Radverkehr Warum Sömmerda fahrradfreundlichste Stadt Mitteldeutschlands ist
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03. September 2023, 20:10 Uhr
Thüringen ist laut Umfragen nicht sehr fahrradfreundlich. Dabei soll die fahrradfreundlichste Stadt Mitteldeutschlands ausgerechnet in Thüringen liegen: Sömmerda. Was macht die kleine Stadt im Thüringer Becken anders?
- Sömmerda bekommt von Radfahrerinnen und Radfahreren die Note 3
- Die kleine Thüringer Stadt ist Radfahrstadt aus Tradition
- In den 2020er-Jahren begann auch in Sömmerda ein neuer Fahrradboom
- Radinfrastruktur als Wahlkampfthema
Der erste Eindruck passt ins Bild: An einem sonnigen Nachmittag sind viele Menschen mit dem Fahrrad in Sömmerda unterwegs. Schülergruppen düsen die schnurgerade Frohndorfer Straße entlang, Rentnerinnen schieben ihre Räder durch die Marktstraße zum Einkaufen, Radwanderer bleiben am Unstrut-Radweg im Stadtpark stehen und fotografieren.
Im letzten Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) wurde Sömmerda als fahrradfreundlichste Stadt Mitteldeutschlands bewertet. Tatsächlich findet man keine Stadt in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die besser abschneidet als Sömmerda.
Nur eine 3 - trotzdem Bestnote
Ihre großen Nachbarn Erfurt, Weimar und sogar Leipzig kommen nicht an Sömmerda heran, wenn es um die Gunst der Radfahrenden geht. Rund eine Viertelmillion Menschen haben bei der Online-Befragung mitgemacht, darunter 72 Sömmerdaer. Sie haben der Stadt allerdings eine ausbaufähige Note gegeben: 3,1 - befriedigend.
Fahrradkultur aus Tradition
Wer Radfahrerinnen und Radfahrer aus Sömmerda fragt, der hört oft zufriedene Meinungen, wenn auch keine Begeisterungsstürme. Die Stadt ist eben klein und kompakt, die Landschaft im Thüringer Becken flach.
Da ist das Fahrrad immer ein praktisches Verkehrsmittel gewesen - mit oder ohne ausgebaute Radwege. Zur Zeit des großen Robotron-Büromaschinenwerks fuhren jeden Tag Tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Rad zur Arbeit. Es wird sogar von regelrechten Fahrradstaus berichtet.
Nach der Wiedervereinigung war das Robotron-Werk am Ende. Und das Auto wurde zum Verkehrsmittel der Zeit, als Sinnbild des westdeutschen Wohlstands. Trotzdem entstanden in Sömmerda bald die ersten Radwege.
Früh angefangen, das Fahrrad mitzudenken
Evelyn Dahlke war als Leiterin der Straßenverkehrsbehörde daran beteiligt und erinnert sich noch gut an die Zeit nach 1990: "Unsere Hauptstraßen waren gepflastert oder kaputtgefahren. Wir hatten auch keine separaten Radwege. Aber wir waren schon immer eine Radfahrstadt und da haben sich die Radfahrer zwischen den Fahrzeugen durchgemogelt. Auf einmal waren ja sehr viele Autos da. Unsere Radfahrer wollten aber auch noch da sein."
Unsere Radfahrer wollten auch noch da sein.
Heute ist Dahlke pensioniert und leitet ehrenamtlich die Verkehrswacht. Dort kann man sich ein Fahrrad ausleihen und das Sömmerdaer Radwegenetz mal ausprobieren. Es stimmt: Man kommt auf den Hauptverkehrsachsen bequem von A nach B, zum Beispiel entlang der alten Stadtmauer am Stadtring. Auch in den Wohngebieten gibt es positive Überraschungen für Radfahrende, zum Beispiel Einbahnstraßen, die für das Fahrrad in beide Richtungen geöffnet sind.
Die meisten Fahrradwege sind baulich getrennt von den Auto-Fahrspuren. Genau das wird aber heutzutage zum Problem: Viele Sömmerdaer Radwege sind schmal oder führen über den Gehweg. Moderne E-Bikes oder Lastenräder passen dort nicht aneinander vorbei. Denn der Verkehr hat sich in den letzten Jahren noch einmal verändert.
Neuer Fahrradboom
So wie sich in den 1990er-Jahren alles ums Auto drehte, so läuteten die 2020er-Jahre einen neuen Fahrradboom ein, auch in Sömmerda. Das Fahrrad ist nicht nur klimafreundlicher, sondern zunehmend elektrisiert. Das merkt auch Maik Gräfe in seinem Fahrradladen.
Vor einem Jahr hat er eine zweite Filiale am Stadtrand eröffnet - ausgerechnet in einem ehemaligen Autohaus. Die Nachfrage nach E-Bikes ist groß. Mit ihnen kann man auch längere Strecken ins Umland zurücklegen. Bei der Anbindung der umliegenden Ortsteile sehen seine Kunden noch Nachholbedarf, erzählt Gräfe.
Radverkehr auch Thema im Wahlkampf?
Breitere Radwege und mehr Anbindungen ins Umland, zum Beispiel zum Gewerbegebiet in Kölleda-Kiebitzhöhe, verspricht Bürgermeister Ralf Hauboldt (Linke). Er verweist auf das gerade beschlossene Radverkehrskonzept. Sömmerda hat sich erstmals ein solches Konzept gegeben.
Die Stadt hat jetzt einen externen Berater beauftragt, der das komplette Wegenetz überprüft und Vorschläge macht. Man merkt Hauboldt an, dass er seine Stadt auch im nächsten Fahrradklima-Test wieder vorne sehen will. Die nächste Befragung des ADFC wird 2024 durchgeführt. Im gleichen Jahr steht für Hauboldt ein weiterer wichtiger Termin an: Die Bürgermeisterwahl, bei der er wieder antritt.
Sömmerda hat Fahrradkultur
Die eine Lösung für die Verkehrswende kann man in Sömmerda nicht finden. Die Stadt versteht sich zwar als Fahrradstadt. Sie ist aber auch kein radikaler Fahrrad-Vorreiter wie manche niederländische Stadt, wo Fahrräder auf breiten eigenen Fahrbahnen ans Ziel rollen.
Sömmerda kann einfach mit einer langjährigen Fahrradkultur punkten. Viele Sömmerdaer sind einfach schon immer auf dem Rad unterwegs. Und diejenigen, die sich für bessere Fahrrad-Infrastruktur einsetzen, hatten und haben einen langen Atem.
MDR (caf)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 01. September 2023 | 19:00 Uhr
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