Atelier-Besuch "Man muss verrückt sein, um das zu machen" - der Weimarer Künstler Heinzz Flottran
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03. März 2024, 08:00 Uhr
Es sei schwierig, von Kunst zu leben, sagt Heinzz Flottran. Man braucht Disziplin, muss fleißig sein und kann sich fast keine Laster erlauben. Dafür kann man sich den ganzen Tag mit dem beschäftigen, was man liebt. Und mit jedem Projekt, das man in Angriff nimmt, lernt man dazu.
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- Was der Weimarer alles kann und was er am liebsten macht
- Wieso Heinzz Flottran für ein Kunstwerk einen Traktor brauchte
- Warum ein Künstler Disziplin braucht, um einigermaßen über die Runden zu kommen
Eigentlich wollte Heinzz Flottran kein Künstler werden. Er hat sich sogar ziemlich energisch dagegen gewehrt. Nach der Schule absolvierte er zunächst eine Lehre zum Offsetdrucker, später erlernte er noch den Beruf des Schriftsetzers. Auch einen kleinen Laden führte er eine Zeit lang.
"Aber etwas fehlt, dass ich traurig bin, wenn ich nicht künstlerisch arbeite. Und da habe ich mir gesagt: Okay, jetzt hast du genug nach Feierabend gemalt. Du musst da jetzt irgendwie gucken, dass du da was Dauerhaftes daraus machst. Sonst bin ich einfach nicht vollständig.“
Kunststudium macht keinen Künstler
Und weil er es gleich richtig machen wollte, begann Heinzz Flottran zu studieren. Freie Kunst an der Bauhaus-Universität Weimar. Allerdings sei das komplett anders als erwartet gelaufen, erinnert Flottran sich: "Das, was ich eigentlich erhofft hatte, ist nicht eingetreten. Und das, woran ich gar nicht gedacht habe, das hat mich dann doch irgendwie begeistert und hat mir auch sehr viel gegeben. Aber ich kann jetzt nicht sagen, dass das so gelaufen wäre, dass man sagt, ich fange jetzt eine Art Berufsausbildung an und kann dann mit dem Ergebnis dieses Studiums irgendwie zurechtkommen. Also so ist es nicht gewesen."
Er erzählt, dass er sich beispielsweise als Maler bis heute als Autodidakt sieht. Wichtig dagegen war das Umfeld an der Uni. "Es gab eine Metallwerkstatt, die Gipswerkstatt, die Holzwerkstatt und die Fotowerkstatt. Und vor allen Dingen war auch wichtig, dass es Mitstudenten gab, die in bestimmten Bereichen durchaus überdurchschnittlich weit entwickelt waren und von denen man viel lernen konnte."
In diesem kunstfreundlichen Umfeld konnte er vieles ausprobieren. "Man hat die Sachen aus dem eigenen Kopf 'herausprobiert‘. Dann waren die auch weg." Und danach konnte Heinzz Flottran sich den Projekten zuwenden, die für ihn eine realistische Aussicht auf Erfolg hatten.
Man hat die Sachen aus dem eigenen Kopf 'herausprobiert‘. Dann waren die auch weg.
In verschiedenen künstlerischen Sparten aktiv
Bis heute ist seine Kunst sehr vielseitig. Zwar besteht der Hauptteil seiner Arbeit aus Porträtmalerei. Darauf reduzieren will und kann er sich aber nicht. "Es ist gar nicht so einfach zu sagen, was ich für ein Künstler bin, also im Sinne der ausgeführten künstlerischen Sparte."
Er schnitzt Gips- und Holzfiguren, gestaltet Skulpturen, entwirft und malt Schilder. Das ist aber nicht alles: "Ich mache auch mal einen Guss, restauriere Bilder, vergolde etwas oder baue einen Rahmen."
Was ihm am meisten Freude macht, kann er nicht sagen. "Es gibt ja historisch auch immer wieder Versuche, die einzelnen künstlerischen Sparten gewissermaßen gegeneinander zu stellen, in einen Wettbewerb treten zu lassen und zu sagen ja, diese Sparte ist nun höher zu bewerten als eine andere. Aber ich konnte dem eigentlich nie wirklich zustimmen."
Und auch einer anderen Diskussion entzieht er sich durch seine Arbeit. Der um die Auftragsarbeiten. "Es gibt viele Künstler, die machen sehr ungern oder gar keine Auftragsarbeiten. Es gibt welche, die machen ausschließlich Auftragsarbeiten. Und dann gibt es halt die, zu denen ich gehöre, die sowohl Auftragsarbeiten machen als auch sogenannte freie Arbeiten."
Dabei seien viele große Werke, die heute in Museen hängen, eigentlich auch als ganz normale Auftragsarbeiten entstanden, sagt Heinzz Flottran. Die Auffassung, dass das, was als Auftrag gemacht wird, sozusagen immer nur die zweitbeste Variante ist, immer nur die die zweite Wahl ist, lehnt er ab.
Im Grunde genommen ist es so, dass die Frage nach der Qualität an dieser Stelle gar nicht beantwortet wird.
"Im Grunde genommen ist es so, dass die Frage nach der Qualität an dieser Stelle gar nicht beantwortet wird. Entweder das Kunstwerk ist als solches gültig, weil es in sich stimmig und möglichst hochwertig gearbeitet ist. Oder es ist eben all das nicht. Und dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob das jemand beauftragt hat oder ob ich selbst mir den Auftrag gegeben habe, ein sogenanntes autonomes Kunstwerk zu machen."
Ungewöhnliche Projekte als Herausforderung
Neben dem Alltagsgeschäft gibt es im Künstlerleben des Heinzz Flottran auch immer wieder besondere Projekte. Eins führe ihn zum Kyffhäuser-Denkmal. Dort sollte das größte Bodenbild Europas entstehen, auf einer Fläche von 550 mal 550 Metern.
Mit einem Traktor und einem Pflug wurde auf einem Getreidefeld eine Zeichnung in den Boden gegraben. "Das hat mich doch sehr mitgerissen. Das war doch sehr, sehr einzigartig und sehr besonders. Ein anderes Projekt war zum Beispiel, ein Wandgemälde zu machen für eine Jenaer Firma. Das hatte ich noch nie gemacht, das war auch sehr, sehr herausfordernd und sehr stark."
Es sind Projekte, die ihn an seine Grenze führen. Projekte, bei denen er sich vieles völlig neu erarbeiten muss. "Das sind diese Projekte, die mich am meisten faszinieren. Die, die ich eigentlich nicht kann. Das sind die, die die stärksten Impulse und Antriebe bei mir hervorrufen."
Porträts von Menschen und Tieren
Trotzdem fasziniert den Maler Heinzz Flottran nach wie vor die Porträtmalerei. "Ich würde das ja nicht seit 40 Jahren machen, wenn ich es nicht lieben würde." Die Gründe, warum Menschen ihre Verwandten oder ihre Haustiere auf Leinwand oder Holz malen lassen, sind verschieden.
Zum einen, vermutet Heinzz Flottran, ist es die Haltbarkeit. "Man darf nicht vergessen, dass ein Ölgemälde bis auf den heutigen Tag als ein extrem stark stabiler Datenträger zu gelten hat. Wenn ich jetzt meine alten Fotos raussuche, die ich auf eine CD gebrannt habe, weiß ich nicht, ob ich die überhaupt noch aufkriege. Ich sage immer aus Spaß zu den Kunden, dass ich 300 Jahre Gewährleistung gebe. Aber da ist auch was Wahres dran. Die Gemälde halten technisch betrachtet wirklich sehr lange."
Ich sage immer aus Spaß zu den Kunden, dass ich 300 Jahre Gewährleistung gebe. Aber da ist auch was Wahres dran. Die Gemälde halten technisch betrachtet wirklich sehr lange.
Ein anderer Grund ist für ihn die Liebe. Natürlich könne man auch einfach ein Foto vergrößern und aufhängen, sagt der Künstler. "Wenn aber jemand ein Stück seiner Lebenszeit investiert, um eine liebevolle Abbildung zu machen, repräsentiert das Produkt, was dabei rauskommt, wesentlich stärker meine Liebe zu dieser Person, als es ein Foto jemals könnte, was sie aus dem Automaten rausläuft."
Interessant findet er, dass es wesentlich mehr Kunden gibt, die ein geliebtes Haustier malen lassen als ihren Ehepartner.
Die Porträts malt Heinzz Flottran meist von Fotos, es gibt Vorgespräche und Vorarbeiten. Gemeinsam wird das geeignete Motiv ausgewählt. Auch Sitzungen im Atelier sind möglich, die sind allerdings aufwändiger. "Die meisten Leute haben weder die Zeit noch die Geduld, noch das Interesse, das zu machen. Die wollen einen Auftrag vergeben wollen und dafür bezahlen. Oft mache ich sogar den Rahmen mit und dann ist die Sache erledigt."
Die Arbeitszeit variiert natürlich je nach Motiv. Und die unterschiedlichen Schichten müssen zwischendurch auch trocknen. Deshalb stehen immer mehrere angefangene Porträts im Atelier. Wenn er die Stunden und das Honorar ins Verhältnis setzt, sagt Flottran, arbeite er im Grund für Mindestlohn.
Und das sorgt dafür, dass er gleich mit dem nächsten Künstler-Klischee aufräumen kann. "Man muss ein sehr tugendhaftes Leben führen. Nicht rauchen, nicht trinken, nicht spielen. Man darf sich keine italienischen Schuhe leisten. Man darf das alles nicht machen, weil man sich eben den einzigen wahren Luxus gönnt, den man tatsächlich braucht als Künstler. Und das ist eben seiner verrückten Arbeit nachzugehen."
Selbstdisziplin und Fleiß sind unabdingbar
Heinzz Flottran muss früh aufstehen und früh zu Bett gehen, damit er am nächsten Tag konzentriert und mit ruhiger Hand arbeiten kann. Er braucht viel Disziplin, um finanziell über die Runden zu kommen.
Doch er sieht sich damit in guter Gesellschaft: "Selbst Maler, die heute in den teuersten und besten Sammlungen der Welt hängen, haben Schwierigkeiten gehabt, davon zu leben. Die hatten Gastronomiebetriebe, haben mit Antiquitäten gehandelt, haben teilweise sogar mit den Gemälden ihrer Konkurrenten gehandelt. Sie haben also die die wildesten Geschäftsmodelle gehabt, um überhaupt leben zu können."
Dazu kommt, dass der Künstler auch das ganze Drumherum organisieren muss. Aufträge akquirieren, Rechnungen schreiben, Material besorgen. Das erfordert Konzentration.
Für Flottran ist es außerdem sehr wichtig, dass immer alles an seinem Platz liegt. "Wenn ich mitten in der Arbeit bin, kann ich nicht erst lange den richtigen Pinsel oder Hammer suchen." Außerdem ist der Platz knapp im Atelier. Deshalb muss er auch regelmäßig aufräumen.
Die ersten Frühlings-Sonnenstrahlen dagegen sind kein Risiko für seine Arbeit. "Viele Künstler sind wirklich fanatische Werkstattarbeiter, die nur ungern einfach ihre Arbeitsgeräte hinlegen und unterbrechen. Also zum Beispiel Feiertage sind für mich eigentlich ein Gräuel, wenn ich ganz ehrlich bin. Was soll ich da feiern? Die größte Feier findet für mich statt, wenn ich hier meinen Kram machen kann und sehe, wie ein Stück, was am Morgen noch eine Idee war, am Abend dann langsam fertig wird."
Für Heinzz Flottran ist ein Künstler kein "Freizeitmensch". Weil er einfach seine Arbeit zu sehr liebt. Auch wenn es schwer ist, davon zu leben. "Man muss verrückt sein, um das zu machen, das sage ich in vollem Ernst. Man muss wirklich verrückt sein."
Man muss verrückt sein, um das zu machen, das sage ich in vollem Ernst. Man muss wirklich verrückt sein.
Und während er das sagt, setzt sich Heinzz Flottran wieder an seine Staffelei und beginnt Farben zu mischen für den richtigen Hautton für die Frau auf seinem aktuellen Porträt.
MDR (gh)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Marlene | 03. März 2024 | 19:00 Uhr
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