Justiz Rechtsbrecher oder Kinderschützer? Urteil im Maskenrichter-Prozess erwartet
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23. August 2023, 05:00 Uhr
Im Prozess gegen einen Familienrichter des Amtsgerichts Weimar wird am Mittwoch das Urteil erwartet. Er hatte die Maskenpflicht an zwei Schulen aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft fordert drei Jahre Haft.
Der Prozess gegen den Weimarer Familienrichter Christian Dettmar war immer gut besucht. Mehrfach gab es im Umfeld des Erfurter Landgerichts Kundgebungen oder Mahnwachen. Am Tag der Plädoyers gab es sogar Applaus von den Zuschauern im Gerichtssaal. Ausschließlich für die Verteidigung. Vielleicht hätte es noch mehr Beifallsbekundungen gegeben, hätte der Vorsitzende Richter nicht mit Rausschmiss gedroht. Er sagte es ruhig, aber bestimmt.
Dettmar hatte im April 2021 per Beschluss in zwei Weimarer Schulen die Maskenpflicht untersagt. Das hätte er nicht gedurft, dafür war er gar nicht zuständig, sagten später Obergerichte. Und die Staatsanwaltschaft klagte Dettmar wegen Rechtsbeugung an. Im Prozess vor dem Erfurter Landgericht ging es nicht um den Inhalt der Beschlüsse, sondern ausschließlich um deren Zustandekommen.
Am Tag der Plädoyers saß neben Dettmar und seinen beiden Verteidigern noch ein Stenograf aus dem Bundestag. Der würde alles mitschreiben, ob da jemand was dagegen habe, fragten die Verteidiger. Niemand hatte was dagegen. "Das ist ein transparentes Verfahren", sagte die Staatsanwältin.
Vorwurf: Kinder waren nur Marionetten
Dettmar habe gezielt nach Kindern gesucht, für deren Anfangsbuchstaben er zuständig war, sagte sie dann in ihrem Plädoyer. Die beiden Kinder, die mit Hilfe anderer gefunden wurden, seien ihm letztlich egal gewesen. Sie seien nur Marionetten gewesen und das Verfahren ein Deckmäntelchen, mit dem der Angeklagte ein Fanal gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie setzen wollte. Dettmar habe nicht nur seine Kompetenzen überschritten, er habe den Rechtsstaat mit Füßen getreten.
Er habe die Gutachter schon ausgesucht, bevor der konkrete Antrag der beiden Kinder da gewesen sei - und er habe nicht nur für sie, sondern gleich für alle Kinder der beiden Schulen entschieden, obwohl er nicht wusste, ob die das auch wollen, so die Anklägerin.
Beweisen ließe sich das mit E-Mails und Chatnachrichten. Die zu rekonstruieren war allerdings schwierig, denn vor der Durchsuchung habe Dettmar alles gelöscht. Auf seinem Dienstcomputer ließ sich alles wiederherstellen, auf seinem privaten Rechner nicht. Da sei am Tag vor der Durchsuchung ein neues Betriebssystem aufgespielt worden.
Staatsanwältin trägt zwei Stunden Puzzleteile zusammen
Und ein Freund des Angeklagten, der bei der Suche nach Kindern mit geeignetem Nachnamen geholfen haben soll, hatte seinen Rechner zerstört. Nur deshalb, so die Anklägerin, habe man auch bei anderen durchsuchen müssen, bei den Gutachtern, bei der Mutter der Kinder, bei ihrer Anwältin. Dabei wurden Nachrichten gefunden, in denen es schon im Vorfeld des Verfahrens um "einen uns gewogenen Richter" und eine "vorbereitete Musterklage" ging.
Mehr als zwei Stunden trug die Staatsanwältin die Puzzleteile zusammen, die den Angeklagten belasten. Der habe zudem ein abstruses Aussageverhalten an den Tag gelegt, und auch wenn man berücksichtigen müsse, dass er bei einer Verurteilung Amt und Pension verliere, sei eine Haftstrafe von drei Jahren angemessen für das, was er tat. So die Anklägerin.
Verteidigung spricht von Exempel
Die Verteidiger plädierten kürzer, emotionaler und polemischer, wie einer der beiden Anwälte selbst einräumte. Man könne einem Kindschaftsrichter nicht vorwerfen, dass er über das Leid nachdenke, dass Masken und Test bei ihnen verursacht hätten. "Wo waren Sie denn, als die Kinder von der Schlittenbahn gejagt wurden?", musste sich die Staatsanwältin fragen lassen. Bis heute sei das alles nicht aufgearbeitet, so ein Verteidiger. Applaus aus den Zuschauernreihen.
Das Verfahren würde nur geführt, um ein Exempel zu statuieren, um Andersdenkende mundtot zu machen. So habe eine Mitarbeiterin der Geschäftsstelle des Weimarer Amtsgerichts den Angeklagten aus purer Angst gefragt, ob er dafür überhaupt zuständig sei. Die Beamtin habe so viel Angst, dass sie das gar nicht zugeben konnte und deshalb nach der Zuständigkeit gefragt habe, sagte Dettmars Anwalt.
Das Gericht möge den integren Angeklagten vor der übergriffigen Staatsanwaltschaft schützen, so die Verteidigung, die Freispruch beantragte.
Dettmar selbst sagte im letzten Wort, das er den Beschluss aus tiefer innerer Überzeugung wieder so treffen würde.
Am Mittwochmorgen soll das Urteil verkündet werden.
MDR (jn)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 22. August 2023 | 06:00 Uhr