Schiedsrichter Jonas Krzyzanowski gibt eine gelbe Karte
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Der Redakteur | 21.11.2023 Streitpunkt Amateur-Fußball: Was wird getan gegen Respektlosigkeit, Geschrei und Gewalt?

21. November 2023, 17:57 Uhr

Der Fußball ist eigentlich nur ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Das hört man immer wieder. Deshalb muss man die zunehmende Gewalt auf Fußballplätzen aber nicht hinnehmen. Und endlich tut sich auch etwas. Eine Recherche unseres Redakteurs für Hörerfragen. Sie fragen - wir antworten.

Wir könnten es uns einfach machen, Corona ist schuld und der Krieg und die wirtschaftliche Gesamtlage. Wir sind halt etwas aufgeregter als früher, da kommt der Dorf-Fußballplatz gerade recht.

Doch das stimmt so nicht. Es war 2019, da gab es alle diese "Begründungen" noch nicht, aber im Spätherbst des Jahres hatten wir die exakt gleiche Diskussion wie heute, bis hinauf zur Politik, erklärt Dr. Thaya Vester vom Institut für Kriminologie der Universität Tübingen. Sie begleitet die Deeskalations-Bemühungen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wissenschaftlich.

Damals hatte sich eigentlich die ganze Republik mit dem Thema beschäftigt. Auch die Innenminister. Es wurden Maßnahmen versprochen und dann kam Corona.

Dr. Thaya Vester, Mitglied der DFB-Projektgruppe "Gegen Gewalt gegen Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter"

Bedeutet: Wir hatten andere Sorgen, der Amateurfußball stellte den Betrieb ein. Nun haben wir wieder Herbst und das Thema kocht erneut hoch, was kein Zufall ist. Der November scheint wie geschaffen für Eskalationen, was nicht nur an der Schlecht-Wetter-Laune liegt.

Die Vorfälle nehmen auch deshalb zu, weil es dann vielen dämmert, dass die Saisonziele nicht mehr erreicht werden können. Während die ersten verlorenen Spiele noch unter Findungsphase abgeheftet werden, gehen dann die Erklärungen aus. Da wird der Schiedsrichter schnell zum Blitzableiter.

Fans von Chemie Leipzig beobachten das Spiel. 22 min
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Dr. Thaya Vester ist Mitglied der Anti-Gewalt-Projekt-Gruppe beim DFB. Sie erklärt, was gegen verbale und physische Gewalt auf unseren Fußballplätzen getan wird.

MDR THÜRINGEN - Das Radio Di 21.11.2023 16:40Uhr 21:36 min

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Wie sollen Schiedsrichter konkret geschützt werden?

Die gelbe oder orangefarbene Weste wirkt auf den ersten Blick wie ein Alibi-Kleidchen, sie ist aber wichtig, erklärt Dr. Thaya Vester. Sie signalisiert dem Schiedsrichter sofort, wo er Hilfe bekommt. Auch, wenn es darum geht, zunächst nur Schreihälse zu beruhigen.

Thüringer Fußballverband schult Ordner

Ein bisschen Begleitschutz auf dem Weg in die Kabine ist mitunter auch gefragt. Der Thüringer Fußballverband schult aktuell die Ordner, da geht es um Deeskalationsstrategien, wie man Rudel auflöst und auch rechtliche Fragen spielen eine Rolle. Stichworte Hausrecht und Rauswurf.

Weil auch bei Nachwuchsspielen mittlerweile eine Ordnerpflicht herrscht und das nicht mehr nur auf dem Papier, steigt der Bedarf an Ehrenamtlichen in den Vereinen. Die müssen nun geschickt versuchen, den Fokus von der Backschürze auf die Warnweste zu lenken. Denn bei Lichte betrachtet tritt das Problem im Nachwuchsbereich ja nur auf, weil die Eltern da sind. Wenn die dann auch gleich noch zur Lösung beitragen können, ist auch ihren eigenen Kindern geholfen. Doch nicht jeder bringt die besten Voraussetzungen mit.

Es gibt durchaus ein paar Anforderungen, die man erfüllen sollte. Dazu gehört unter anderem, dass sie nüchtern sein müssen, so traurig es ist.

Dr. Thaya Vester

Soll heißen: Ein Ordner oder eine Ordnerin sollte auch weder Bier- noch Sektflasche in der Hand haben. Was direkt zu der Frage führt, ob die fröhlichen Stammtische am Spielfeldrand oder die Kippe in der Hand wirklich das optimale Rahmenprogramm für ein Kinderfußballspiel sind.

Müsste man nicht auch die Eltern schulen?

Man müsste und man macht es auch. Mitunter stellt sich nämlich die Frage, wer eigentlich wen erzieht. Wenn sich Kinder zu wehren beginnen, wegen der verbalen Einwürfe vom Spielfeldrand, ist der Punkt gekommen, vielleicht einfach mal die Klappe zu halten.

Mit kleinen grünen Kärtchen, überreicht durch die Kinder, und analogen Plakaten an den Sportplätzen wollen DFB und Thüringer Fußballverband auf die Grundregeln aufmerksam machen. Die Vorstellung der Idee mit den Karten war übrigens bereits 2018. Es gibt sie in sechs Sprachen mit fünf leicht verständlichen Bitten.

  1. Danken statt Zanken.
  2. Vergnügen statt Rügen.
  3. Loben statt Toben.
  4. Erlebnis statt Ergebnis.
  5. Vorbild statt Fuchsteufelswild.

Wer sich in auch nur einem Punkt wiedererkennt, muss doch zugeben, dass die Karte schon direkt was gebracht hat.

Welche Rolle spielen die Trainer?

Die Trainer können die Erziehungsdefizite der Eltern nicht ausgleichen. Sie sind in der Regel auch keine Pädagogen und keine Sportwissenschaftler. Sie sind Ehrenamtliche, die einen echten Job haben und oft eher durch Zufall in die Funktion gerutscht sind. Umso wichtiger ist es, dass die Schulungen der Verbände sich nicht nur auf die Fußballregeln beschränken.

Das gilt übrigens auch für Schiedsrichter. Den Trainern muss auch beigebracht werden, wie sie ihre aufgestaute Energie besser einsetzen, als ständig den Schiedsrichter zu belehren.

Volker Westhaus ist beim Thüringer Fußballverband für das Schiedsrichterwesen und die Gewaltprävention zuständig. Er versucht es mit dem Bild, dass die Schiedsrichter auch nicht die Einwechslungen der Trainer kommentieren, auch wenn es die dümmste in ihrer Karriere sein sollte.

Eine Schiedsrichterin, steht mit roter und gelber Karte auf einem Rasen und hält in der anderen Hand eine Trillerpfeife. 16 min
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Jeder Thüringer Fußballverein ist verpflichtet, Order zu stellen. Volker Westhaus, zuständig für Schiedsrichterwesen und Gewaltprävention, führt diese Schulungen durch.

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Der Ansatz bei den Schulungen: Den negativen Schub nach der falschen Ecken-Entscheidung in eine positive Kraft umwandeln. Heißt: Die eigene Mannschaft sortieren statt zu lamentieren.

Wir müssen die Trainer öfter daran erinnern: Auf die Mannschaft habt ihr einen Einfluss, ob das jetzt Ecke war oder nicht, darauf nicht.

Volker Westhaus, Thüringer Fußballverband

Zudem gibt es Schulungen der Multiplikatoren in den Vereinen oder den Kreisfußball-Ausschüssen. Das können die Vorstände sein oder die Nachwuchskoordinatoren. Bei 50.000 Spielern und 1.000 Vereinen kann der Thüringer Fußballverband nicht alle selbst zusammentrommeln.

Er kann aber Anreize setzen, zum Beispiel mit Prämien für Fairplay. Denn auf den Spielberichtsbögen ist auch Platz für positive Ereignisse. Der Stürmer, der zugibt, im Strafraum gestolpert und nicht gefoult worden zu sein oder der Trainer, der einen eigenen Spieler vom Platz nimmt, wenn der Gegner nur zu zehnt angereist ist.

Das sind neben den kleinen Tor-Erfolgen die wirklich großen Momente, aus denen Kinder fürs Leben lernen. Man muss das nur vernünftig kommunizieren. Denn machen wir uns nichts vor: Mit den erlernten Fußballtechniken werden die meisten nicht weit kommen, mit den erworbenen sozialen Kompetenzen schon eher. 

MDR

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 21. November 2023 | 16:40 Uhr

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