Landgericht Mühlhausen Vorwurf der kriminellen Vereinigung: Mutmaßliche Reichsbürger vor Gericht
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31. März 2025, 16:18 Uhr
Zwei mutmaßliche Rädelsführer einer Reichsbürgergruppe müssen sich seit Montag vor dem Landgericht Mühlhausen verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen die Bildung einer kriminellen Vereinigung sowie versuchte Nötigung und Erpressung in besonders schwerem Fall vor.
Angeklagte sollen jahrelang Drohschreiben an Behörden gesendet haben
Die 54 und 52 Jahre alten Männer sollen nach Informationen von MDR Investigativ gemeinsam mit zwölf weiteren mutmaßlichen Reichsbürgern jahrelang Thüringer Behörden mit Drohschreiben überzogen haben. Laut Anklage wollten sie Beamte mit hunderten Schreiben unter Druck setzen, um sich Steuern, Ordnungsgeldern und Zwangsvollstreckungen zu entziehen. Wie aus der am Montag von der Staatsanwaltschaft verlesenen Anklage hervorgeht, sind mehr als 300 Fälle angeklagt.
In ihren Schreiben an die Behörden - vor allem das Finanzamt war demnach betroffen - sollen sie unter anderem in nötigender Weise zur Datenauskunft, zur Zahlung und sonstigen Handlungen sowie zum Staatsangehörigkeitsnachweis aufgefordert haben. Die Angeklagten hätten aus einer radikalisierten ideologischen Grundhaltung und aus einem Gewinnstreben heraus gehandelt, sagte Staatsanwalt Benedikt Ballhausen bei der Verlesung der umfangreichen Anklageschrift, die sich über Stunden zog.
Die Angeklagten hätten als Staatsleugner agiert und unter anderem Fantasieausweise besessen, sagte Ballhausen weiter. Die Gruppierung sei Ende 2020 aus dem Familienkreis des 54 Jahre alten, verschuldeten Landwirts und Edelmetallhändlers heraus entstanden. Die Vereinigung, zu der etwa auch die Frau sowie Sohn und Tochter des 54-Jährigen gehören sollen, habe mit kriminellen Geschäftsmethoden und in hoch organisierten Verwaltungsstrukturen gearbeitet, so der Staatsanwalt. Ziel sei die systematische Einschüchterung von Gläubigern und Behördenmitarbeitern gewesen.
Weiterer Vorwurf: Steuerhinterziehung
Dem älteren Angeklagten wird zudem Steuerhinterziehung von mehr als einer halben Million Euro im Zusammenhang mit Edelmetallgeschäften vorgeworfen. Außerdem soll die Finanzverwaltung nach MDR-Recherchen offene Steuerschulden von mehreren Millionen Euro bei ihm nicht eingetrieben haben.
Die beiden Männer sitzen seit Mai 2024 in Untersuchungshaft. Sie weisen die Vorwürfe zurück. Die Verhandlung wurde am späten Nachmittag unterbrochen. Die Verlesung der Anklageschrift soll am 16. April fortgesetzt werden.
Was sind eigentlich Reichsbürger? (zum Ausklappen)
Laut Bundeszentrale für politische Bildung sind "Reichsbürger" oder auch "Reichsregierungen" mehrere sektenartige Gruppen von Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern. Diese Gruppen behaupten, das Grundgesetz sei eine "Fortsetzung des Krieges gegen das Deutsche Reich" und die Bundesregierung ein von "den westlichen Siegermächten aufgezwungenes Statut der Fremdherrschaft über das Deutsche Volk".
Ziel der Reichsbürger sei die "Delegitimierung der Bundesrepublik Deutschland und das Stiften von Verwirrung", schreibt der Verfassungsschutz Brandenburg.
Die Kernideologie der Reichsbürger ist antisemitisch, geschichtsrevisionistisch und demokratiefeindlich. Neben der Ablehnung der Demokratie gehört manchmal die offensive Leugnung des Holocaust zur Agitation.
Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung
MDR (kah/dr), dpa
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 31. März 2025 | 07:30 Uhr