Digitalisierung Trauerkultur im Wandel - QR-Codes auf Grabsteinen
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24. November 2024, 14:23 Uhr
In unserer digitaler werdenden Welt ist auch die Grab- und Trauerkultur im Wandel. Seit gut zehn Jahren verbreitet sich hierzulande ein aus Asien kommender Trend: Gräber mit digitalen QR-Codes führen zu Gedenkseiten im Internet. Dort erinnern die Lebensgeschichte, Fotos oder Videos an den Toten. Es gibt virtuelle Kondolenzbücher und Kerzen. Wie verbreitet ist diese neue Form des Erinnerns in Thüringen?
An Gedenkorten, auf Tafeln und neben Gedenksteinen gibt es sie schon länger. Diese QR-Codes, die zu weiteren Informationen führen. Auch neben der Stolperschwelle vor dem Bahnhof in Kahla, die an die Tausenden Zwangsarbeiter des ehemaligen Rüstungswerks "Reimahg" erinnert, findet sich eine kleine schwarze Steinplatte.
Darin ist ein QR-Code eingelasert. Mit dem Handy eingescannt, führt er auf die Website des Fördervereins "Mahn- und Gedenkstätte Walpersberg". Hier wird der Geschichtsinteressierte fündig.
Der QR-Code sei eine wichtige Ergänzung, um mehr zu erfahren über das ehemalige unterirdische Rüstungswerk und den Forschungsstand dazu, sagt Steffi Brion vom Vereinsvorstand. Mit ihrer Idee traf sie in der Steinmetz-Firma Schweiger in Orlamünde auf offene Ohren.
Die Steinmetzmeister laserten den vom Verein erstellten QR-Code in die acht mal acht Zentimeter messende Steinplatte, die neben der Stolperschwelle am Bahnhof Kahla im Boden eingelassen ist.
QR-Code wird in Granit gelasert
Technisch sei es kein Problem, einen QR-Code in Stein zu meißeln, sagt Seniorchef Ulrich Schweiger, und zeigt im Ausstellungsraum der Firma ein größeres Modell. Auf der 15 x 15 Zentimeter großen Platte aus dunklem Granit ist der weiße QR-Code gut erkenn- und lesbar.
Das zweidimensionale Muster werde ausgeplottet, ausgestrahlt und dann die Vertiefung noch ausgemalt, erklärt Schweiger. Etwa 150 Euro koste das Anfertigen nach dieser Methode, Lasern sei teurer.
Schweiger steht dieser Form des modernen Gedenkens offen gegenüber. Die Bestattungskultur ändere sich, Grabsteine werden nur noch wenige bestellt. Eher sind es Tafeln für Gemeinschaftsanlagen. Diese digitale Variante ermögliche es, das Gedenken an den Verstorbenen lebendig zu halten.
Nur nachgefragt habe eben, außer dem Kahler Verein, bislang noch niemand bei ihm. "Von der Technik her können bestimmt sehr viele Kollegen das machen, aber es ist bisher noch nicht gefragt worden", weiß er aus Gesprächen.
Von der Technik her können bestimmt sehr viele Kollegen das machen, aber es ist bisher noch nicht gefragt worden.
Erst wenige QR-Grabsteine in Thüringen
Eine stichprobenartige Nachfrage bei Friedhofsverwaltungen in Thüringen scheint das zu bestätigen. Der neue Trend scheint hierzulande (noch) nicht angekommen. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel: So gibt es auf dem Städtischen Friedhof Apolda zwei Grabsteine, die an der Rückseite mit einem QR-Code versehen sind.
Auf dem Friedhof in Sonneberg findet sich ein Grab mit einem QR-Code, der zu einer virtuellen Gedenkseite führt, wo unter anderem die Trauerrede nachzulesen ist. Auch in Jena kann Friedhofsleiter Bertram Flößner auf ein solches Grab auf dem großen Nordfriedhof verweisen.
"Zirka 10.000 Grabstätten haben wir hier und es gibt wirklich nur das eine Grab mit einem QR-Code.", sagt Flößner. Das Grab eines mit 35 Jahren verstorbenen Wissenschaftlers. Wer den QR-Code auf der kleinen Plakette eingescannt, hat sofort Teil am Leben des sympathisch aussehenden, vielseitig interessierten und engagierten jungen Mannes.
Vor drei Jahren ist er an einem seltenen Tumor gestorben. Die Gedenkwebsite mit Fotos, Kondolenzbuch und Erinnerungs-Blog erzählt viel über ihn.
Zirka 10.000 Grabstätten haben wir hier und es gibt wirklich nur das eine Grab mit einem QR-Code.
Friedhofssatzung musste geändert werden
Um den Wunsch der Angehörigen zu erfüllen, die QR-Code-Plakette am Grabstein anzubringen, wurde 2021 extra die Friedhofsatzung geändert, erinnert sich Bertram Flößner. Darin heißt es nun, dass das Anbringen eines QR-Codes nur erlaubt ist, wenn der Antragsteller die Verantwortung für dessen Inhalt übernimmt und der Code der Friedhofssatzung entspricht.
Das sei entscheidend, so Flößner, um Sicherheit zu haben, falls da Texte hinterlegt sind, die problematische Inhalte haben, nicht auf den Friedhof gehörten oder der Pietät widersprechen. Diese rechtlichen Fragen bereiten derzeit den Friedhofsverwaltungen vielerorts noch Kopfschmerzen.
Wie in Eisenach orientieren sich die Kommunen teils an der Mustersatzung des Gemeinde- und Städtebundes zu diesem Thema und haben ihre Friedhofssatzungen dementsprechend angepasst. Andere sehen noch keinen Handlungsbedarf und begründen das mit der fehlenden Nachfrage.
Interesse an neuer Art des Gedenkens
Doch was nicht ist, kann noch werden. Das Thema QR-Codes auf Grabsteinen ist in der Welt. Menschen interessieren sich für diese neue Gedenkform, wollen so die emotionale Verbindung zu verstorbenen Familienangehörigen und Freunden lange erhalten.
Steffi Brion und ihr Mann beispielsweise sind begeistert vom Potential dieser neuen Gedenkform. Sie könnten sich das gut vorstellen, haben eine große Familie, überall verstreut, sagt sie. Mittels QR-Code könnten Geschichten und Fotos der Familie, auch die lange Ahnentafel, allen zugänglich gemacht - und auch weiter ergänzt werden.
All das, sagt Steffi Brion, lasse sich mit einem Passwort auch ganz einfach sperren für die Öffentlichkeit, so dass nur die Familie den QR-Code lesen kann.
MDR (dvs)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 24. November 2024 | 18:40 Uhr
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