Schüler einer fünften Klasse eines Gymnasiums melden 2019 sich im Unterricht. 3 min
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MDR AKTUELL beantwortet die Frage einer Hörerin

MDR AKTUELL Fr 04.04.2025 06:21Uhr 03:01 min

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Thüringen Greift die Landesregierung die Konzepte der freien Schulen an?

04. April 2025, 06:47 Uhr

Es ist eine ihrer ersten großen Amtshandlungen und um die gibt es gleich heftige Diskussionen: Die neue Thüringer Landesregierung aus CDU, BSW und SPD will die Schulordnung ändern. Es geht um die Zensuren, Sitzenbleiben und Kopfnoten. Besonders Gemeinschaftsschulen sehen sich bedroht. MDR-Nutzerin Anja Hense aus Kölleda interessiert, warum es die Regierung freien Schulen erschweren will, mit reformpädagogischen Ansätzen zu arbeiten.

An der reformpädagogischen Jenaplan-Schule in Jena läuft vieles anders als an einer konventionellen Schule: Statt Klassen gibt es Projektgruppen, in denen Kinder unterschiedlichen Alters zusammen lernen. Bis zur siebten Jahrgangsstufe bekommen die Schülerinnen und Schüler keine Noten, die Lehrer beurteilen ihre Leistung stattdessen in Textform. Und sitzenbleiben können sie auch nicht.

Schulleiter Frank Ahrens ist es wichtig, dass die Schüler einen Lernweg betreten können, der erst einmal angstfrei und druckfrei ist: "Und dass die Beziehung erst einmal das Wichtige ist, die Beziehung zwischen Schülern und Lehrern. Und über Angstfreiheit und ein Lerninteresse, das erst einmal in jedem Menschen, in jedem Kind ist, können wir Lernwege erzeugen, die letztlich dazu führen, dass wir in den zentralen Prüfungen auch gut abschneiden."

Bildungsminister: Leistungen sollen klar beurteilt werden können

Die Jenaplan-Schule ist eine von über 80 Gemeinschaftsschulen in Thüringen. Kinder und Jugendliche lernen hier länger gemeinsam. Und viele vergeben erst später Noten. Das will die Brombeer-Koalition ändern. Es gehe darum, Leistungen klar beurteilen zu können.

Geschehen solle das nach dem Prinzip "Fördern und Fordern", erklärt Bildungsminister Christian Tischner: "Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass das Thema Sozialnoten, manche sagen auch Kopfnoten, und das Thema Versetzungsentscheidungen verstärkt und ausgeweitet werden soll. Er sieht aber auch vor, dass wir berücksichtigen, was die individuelle Schulentwicklung vor Ort berücksichtigen möchte."

Reaktion auf Versetzungsproblem in achten Klassen

Im Entwurf war von Ausnahmen bisher keine Rede. Was stattdessen ankam: Verpflichtende Zensuren und Versetzungsentscheidungen ab Klasse sechs. Kopfnoten für fast alle Klassenstufen. Jetzt sagt der Minister: Man rede mit allen Akteuren und suche nach Lösungen.

Die geplante Reform fußt aber offenbar weniger auf bildungswissenschaftlichen Konzepten, sondern auf einem bekannten Problem, erklärt Tischner: "Wir haben die Situation in Thüringen, dass es seit dem Aussetzen der Versetzungsentscheidung in der fünften und siebten Klasse dazu führt, dass wir in der achten Klasse eine Verdreifachung der Schüler haben, die nicht versetzt werden können. Früher waren es zwei Prozent, wir sind jetzt bei sieben Prozent in der achten Klasse, die in Regel- und Gemeinschaftsschulen nicht weiterkommen."

Dass einige Schulen die anvisierte Reform begrüßen würden, weiß auch Schulleiter Ahrens: "Mir ist völlig klar, dass das Vorhaben auch von etlichen Gemeinschaftsschulen getragen wird, die letztendlich Versetzungsprobleme haben und die in der Frage, wie sie mit ihren Kindern umgehen, Probleme haben. Dort wird möglicherweise eine solche Entscheidung nachvollziehbar sein, ohne dass ich ihr unbedingt zustimmen würde."

Landeselternvertretung: Starre Regeln fördern Ungleichheit

Bettina Flügel von der Landeselternvertretung glaubt: Die Wiederholerquote ist vor allem deshalb gestiegen, weil es zu wenige Lehrkräfte gibt: "Eine sinnvolle Schulentwicklung muss pädagogische Konzepte in den Mittelpunkt stellen, anstatt diese starren Regelungen einzuführen, die Druck und Ungleichheit noch verstärken."

Ob das Ministerium den Entwurf der neuen Schulordnung noch ändert, ist nicht klar. Nach den Anhörungen der Verbände geht er in den Koalitionsausschuss. Schon zum neuen Schuljahr soll die Reform in Kraft treten.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 04. April 2025 | 06:00 Uhr

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