Ein Gittertor mit dem Schriftzug "jedem das seine"
"Jedem das Seine" - Replik des Eingangstores am ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald. Bauhäusler Franz Ehrlich gestaltete den Schriftzug, während er als politischer Gefangener im KZ inhaftiert war Bildrechte: MDR/Sophie Hartmann

Klassik Stiftung Weimar Bauhaus und Nationalsozialismus: Ausstellung zeigt widersprüchliche Geschichte der Kunstschule

09. Mai 2024, 03:02 Uhr

In drei Stationen widmet sich die Jahresausstellung der Klassik Stiftung Weimar der zwiespältigen Beziehung zwischen der berühmten Kunstschule Bauhaus und dem Nationalsozialismus. Dabei setzt sie sich mit einer Seite des Bauhauses auseinander, über die bislang kaum gesprochen wurde.

Es muss etwas Elektrisierendes in der Luft gelegen haben, als 1919 das Bauhaus in Weimar gegründet wurde. Der Wunsch nach etwas Neuem und nie Dagewesenem hatte zahlreiche junge Kreative in die Kleinstadt gezogen. Ausgerechnet hier, in der Wiege der Klassik, sollte die Moderne eine neue Zeit einläuten.

Was die Bauhäusler wohl als eine beginnende Utopie empfunden haben, ist einem Großteil der Weimarer ein Dorn im Auge. Die unkonventionelle Art und experimentelle Kunst der eigensinnigen Bauhäusler stößt bei der zunehmend rechtskonservativen Bevölkerung auf Unverständnis. Trotz aller Bemühungen kann sich das Bauhaus in Weimar nie aus seiner Außenseiterrolle befreien. Mit der steigenden Macht der Nationalsozialisten wächst der Druck auf die Kunstschule immer weiter. Der politische Kampf, der das Bauhaus seit seiner Gründung von außen aber auch von innen zerfressen hat, zeigt der erste Ausstellungsteil im "Museum Neues Weimar".

Nach dem Aufbruch folgt die Flucht

Der Rechtsruck und die Thüringer Landtagswahlen 1924 besiegeln das Schicksal des Bauhauses. "Das war der erste Tabubruch", so Ulrike Lorenz, Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar. Denn kurz darauf wird die Finanzierung der Kunstschule gestrichen. Ein Jahr nach der Schicksalswahl sieht sich das Bauhaus gezwungen, seinen Gründungsort zu verlassen und nach Dessau weiterzuziehen. Nur wenige Jahre später folgt der zweite erzwungene Umzug nach Berlin.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten verliert die Kunstschule endgültig den Kampf und löst sich 1933 schließlich auf. Viele Angehörige, etwa Walter Gropius, emigrieren ins Ausland. Bei einer Säuberungsaktion im Jahr 1937 werden über 450 Werke ehemaliger Bauhäusler als "Entartete Kunst" beschlagnahmt oder unwiederbringlich zerstört. Wenige Stücke, die gerettet oder zurückgewonnen werden konnten, sind im zweiten Ausstellungsteil im "Bauhaus-Museum" zu sehen.

Ein Mann steht in einem Ausstellungsraum in dem Plakate hängen
Teil 3 der Ausstellung im Schiller-Museum zeigt Biografien von Bauhäusler, die während der NS-Zeit in Deutschland weiter praktizierten. Bildrechte: MDR/Sophie Hartmann

Ein makelloses Image

"Das war der Anfang des Mythos vom guten, vom antifaschistischen Bauhaus“, meint Ulrike Lorenz. Der Mythos vom Zusammenschluss visionärer Künstler, die eine bessere und demokratische Welt schaffen wollten und verbannt wurden. Doch es gibt auch eine Seite der Geschichte, die durchaus heikler und voller Widersprüche ist. Und die, so Ulrike Lorenz, würde viel zu selten erzählt.

Die Geschichte der Institution "Bauhaus" endet 1933. Doch seine ehemaligen Angehörigen und ihr Handwerk leben weiter. Während zahlreiche Meister und ehemalige Studierende ins Exil gehen und die Bauhaus-Idee dort verbreiten, verbleibt eine deutliche Mehrheit der Bauhäusler in Nazi-Deutschland und setzen dort ihr künstlerisches Handwerk weiter fort. "Es gab ab 1933 keinen gestalterischen Bruch", so Ausstellungskuratorin Anke Blümm. Besonders in der Industrie hatte der nationalsozialistische Staat demnach großen Bedarf an Architekten, die funktional und effizient dachten. Für die Propaganda habe man gute Gestalter und Fotografen benötigt. Viele Bauhäusler fanden dort ihren Platz.

Eine Büste von Adolf Hitler
Büste Adolf Hitlers, gestaltet von Bauhäusler Gerhard Marcks. Bildrechte: MDR/Sophie Hartmann

Zwischen Anpassung und Widerstand

Der dritte und letzte Ausstellungsteil im Schiller-Museum widmet sich eben diesen Biografien ehemaliger Bauhäusler in der NS-Diktatur. So etwa Franz Ehrlich, der Designer des Schriftzugs "Jedem das Seine" am Lagertor in Buchenwald. Im Gegensatz zu Ehrlich, der als Inhaftierter zu der Gestaltung gezwungen wurde, beteiligen sich andere Bauhäusler deutlich überzeugter im NS-Staat. Insgesamt 188 Bauhäusler waren nachgewiesen Mitglieder in der NSDAP. Das wohl erschreckendste Beispiel liefert der Architekt Fritz Ertl, der sich als Bauplaner für das KZ Auschwitz-Birkenau aktiv am Entwurf der Vernichtungsstätten beteiligte.

"Es geht uns nicht darum, das Bild des Bauhaus‘ zu schädigen", betont Kuratorin Anke Blümm, "aber ich glaube, wenn wir genauer wissen, was Angehörige des Bauhauses im Nationalsozialismus getan haben, können wir einerseits die Leistung des Bauhauses viel besser einschätzen und bewerten". Gelinge das, könne es schon bald ein viel ehrlicheres Bild der berühmten Kunstschule geben.

Eine Frage hängt beim Verlassen der Ausstellung besonders nach: Wird das Bauhaus mit seinen visionären Ideen zu sehr verklärt? Die Antwort muss sich wohl jeder selbst geben. Für Stiftungspräsidentin Ulrike Lorenz aber ist klar, dass es an der Zeit, ja sogar längst überfällig ist, dass Weimar sich auch mit dem widersprüchlichen Teil seines (bis dato Vorzeige-)Bauhauses befasst. Und auch für die Klassik Stiftung gelte, "dass wir auch in Zukunft nur spannend bleiben können, wenn wir nicht immer nur als die Hüter des Wahren, Guten und Schönen auftreten", so Ulrike Lorenz. Ganz bewusst habe man die Entscheidung getroffen, die Ausstellung ins Wahljahr 2024 zu legen - genau 100 Jahre nachdem die damalige Thüringer Landtagswahl den Untergang des Bauhaus‘ besiegelte.

MDR (Sophie Hartmann, Oliver Leiste)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGENJOURNAL | 08. Mai 2024 | 19:00 Uhr

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