Auf einmal Lehrling Mit Doktortitel zum Elektriker: Wie ein 43-Jähriger ganz neu beginnt

15. September 2022, 13:17 Uhr

Etwa 9.000 Betriebe in Thüringen bilden aus, viele davon im Handwerk. Die meisten Lehrlinge sind 16 Jahre alt und kommen direkt von der Schule. Anders Tobias Rimek. Er war zu Beginn seiner Lehre 43 und hatte sogar schon einen Doktortitel. Warum er mit seinem Berufsleben komplett neu gestartet ist und ob sein Lehrmeister bereut hat, ihn einzustellen, haben wir uns in Weimar angeschaut.

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Seit über 40 Jahren bildet Elektrikermeister Gerd Beltzner (83) Lehrlinge aus. Einer mit Doktortitel war allerdings noch nie dabei. Zumindest, bis Tobias Rimek bei ihm anrief. Der 43-jährige Musikwissenschaftler hatte entschieden, dass er einen Handwerksberuf erlernen wollte.

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Gerd Beltzner und sein Lehrling Dr. Tobias Rimek verstehen sich gut und haben schon die nächsten Schritte für den Elektriker-Seiteneinsteiger geplant.

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Nach dem Abitur kam Rimek nach Weimar an die Hochschule für Musik und studierte Musikwissenschaft. Er promovierte erfolgreich und arbeitete zehn Jahre in seinem Beruf. "Das ist heutzutage aber nicht so einfach. Befristete Verträge, halbe Stellen, die Arbeitsplätze sind im ganzen Land verteilt - so richtig glücklich war ich damit nicht", erzählt er.

Es ist schon sehr befriedigend, mit den eigenen Händen etwas Bleibendes zu schaffen.

Tobias Rimek

Als Rimek dann seine damalige Wohnung alleine sanierte, stellte er fest, dass er durchaus handwerklich begabt war und wie gut ihm diese Arbeit gefiel. "Es ist schon sehr befriedigend, mit den eigenen Händen etwas Bleibendes zu schaffen."

Lehrstelle im Handwerk gesucht

"Als er damals hier angerufen und nach einer Lehrstelle gefragt hat, haben wir erstmal gelacht", erinnert sich Gerd Beltzner. "Aber ich habe ganz schnell das Gefühl gehabt, dass das mit ihm klappt." Und dann hat er Rimek ganz schnell zugesagt.

Auch wenn der Umgang mit einem 43-jährigen Lehrling ganz anders ist als der mit knapp 18-jährigen. "Die Lehrzeit ist ja eigentlich da, um den Menschen zu formen", sagt Beltzner. Und er weiß, wovon er spricht. Seit er sich 1978 selbständig gemacht hat, bildet er auch aus. "Von ihm erwarte ich natürlich eine ganz andere Reife", sagt er und zwinkert Tobias Rimek dabei zu.

Sprung ins kalte Wasser gewagt

Der hat sich seine Entscheidung natürlich nicht leicht gemacht. Jahre hat er darüber nachgedacht, ob er den Schritt gehen und noch einmal ganz von vorne anfangen soll. "Man gibt ja auch nicht so einfach eine sichere Stelle auf, um ins kalte Wasser zu springen." Zumal er jetzt ja auch von einem Lehrlingsgeld leben muss. "Aber bei dem, was in der Wissenschaft manchmal gezahlt wird, ist der Sprung nicht so groß, wie man denkt."

Völlig neue Welt entdeckt

Praktisch ist der Sprung dafür umso größer. Von einer völlig neuen Welt spricht Rimek. Schon alleine, dass er körperlich arbeitet, statt am Schreibtisch zu sitzen, ist eine enorme Umstellung. "Bisher hat er immer in sauberen Sachen gearbeitet und jetzt steht er den ganzen Tag im Staub", bestätigt Beltzner. Aber das stört Rimek nicht. Auch seine Kollegen haben ihn vom ersten Tag an respektiert und konnten seinen Wechsel nachvollziehen.

Inzwischen hat er so ziemlich alle Arbeiten eines Elektrikers kennengelernt - vom Schlitzen und Stemmen bis zum Verkabeln im Verteilerkasten. Und er ist sich sicher, die richtige Wahl getroffen zu haben. Gerd Beltzner beobachtet das auch: "Bei ihm hat sich die Begeisterung für den Beruf in der Lehre noch verstärkt. Man merkt immer mehr, dass er das wirklich will."

Vielseitiger, anspruchsvoller Beruf

Der Elektriker, da sind sich die beiden einig, ist von allen Handwerksberufen der spannendste. "Du bist der erste auf der Baustelle, bist vom Rohbau an die ganze Zeit dabei und am Ende gehst du vor der Übergabe als letzter raus und machst quasi das Licht aus", sagt Tobias Rimek. Und Beltzner ergänzt: "Das ist der vielfältigste von allen Handwerksberufen, da kann mir einer sagen, was er will."

Auswirkungen auf alle Lebensbereiche

Tobias Rimek ist zufriedener geworden, seit er die Ausbildung begonnen hat. "Es ist ein wirklich gutes Gefühl, etwas Nützliches zu tun, gebraucht zu werden. Das gibt mir sehr viel", erzählt er. Und mit diesem Gefühl geht er ganz anders durch sein Leben. "Außerdem bekommt man auch Anerkennung als Handwerker, das tut schon gut."

Zukunft im Beruf durchgeplant

Bald schließt Tobias Rimek seine Lehre ab. Gleich im Anschluss folgt die Meisterausbildung. Danach will er weiter in seinem Lehrbetrieb arbeiten. "Du musst ja auch immer weiter lernen", sagt Gerd Beltzner. "Es gibt keine Minute Stillstand im Handwerk." Ob es die immer neuen Materialien sind oder immer neue Vorschriften, alles entwickelt sich.

Und wenn dann jemand, der das alles weitergeben will auf jemanden trifft, der es lernen möchte, wird es spannend für alle Beteilgten. Nicht nur im Elektriker-Handwerk.

MDR (gh)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 13. September 2022 | 20:15 Uhr

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