrichter gehört, der wohl bedroht wurde. Der dann wohl auch aus Angst vor Konsequenzen die Rote Karte hat stecken lassen. Er wollte eigentlich eine Rote Karte geben und halt die dann halt stecken lassen. Ja, solche Geschichten hat man gehört. Wir haben auch von einem Schiedsrichter gehört, mit ausländischen Wurzeln, mit Migrationshintergrund. Er wurde wohl begrüßt, der war bei einem Spiel, bei einem Turnier wohl gewesen, und soll begrüßt worden sein von dem Spieler von Gladau mit den Worten: "Wir geben Ausländern hier keine Hand." Ja, also auch die Fans sind wohl gefürchtet dort in der Region, die wohl auch zu Teilen aus der rechtsextremistischen Szene stammen sollen. Also der Verein gilt so als Anziehungspunkt für Personen aus dem rechten Spektrum, teilweise rechtsextremistischen Spektrum, teilweise auch gewaltaffin. Das sagen Szenebeobachter, die die Spiele von Gladau beobachten, auch Fotos natürlich anfertigen, wo man dann halt eben Anhänger und Fans von Gladau in entsprechender Kleidung sehen kann, mit Symbolen. Das sind schon mal Anhaltspunkte. Und dann zum Beispiel gab es das Spiel vergangenes Jahr im April, da hat Gladau gegen Loburg gespielt, und es gab dann Ende zweite Halbzeit eine Rangelei zwischen Spielern. Und da sind dann klar Gladau-Anhänger auf das Spielfeld gestürmt. Und ein Zuschauer hat dann auch einen Spieler der Gastmannschaft attackiert und wurde dann auch verletzt.
ES: Das sind alles sehr dramatische Geschichten. Man könnte natürlich auch sagen: Gut, das ist jetzt ein Fußballverein in einem sehr kleinen Ort. Vielleicht ist es auch nicht so wahnsinnig dramatisch, wenn in diesem kleinen Fußballverein, der ja bundesweit auch eine kleine Rolle spielt, so ein paar Nazis mitspielen. Wieso ist das ein Problem, wenn das so ist?
AR: Naja, es mag zwar ein kleiner Verein sein, stimmt. Wir reden hier von der neunten Liga in Sachsen-Anhalt, Kreisoberliga, neunte Liga. Aber dennoch gelingt es diesem relativ kleinen Verein, eine ganze Region in Angst und Schrecken zu versetzen. Also das ist schon wirklich ein großes Problem. Also neben Gladau spielen elf weitere Vereine in der in der Kreisoberliga. Und fast alle haben mir gesagt, haben die Vorwürfe bestätigt. Also ich meine, wenn man sich mit den Leuten unterhält und dann hörst du immer wieder von Bedrohung, von Gewalt, von Tätlichkeiten. Also ich habe mir auch Spielberichte durchgelesen, da ist die Rede von Schlägen auf dem Hinterkopf, bei Gegenspielern oder so. Oder Schiedsrichter, die bedroht werden. Schiedsrichter, die keine Rote Karte zeigen, aus Angst um ihre Gesundheit. Das ist schon eine Größenordnung, wie gesagt, das betrifft das Jerichower Land. Ich finde das persönlich immer wieder erschreckend, dass es offensichtlich in Deutschland Regionen gibt, wo Leute Sorge haben, Angst haben, sich klar zu positionieren. Sich klar gegen rechts auch zu positionieren und zu sagen: Bis hierher und nicht weiter. Sorgen haben, mit Pressevertretern zu sprechen. Immer wieder mit der Begründung: "Ja, seien Sie mir nicht böse, ich habe Angst um meine Gesundheit. Ich habe Angst um die Gesundheit meiner Familie." Also, wie lang der Arm von Dennis Wesemann offensichtlich ist. Und das zeigt dann schon eine Größenordnung. Das zeigt also, das ist nicht nur ein kleiner Fußballverein, sondern von diesem Verein, da hat sich so eine Drohkulisse drumherum gebildet.
ES: Das sind dann die Sorgen. Also genau, elf weitere Vereine gibt es in dieser Liga. Niemand wollte mit euch vor der Kamera sprechen. Hat dieser Verein so eine große Macht in diesem in diesem Kreis?
AR: Ja, also, wir haben genau elf Vereine gibt es noch neben Gladau in der Kreisoberliga. Wir haben alle angeschrieben, keiner wollte vor die Kamera treten. Aus unterschiedlichen Gründen. Einige haben per E-Mail geantwortet. Einige haben wir am Telefon gesprochen, und die allermeisten haben aber die Vorwürfe gegen Gladau auch bestätigt.
ES: Also im November schon wurde Eintracht Gladau vom Fußballverband von Sachsen-Anhalt vom Spielbetrieb ausgeschlossen. Jetzt ist das ganze wieder Thema, auf Kreisligaebene. Wieso dieses ganze Hin und Her?
AR: Also es war so gewesen, dass nach meinem Kenntnisstand im August, September beim Fußballverband Sachsen-Anhalt, also beim Dachverband, die ersten Hinweise aufgelaufen sind, externe Hinweise. Zum Beispiel von Vereinen, die sich dann gemeldet haben. Und ich finde, dass der Fußballverband dann sehr schnell reagiert hat, weil im November wurde Eintracht Gladau die Spielberechtigung entzogen. Die haben dagegen Rechtsmittel eingelegt, haben auch erstmal Recht bekommen. Deswegen dürfen die unter strengen Auflagen gerade auch wieder Fußball spielen. Und haben einen Eilantrag gestellt. Und seitdem dürfen sie unter strengen Auflagen wieder Fußball spielen. Und weil sie Rechtsmittel eingelegt haben, ist das Verfahren, das läuft noch, dieses Ausschlussverfahren. Und das andere ist natürlich der Kreisfußballverband Jerichower Land. Das ist der Fußballverband vor Ort. Und da haben wir immer wieder die Vorwürfe gehört von verschiedenen Vereinen, dass dieser Verband, speziell der Präsident, Horst Wichmann, wegschauen würde, die Probleme ignorieren würde, dass man Gladau bei Vorfällen nicht genügend sanktionieren würde. Und das ist natürlich relativ schwer zu belegen. Aber wir haben mit Herrn Wichmann auch gesprochen, der uns erklärt hat, er sehe kein Problem mit Eintracht Gladau. Es hätte sich kein Verein an ihn gewandt. Und er hätte von diesen Vorwürfen rund um den Verein erst durch den Ausschluss letzten Endes erfahren. Ich kann mir das ehrlich gesagt schwer vorstellen, dass bei einem Kreisfußballverband die Probleme überhaupt gar nicht aufploppen, aber zumindest waren das seine Aussagen gewesen. Und, genau, also, man würde dort seit Jahren wegschauen. Oder dass der Verband, der Kreisfußballverband immer wieder wegschaut, das ist das, was wir dort vor Ort gehört haben, als Vorwurf.
ES: Ja, lass uns doch nochmal kurz auch reinhören, wie Herr Wichmann das begründet hat:
Horst Wichmann, Präsident Kreisfachverband Fußball Jerichower Land: Es ist Fußball. Da können wir nichts dazu sagen. Die haben Fußball gespielt, wie andere auch.
Albrecht Radon: Sie sagen, Gladau ist ein ganz normaler Fußballverein?
Horst Wichmann: Ich sage mal, doch. Von meiner Sicht her, wie ich das sehe, ist es ein Fußballverein wie jeder andere. Fouls kommen überall vor.
Albrecht Radon: Sie wissen auch nicht, dass Dennis Wesemann ein polizeibekannter Rechtsextremist ist?
Horst Wichmann: Das weiß ich.
Albrecht Radon: Das wissen Sie?
Horst Wichmann: Ja. Das ist ja hier im Kreis Jerichower Land bekannt.
Albrecht Radon: Aber, das spielt für Sie keine Rolle?
Horst Wichmann: Für mich spielt das schon eine Rolle. Aber, wie wollen wir es ändern? Es gibt eine AfD und es gibt das und es gibt da Rechtsextremisten, die gibt es überall.
ES: Abgesehen vom Verband, ist Gladau ja jetzt eine Gemeinde, ich habe mal geguckt, da wohnen ungefähr 600 Einwohner*innen. Ich kann mir gut vorstellen, dass da jeder jeden kennt. Du hast auch schon gesagt, die Leute haben Angst vor dem - Zitat "langen Arm von Dennis Wesemann". Aber andersrum: Geht das da einfach so durch? Also wenn die Leute sich wirklich untereinander kennen. Da steht aber trotzdem niemand auf?
AR: Na ja, das ist ja das Problem dieser ländlichen Räume. Jeder kennt jeden. Du begegnest dir beim Bäcker, läufst du dir über den Weg, du läufst dir beim Metzger über den Weg, bei irgendwelchen Dorffesten triffst du dich. Da ist natürlich, sage ich mal, die Hemmschwelle relativ groß, wahrscheinlich, dann sich offen zu positionieren. Das kann man, glaube ich, oder das kann ich auch nachvollziehen. Und wir haben versucht, in Gladau mit ein, zwei Leuten ins Gespräch zu kommen. Das war wohl wenig zielführend. Entweder wollte oder konnte man nicht was dazu sagen. Fakt ist aber halt eben auch, es gibt dort relativ wenig für die Jugend. Es gibt dort diesen Fußballverein. Ich weiß jetzt nicht genau, ob es dort einen Jugendclub gibt. Nach meinem Kenntnisstand eher nicht. Also der nächste Jugendclub ist ein paar Kilometer entfernt. Und dann ist natürlich so ein Sportverein, so ein Fußballverein, gerade für männliche Jugendliche ein Anziehungspunkt. Und das ist auch genau der Punkt, den Herr Wesemann dann offensichtlich ausnutzt, indem er dort neue Spieler oder Jugendliche an sich bindet über den Fußball. Das sagt zumindest auch der Miteinander e.V. aus Magdeburg, die also die rechtsextremistische Szene im Jerichower Land wirklich seit vielen Jahren auch beobachten.
ES: Genau, vom Miteinander e.V., da hast du mit David Begrich gesprochen. Und ich finde, der beschreibt eigentlich ganz gut, in welchen Strukturen da die Leute eben diesen Rechtsextremismus auch erfahren und wie sie Dennis Wesemann wahrnehmen.
Im ländlichen Raum ist man in einem überschaubaren Sozialraum. Man begegnet sich immer mal wieder, man trifft sich immer zweimal im Leben. Langer Rede kurzer Sinn: Man kann sich in dieser Region nicht aus dem Weg gehen. Er ist ja nicht irgendwer. Man muss sich klarmachen: Er ist im Fußball verankert, er ist kommerziell aktiv und er ist ein guter sozialer Netzwerker. Im Sinne von: Ich habe persönliche Kontakte, die in alle Himmelsrichtungen der Region gehen.
ES: Meinst du, man könnte sagen, dass sich Dennis Wesemann diese örtlichen Strukturen auch zunutze macht?
AR: Es sieht so aus, ja. Also Fußball ist seine Lebenswelt und er versucht dort über den Fußball, die Leute an sich zu binden. Das ist jedenfalls mein Eindruck. Und man das ist, das finde ich auch außerhalb statt. Also ja, als ich glaube, dass Fußball dort so der Anziehungspunkt ist. Und Herr Wesemann das halt eben auch dann auf seine Art und Weise auch ausnutzt. Und man muss auch sagen, warum in Gladau offensichtlich so wenig Gegenwind ist, weil dieses Tyrannisieren, die Vorwürfe, die uns berichtet wurden, das findet ja nicht in Gladau statt. Es betrifft ja vor allen Dingen andere Vereine. Also, die machen ja jetzt nicht Schlimmes in Galdau, ziehen dort irgendwie durch die Straßen und grölen irgendetwas, sondern es betrifft vor allen Dingen den Fußball und damit halt eben andere Vereine.
ES: Und, du meintest schon, es wollten wenig Leute mit über die Problematiken sprechen. Wie stehen denn die Leute zum Verein? Finden die Leute diesen Verein auch gut?
AR: Naja, das ist wie gesagt, wir haben jetzt nicht mit so vielen Leuten gesprochen. Das waren ein, zwei, die wir auf der Straße angetroffen haben, da haben wir gerade ein paar Bilder gemacht vom Sportplatz. Und einer wollte, glaube ich, gar nichts sagen, habe ich noch in Erinnerung. Und bei dem anderen, der konnte die ganze Aufregung um den Verein überhaupt nicht nachvollziehen. Also die machen doch hier nur Fußball. Aber das ist nicht repräsentativ. Das sind jetzt ein, zwei Leute, die wir dort getroffen haben. Und ich könnte mir auch wirklich vorstellen, aus genannten Gründen, dass die gar nicht so ein riesengroßes Problem mit Gladau haben, weil - noch einmal - Spieler ja jetzt nicht in Gladau irgendwelche Dinge tun, die nicht gut sind. Oder ihren Rechtsextremismus ausleben, oder Gewalt ausüben,sondern es betrifft vor allen Dingen die anderen Fußballvereine. Aber ich kann dir nicht hundertprozentig sagen, wie die 600 Einwohner insgesamt zu dem Verein stehen.
ES: Ja, na klar!
AR: Aber ich meine, letzten Endes, der Verein hat wirklich ein paar Mitglieder. Und Dennis Wesemann wurde damals, gemeinsam wurde beschlossen: Wir wollen Denis Wesemann bei uns im Verein haben. Das sagt ja auch relativ viel aus.
ES: Wie ist es denn dann für dich als Journalist, wenn du da in so einen Ort kommst, in so einen Verein kommst, und Leute sind entweder gleichgültig oder wollen nicht mit dir sprechen, weil sie vielleicht Angst haben. Wie arbeitest du dann? Wie versuchst du dir einen Überblick zu verschaffen, was da eigentlich abgeht?
AR: Natürlich haben wir versucht, journalistisch, musst du alle anderen Vereine natürlich kontaktieren. Auf verschiedenen Wegen haben wir das versucht. Eben per E-Mail oder habe dann auch Vereine, die nicht geantwortet haben, oder auch Vereine aus anderen Ligen, die aber mal gegen Gladau gespielt haben, versucht telefonisch zu erreichen. Will die Leute dann aber auch nicht tagelang überreden, vor die Kamera zu treten. Weil, wenn mir jemand sagt, er hätte Angst und hätte Angst vor Konsequenzen und vor Vergeltung: Ich will die Leute auch nicht auch einer Gefahr aussetzen. Also das ist ganz klar. Versuche dann aber trotzdem zu sagen, wie wichtig eine Berichterstattung in meinen Augen zumindest ist. Und dass es trotzdem wichtig wäre, sich in irgendeiner Form zu positionieren. Und ob es denn vielleicht möglich wäre, das Ganze anonymisiert zu tun. Das ist ja dann halt in einigen Fällen hat das ja dann auch funktioniert. Und ich glaube, man kriegt dann schon ein Gespür dafür, wenn dir Leute immer wieder dasselbe erzählen. Ja, also die Leute, die sprechen wollen mit uns und du liest es dann, entweder per E-Mail oder am Telefon hörst du immer wieder dieselben Geschichten, dieselben Ängste und Sorgen, dann ergibt sich schon ein relativ gutes Bild. Wir waren ja auch vor Ort gewesen. Ich habe auch vor Ort versucht, da war gerade Punktspiel gewesen bei ein, zwei Vereinen. Da wollten wir einfach Themenbilder drehen. Aber auch da durfte ich entweder nicht aufs Gelände. Da hieß es: "Herr Radon, seien Sie mir nicht böse, wir wollen das nicht. Wir wollen nicht in dieser Berichterstattung in irgendeiner Form stattfinden." Und bei einem anderen Verein konnten wir zumindest Themenbilder drehen. Da hatte Gladau auch gar nicht gespielt. Aber auch die wollten dann nicht vor die Kamera und sich irgendwie posieren.
ES: Und Dennis Wesemann war auch nicht zu fassen zu bekommen?
AR: Das versuchen wir seit vielen, vielen Jahren. Also Interviews mit Dennis Wesemann ist wirklich sehr schwierig. Das will er nicht. Das macht er nicht. Wir haben das natürlich auch diesmal wieder probiert. Wir waren in Stresow. Wir haben ihn gesehen, dort. Also wir sind durchgefahren. Und hatten ihn da schon stehen sehen, mit einer Gruppe anderer Personen. Haben angehalten, sind dann zu dem Hof gegangen, haben versucht, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Und er hat dann nur so eine so eine Geste gemacht: Komm, haut jetzt ab! Ist dann in sein Auto gestiegen und ist dann sehr, sehr schnell vom Hof gefahren. Und dann haben wir das noch mal probiert, bei einem Spiel. Wir waren dann auch beim Fußballspiel gewesen, Karith gegen Gladau, eine Stunde später. Und wollten dann nach dem Spiel wieder mit Herrn Wesemann ins Gespräch kommen. Und der ahnte das wahrscheinlich auch schon. Und wir hatten dann nur – also der Kameramann hat gesehen, wie Herr Wesemann, sich dann wirklich tatsächlich so durch die Büsche geschlagen hat. Da stand so im Hintergrund ein Transporter offensichtlich bereit. Ist in diesen Transport eingestiegen und ist dann einfach davongefahren. Also, das ist einfach… funktioniert nicht. Also mit Herrn Wesemann ins Gespräch kommen, funktioniert nicht.
ES: Und habt ihr versucht, auf anderem Weg eine Stellungnahme von ihm zu bekommen? Habt ihr mal den Verein angefragt, zum Beispiel Max Kuckuck, den Vereinsvorsitzenden. Ich meine, das sind ja schon harte Vorwürfe gegen den Verein, die wir da eben gehört haben. Was sagt den der Verein dazu?
AR: Ja, wir haben auch versucht, von Max Kuckuck nach einem Spiel vor der Kamera zu befragen. Er gab uns kein Interview. Dann haben wir den Verein auch angeschrieben. Und haben gefragt, was die zu den Vorwürfen – also das, was wir gerade gehört haben, die Vorwürfe der Gewaltandrohungen und der Gewaltanwendungen – was die dazu sagen, und auch zu den mutmaßlichen rechtsextremen Strukturen im Verein. Die lapidare Antwort, die wir per Mail bekommen haben: "Wir nehmen keine Stellung zu irgendwelchen Gerüchten. ...Das selbe gilt für angebliche Beleidigungen und sonst welche Vorwürfe gegen unseren Verein."
ES: Wie sind denn so eigentlich die Aussichten? Also wie wird in Gladau, im Eintracht Gladau weitergehen?
AR: Naja, es gibt ja zwei Ausschlussverfahren, wenn man so will. Einmal der Fußballverband Sachsen-Anhalt. Wie gesagt, erst im November ausgeschlossen, Rechtsmittel eingelegt. Deswegen ist es ein laufendes Verfahren. Und dann hat auch der Landessportbund Sachsen-Anhalt ein Ausschlussverfahren eröffnet. Da soll wohl nach meinem Kenntnisstand relativ zeitnah eine Entscheidung fallen. Ich glaube, selbst wenn man sich, wenn einer der Verbände sagt: Ja, wir schließen den Verein aus, hätte klar doch immer noch die Möglichkeit, nochmal Rechtsmittel einzulegen. Ich glaube, das ist dann zivilrechtlich, und das wird sicherlich noch eine Weile sich hinziehen. Aber ob es wirklich, ob die Gründe, die Vorwürfe ausreichen, dass es soweit kommt, zu einem Ausschluss, das kann ich wirklich schwer beurteilen.
ES: Albrecht Radon, danke dir!
Das war der Podcast "MDR Investigativ - Hinter der Recherche". Den Film finden Sie unter dem Schlagwort "Eintracht Gladau" in der ARD Mediathek, in der Sendung Exakt.
In zwei Wochen hören Sie dann an dieser Stelle wieder meine Kollegin Secilia Kloppmann. Und am Ende dieser Folge habe ich natürlich noch einen Podcast-Tipp für Sie:
Jeden Tag eine packende Geschichte, ein relevantes Thema und Infos zum Mitreden. Das erwartet sie nämlich bei "11KM - der tagesschau-Podcast". 11KM steht für die elf Kilometer, die es hinab zum tiefsten, messbaren Punkt der Erde geht. Und auch der Podcast taucht in jeder Folge tief in ein relevantes Thema ein. Zusammen mit Journalistinnen und Journalisten der ARD durchleuchtet Host Victoria Koopmann fünfmal pro Woche ein aktuelles und spannendes Thema aus Politik, Wirtschaft, Kultur oder Sport und blickt bei den Gesprächen auch gern hinter die Kulissen.
Diese Woche ist zum Beispiel meine Kollegin Julia Cruschwitz zu Gast gewesen und hat darüber gesprochen, wie der Staat Frauen die Gewalt erleben, im Stich lässt. „11KM - der tagesschau-Podcast“. Ein Thema, in aller Tiefe, täglich von Montag bis Freitag in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.
Und wenn Ihnen „MDR Investigativ - Hinter der Recherche“ gefällt, oder wenn Sie Kritik haben, dann schreiben Sie uns doch gerne eine Mail an investigativ@mdr.de. Wir hören uns dann wieder in einem Monat. Machen Sie es bis dahin gut!
MDR INVESTIGATIV - Hinter der Recherche