
Der Redakteur | 18.03.2025 Der Fall Wacker Teistungen - das juristische Nachspiel eines Jux-Turniers
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17. März 2025, 15:40 Uhr
Es war nur ein harmloser Fußballspaß - ein Turnier im Nachbarort Gernrode zum Jahreswechsel. Eingeladen wurde der FC Wacker 1914 Teistungen. Die Herren wollten aber nicht in der Halle kicken, das ist nicht so gut für die alten Knochen. Also schickte Teistungen seine B-Junioren. Ein Eigentor, wie sich im Nachhinein herausgestellt hat.
Dario Pizzano ist ein Vorbild an Engagement, beruflich eingebunden, Familienvater, Trainer von gleich zwei Mannschaften und zweiter Vereinsvorsitzener ist er auch noch in Teistungen im Thüringer Eichsfeld. In dieser Eigenschaft kämpft er seit Jahresbeginn gegen ein ganz offensichtlich lückenhaftes Regelwerk des Thüringer Fußballverbandes.
Teistungen gegen Gernrode
Sein Verein nahm mit einer B-Junioren-Mannschaft an einem Hallenturnier im nahe gelegenen Gernrode teil, das nicht offiziell beim Thüringer Fußballverband angemeldet war.
Warum auch? Die Mannschaften machten auch keinen offiziellen Eindruck, unter anderem war eine Schiedsrichter-Mannschaft mit dabei und eben die Mannschaft der Teistunger B-Junioren, die das Ding auch noch gewann.
Tage später die Ernüchterung: Der Thüringer Fußballverband (TFV) fühlte sich doch zuständig, verpasste dem Spaßturnier einen ernsthaften und offiziellen Anstrich und erkannte in der Folge einen Regelverstoß.
Wir sind aus allen Wolken gefallen. Es war ein Spaßturnier! Und plötzlich wird es als offizieller Wettbewerb umgedeutet und unsere Jugendlichen werden bestraft.
Trotz mehrfacher Schriftwechsel blieb der Verband bei seiner Entscheidung, das Sportgericht urteilte und - das gehört auch zur Geschichte - Teistungen verpasste es, seinem Widerspruch die nötige Gebührenzahlung folgen zu lassen. So wurde das Urteil rechtskräftig.
Sperre gleicht einer Niederlage
Ergebnis: Die B-Juniorenspieler, die bei dem fragwürdigen Hallenturnier dabei waren, wurden für ein Spiel gesperrt. Das fand am kommenden Wochenende statt. Für 15 Minuten standen acht andere Teistunger auf dem Platz. Das ist die Mindestanzahl, damit ein Spiel überhaupt stattfinden darf. Dann verletzte sich ein Teistunger - es waren nur noch sieben auf dem Platz und das Spiel wurde abgebrochen und hatte eine Niederlage zur Folge.
TFV: Wir müssen uns an unsere Regeln halten
TFV-Präsident Udo Penßler-Beyer ist auch nicht damit zufrieden, wie die Dinge gelaufen sind. Für ihn ist der Fall aber klar: Die Teilnahme von B-Junioren an einem Herrenturnier verstößt gegen die Ordnungen des Verbandes. Der Fehler lag seiner Meinung nach beim gastgebenden Verein, der das Turnier nicht angemeldet habe.
Das Grundproblem ist der Begriff "Spaßturnier". Den gibt es in unserer Ordnung nicht.
Der Verband sei lediglich in der Folge nur seinen satzungsmäßigen Verpflichtungen nachgekommen, nachdem er Kenntnis bekommen hat. Zudem habe Teistungen den entscheidenden Fehler gemacht, die Berufungsgebühr nicht fristgerecht zu zahlen, wodurch eine erneute Verhandlung unmöglich wurde.
"Wir können nicht einfach ein Sportgerichtsurteil aufheben", so Penßler-Beyer, das wäre Willkür und auch angreifbar durch andere Vereine. Gleichzeitig zeigt sich Penßler-Beyer offen für eine mögliche Anpassung der Regularien in der Zukunft, um ähnliche Fälle zu vermeiden.
Lücken im Regelwerk schließen
Das empfiehlt auch Prof. Dr. Anne Jakob, Fachanwältin für Sportrecht. Und zwar ziemlich nachdrücklich. Denn sie sieht nicht nur eine Lücke im Regelwerk, sondern mehrere. Eine zentrale Frage ist, ob ein Turnier nachträglich als offizieller Wettbewerb deklariert werden kann. Schließlich seien die Beteiligten unter ganz anderen Voraussetzungen angetreten.
Der nächste Punkt: Die Vereinsautonomie. Die Vereine können einiges veranstalten ohne den Verband, insofern es der eigenen Satzung entspricht und das dürfte das Fußballspielen einzuschließen. Hinzu kommt, dass der amtliche Dorfalltag vorsieht, dass man gemeinsam feiert.
Eltern gegen Kinder - was für ein Spaß!
Es gehört zu den regelmäßigen Gepflogenheiten, dass zum Saisonabschluss Eltern gegen Kinder spielen. Dann trifft die Juniorenmannschaft auf Muttis ohne Spielberechtigung, Vatis, die beim Nachbarverein kicken und kleine und große Geschwister.
Bedeutet: Nach jedem dieser Kicks kann derzeit jemand beim Verband anklingeln und darum bitten, diesem Spiel einen offiziellen Charakter geben. Familienspiele gibt es ja nicht, es muss also ein Freundschaftsspiel gewesen ein. Da hätte das Sportgericht sehr viel zu tun.
Wenn man das zulässt, könnte jeder Verein ein Juxturnier ausrichten und es hinterher als Freundschaftsspiel anmelden. Das wäre ein extremer Wettbewerbsnachteil und könnte leicht missbraucht werden.
Ein weiteres Problem sieht die Juristin in der Bestrafung der Spieler anstelle der Verantwortlichen. Als Lösung schlägt sie vor, in der Spielordnung klarzustellen, dass ein Verein im Voraus festlegen kann, ob eine Veranstaltung als offizielles Spiel gelten soll oder nicht.
Wie kann die Verbandsordnung angepasst werden?
Zum Glück sind es die Thüringer Fußballvereine selbst, die mit Mehrheitsbeschluss über das Regelwerk entscheiden. Teistungen will das für das aktuelle Problem auch anschieben, das hat Dario Pizzano angekündigt.
Bis dahin richtet die dörflichen Spaßspiele in Thüringen mal lieber der Feuerwehrverein aus. Und vielleicht denkt man gleichzeitig auch noch über die Sache mit der Begnadigung nach, falls mal wieder ein rechtskräftiges Urteil mit Abstand betrachtet völlig absurd erscheint.
Aktuell lautet die Regel: Es muss die Hälfte der Strafe abgesessen sein, bevor eine Begnadigung möglich ist. Bei dem einen Spiel Sperre - wie bei den Teistunger B-Junioren - wäre das also die erste Halbzeit gewesen. Das ist natürlich Blödsinn, entspricht aber trotzdem der Logik des Regelwerks des Thüringer Fußballverbandes.
MDR (ifl)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 18. März 2025 | 15:20 Uhr