Eisenbahngeschichte 52 Kilometer Tradition - die Pfefferminzbahn wird 150 Jahre alt

10. Dezember 2023, 14:01 Uhr

Im August 1874 konnte die Strecke der Pfefferminzbahn zum ersten Mal befahren werden. Warum heute nur ein Teil der Strecke genutzt wird, was der Pfefferminzbahn-Verein zum Jubiläum geplant hat und welche Zukunft die Traditionsbahn erwartet, haben wir uns vor Ort angeschaut.

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Jonas Kaiser ist 13 Jahre alt und seine Leidenschaft gehört der Eisenbahn, seit er sich erinnern kann. Er will Lokführer werden und ist seit der Gründung Mitglied im Pfefferminzbahn-Verein. Bei Sonderfahren knipst er Fahrkarten, mit Freunden baut er an einer Modellbahn.

Wenn es nach Jonas ginge, würden viel häufiger Züge auf der Strecke fahren und dafür engagiert er sich. "Auf unserer Strecke gibt es nämlich auch nicht so viele Verspätungen wie bei der Deutschen Bahn."

Eisenbahn-Strecke mit langer Tradition

Die Pfefferminzbahn wurde im August 1874 eröffnet. Damals gab es in Straußfurt eine Zuckerfabrik, deren Anlieferungen noch mit dem Fuhrwerk erfolgten. In Sömmerda stand eine Gewehrfabrik, die Zündhütchen-, Patronenhülsen und Eisenwarenfabrik lieferte bis weit über Deutschlands Grenzen.

Kindelbrück hatte eine Papierfabrik, Weißensee produzierte Stärke für Erfurt, Arnstadt und Leipzig. Auch der Transport von Erzeugnissen der Landwirtschaft und Gärtnereien war beträchtlich. In und um Kölleda wurden Kräuter angebaut, wie Pfefferminze, Liebstöckel, und Angelika. Dazu kam Buttstädt mit seinen Viehmärkten.

So traf sich 1868 ein Gründungskomitee, um das Projekt in Angriff zu nehmen. Gebaut wurde die Bahn als Saal-Unstrut-Eisenbahn. Heute ist die Bahnstrecke Straußfurt–Großheringen eine 52 Kilometer lange Nebenbahn in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Sie führt von Straußfurt über Sömmerda und Kölleda zum Eisenbahnknoten Großheringen.

Die Geschichte mit dem Namen

Der Name "Pfefferminzbahn" wird meist mit dem Kräuteranbau in der Region erklärt. Ingo Schwarz, Vereinsvorsitzender und gelernter Eisenbahner, will das aber präzisieren: "Bei der allerersten Fahrt war der Zug mit Kräutersträußchen geschmückt. Und als er in den Bahnhof einfuhr, warteten dort Tausende Menschen. Ein Mann soll damals ganz laut gerufen haben 'da kommt ja unsere Pfefferminzbahn' und seitdem hat sie diesen Namen."

Auch der Verein trägt den Namen heute und damit ist klar, worum es geht: Die Pfefferminzbahn zu erhalten, bekannt zu machen und ihre Zukunft zu sichern. Gegründet wurde er 2018, als die Existenz der Pfefferminzbahn tatsächlich auf der Kippe stand.

Der Personenverkehr zwischen Buttstädt und dem Knoten Großheringen wurde mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2017 wegen fehlender Gelder und zu geringer Auslastung eingestellt. Eine Petition beim Thüringer Landtag zum Erhalt der Pfefferminzbahn und besseren Anschlüssen nach Jena im Jahr 2017 erhielt rund 3.000 Unterschriften.

Einigkeit zur Zukunft der Bahn bei fast allen Beteiligten

Hendrik Blose (CDU) ist Bürgermeister der Landgemeinde Buttstädt und auch Mitglied des Pfefferminzbahn-Vereins. Für ihn gehört die Bahn untrennbar zur Geschichte der Region. Über Jahre bildete sie das Bindeglied zwischen den Orten.

"In Zukunft wird die Pfefferminzbahn zu der Entwicklung der Region erheblich beitragen. Daher ist es von wichtiger Bedeutung, dass sie nicht nur erhalten bleibt, sondern auch ausgebaut wird." Blose sieht perspektivisch einen Anschluss nach Jena, der "die ländliche Region mit den Städten verbindet.“  

Betreiberin der Pfefferminzbahn ist seit 2017 die Erfurter Bahn. Das heißt, sie stellt die Triebwagen und das Personal. Für Schienennetz und Stellwerke muss sie Gebühren zahlen. Lukrativ ist das Geschäft auf der Strecke eigentlich nicht, wie Geschäftsführer Michael Hecht sagt.

Trotzdem habe man sich nach genauem Abwägen entschieden, sich auf die Ausschreibung der Leistung bis 2029 zu bewerben. "Wir haben uns als Unternehmen erneut beworben, da wir als bisheriger Betreiber natürlich schon über Ressourcen wie Fahrzeuge und Personal verfügen und diese weiter einsetzen können, jedoch auch um weiterhin den Eisenbahnverkehr für die Region zu ermöglichen, verbunden mit der Hoffnung auf einen weiteren Ausbau und bessere Zukunft der Pfefferminzbahn."  

Pro Jahr nutzen etwa 110.000 bis 115.000 Fahrgäste die Triebwagen, gezählt wird elektronisch. Allerdings hört Hecht auch immer wieder, dass mehr Menschen die Bahn nutzen würden, wenn sie weiter fahren würde.

Die Erfurter Bahn wäre durchaus in der Lage, das Angebot zu erweitern: "In Buttstädt steht der Wagen samt Lokführer ja jedes Mal eine Stunde. In dieser Zeit könnte er natürlich genauso gut bis Großheringen fahren". Aber das gab die Ausschreibung nicht her, so Hecht.

Insgesamt brauche man aber, um die Mobilitätswende zu schaffen, gerade für den ländlichen Raum ein Gesamtkonzept, sagt er. "Da müssen Bus- und Bahnverkehr besser aufeinander abgestimmt werden und vom Start bis zum Ziel für die Menschen passen."

Eine bessere Vertaktung der Busse durch die zuständigen Landkreise mit der Bahn wäre da oftmals wünschenswert. Auch der Güterverkehr hat aus seiner Sicht noch sehr viel Luft nach oben. "Das Vorhandene auszubauen, besser zu nutzen und vielleicht auch neu zu bewerten, könnte mit relativ wenig Aufwand viel Nutzen bringen."

Wenn die Rahmenbedingungen besser wären, so Hecht weiter, würden auch sicher eine Reihe der vorhandenen Gleisanschlüsse genutzt, um die Logistik wieder mehr auf die Schiene zu bringen.      

Menschen müssten die Pfefferminzbahn stärker nutzen

Das funktioniert aber nur, so die Thüringer Eisenbahn GmbH (ThE) als Streckennetzbetreiber, wenn es genug Personenverkehr auf der Strecke gibt. Denn mehr als 95 Prozent der Einnahmen kommen aus diesem Bereich.

Allerdings, so Ralf Kaiser von der ThE, würden mehr Menschen die Pfefferminzbahn nutzen, wenn sie die volle Strecke befahren würde und wenn häufiger Züge verkehren würden. "Gerade so eine Eisenbahn wie hier ist auf jeden Fahrgast angewiesen. Deshalb ist es wichtig, dass die Leute aus der Region die Eisenbahn im Endeffekt auch benutzen", sagt Kaiser. Oft habe es schon Fälle gegeben, in denen Eisenbahnen stillgelegt wurden und dann erst im Nachgang die Bevölkerung gemerkt habe, was da verloren gegangen ist.

Gerade so eine Eisenbahn wie hier ist auf jeden Fahrgast angewiesen. Deshalb ist es wichtig, dass die Leute aus der Region die Eisenbahn im Endeffekt auch benutzen.

Ralf Kaiser Thüringer Eisenbahn GmbH (ThE)

Entscheidungen liegen beim Land Thüringen

Der Verkehr auf der Pfefferminzbahn wird vom Land Thüringen bezuschusst. Zur Höhe sagt das zuständige Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft nichts: "Die Vergütung an die Erfurter Bahn für die Verkehrsleistung unterliegt aus wettbewerbsrechtlichen Gründen der Vertraulichkeit", so ein Sprecher.

Auch über die Ausweitung der befahrenen Strecke entscheidet das Ministerium. Pläne dazu gibt es bisher nicht, so der Sprecher: "Die Verlängerung der Pfefferminzbahn von Straußfurt bis Großheringen wird im Gutachten zur Reaktivierung von Eisenbahnstrecken untersucht und im Masterplan Schiene bewertet. Die Ergebnisse beider Studien sollen noch in diesem Jahr der Öffentlichkeit vorgestellt werden."

Wenn der laufende Vertrag mit der Erfurter Bahn also 2029 ausläuft, könnte die nächste Ausschreibung anders aussehen.

Planungen für das Jubiläum laufen bereits

Große Hoffnungen setzt der Pfefferminzbahn-Verein auf das Jubiläum der Bahn im kommenden Jahr. "Wir wollen sie bekannter machen und den Menschen zeigen, wie wichtig die Pfefferminzbahn heute noch ist" sagt Ingo Schwarz. "Schließlich wollen wir ja auch irgendwann den 200. Geburtstag feiern."

Die Planungen für das 150. Jubiläum jedenfalls haben begonnen. "Am Samstag, 17. August 2024, wird es ein großes Bahnhofsfest geben. Da werden verschiedene Loks ausgestellt, bei manchen kann man dann auch im Führerstand mitfahren", so Schwarz.

Modellbahnen und Gartenbahnen werden aufgebaut, es gibt Musik und Sonderfahrten. "Allerdings nicht mit Dampfloks. Die die Kosten sind mittlerweile exorbitant. Außerdem ist Mitte August die Brandgefahr einfach zu hoch." Derzeit werden beim Verein noch weitere Ideen gesammelt.

Das Stadtarchiv Sömmerda will im März eine Sonderausstellung zum Thema "150 Jahre Pfefferminzbahn" eröffnen und auch bei der Erfurter Bahn macht man sich schon Gedanken.

Eins aber ist auf jeden Fall schon klar: Jonas Kaiser wird auf jeden Fall dabei sei. Er wird auf den Sonderfahrten Fahrkarten knipsen und dabei möglichst viele Leute mit der Begeisterung für seine "Pfeffibahn" anstecken.

MDR (gh)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 22. September 2023 | 17:00 Uhr

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